Ich hab gelesen. Viel. Ich korrespondiere mit einem Opfer, das im Spiegel beschrieben wurde und das mich auf meinen Leserbrief hin anschrieb.
Ich stelle die Qualität von Monikas Buch doch überhaupt nicht in Frage, sondern überlege, wie man mehr Frauen zum Lesen bringen könnte. Und da ist eben dieses oben von jemandem zitierte "too much" vielleicht ein Grund. <grübel>
'Herzfresser' - Seiten 01 - 98
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Marie reagiert auf diese Weise, einfach um sich in ihre Welt zurückzuziehen, auch eine Art damit umzugehen.
Es gibt auch Fälle da reagieren Mädchen ganz anders auf sexuellen Missbrauch, sie bieten sich Männern regelrecht an die ihnen über den Weg laufen. Auch dies ist sehr traurig, sie können aber nicht anders.Also die Einschüchterungsversuche vom Vater sind ganz schön hart, aber genau so stell ich mir das auch vor, wie den Kindern Angst gemacht wird.
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Zitat
Original von Jutta Mülich
...Sehr verkürzt: Das traumatisierende Missbrauchserlebnis führt ja gerade dazu, dass ein Mädchen eben nicht in der Lage ist, sich Hilfe zu holen. Aber in manchen Fällen holt, wie Monika Detering es ja in ihrem Roman deutlich beschreibt, der Körper durch eine physische Erkrankung Hilfe...Ja einige Opfer ritzen sich oder das ganze führt zur Magersucht.
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Zitat
Original von Cassandra79
Ja einige Opfer ritzen sich oder das ganze führt zur Magersucht.
Gisa : Du bemängelst die nicht eingeholte Hilfe durch Frauenhäuser. Zum Beispiel. Aber alles beginnt bei Marie Ende der 40er Jahre, die so nicht angesprochen sind, führen fort in eine Zeit, wo es auch für ältere Jugendliche, für junge Frau und für älter werdende Frauen keine Möglichkeiten dieser Art gab. Es sind Kinder und Frauen, denen das Schweigen eingeimpft wurde, bei denen sich die Persönlichkeit veränderte und deshalb Verhaltensmuster zeigen, die anderen, wie hier deiner Tochter, unverständlich sind.
Jutta : der Körper holt sich in vielen, nicht in allen Fällen Hilfe. Hier angerissen durch die nachfolgend ausbrechende posttraumatische Belastungsstörung.
Cassandra : Viele ritzen mit Messer, Schere, Heftzwecken, um inneren Druck zu verringern, um die Leere zu verlieren, um endlich etwas zu fühlen. -
Monde, ich kenne die Zeit. Das Sichhilfeholen bezog sich auf die Jetztzeit.
Meine Erfahrungen zu dem Thema möchte ich hier nicht breittreten, auf jeden Fall hab ich ja auch ein Buch dazu geschrieben. Lass uns also bei der technisch-dramaturgischen Umsetzung bleiben.
Mein Ziel damals war, Kindern und Jugendlichen Mut zu machen, nach außen zu gehen, sich zu verbünden: United we stand, s. "Es" von Stephen King. Darum hab ich nicht eine Protag gewählt, die von mehreren Männern missbraucht wurde, sondern einen Mann, der mehrere Mädchen missbrauchte. In seiner Stellung als Internatslehrer war das nicht schwierig, in einem entlegenen Internat bist du sehr allein.
Es wird jeweils nur eine Szene angedeutet, aber die 4 Mädchen "erkennen" sich eines Tages und sprechen sich aus. Sie haben nach der Schule ganz verschiedene Lebenswege eingeschlagen, d.h. eine, das Mariele, hat sich umgebracht.
Nun beschließen sie endlich, Rache zu nehmen anläßlich eines Schuljubiläums. Sie töten ihn nicht - obwohl es in der Schlosschule einen tollen mittelalterlichen Folterkeller gibt (Bücher dazu hab ich mir aus dem OLG besorgt, die Schule kannte ich sowieso) -. aber sie quälen ihn und setzen ihn schließlich der Schande aus, mit einer alten Schandmaske auf dem Kopf. BILD berichtet darüber, sie lesen es im Flugzeug nach Hause und fühlen eine tiefe Befriedigung. Minette Walters' Buch "Die Schandmaske" kam später, ich hab mich sehr geärgert, dass Ullstein nicht diesen meinen vorgeschlagenen Titel gewählt hat. Der Titel "Das letzte Fest" war bei Erscheinen im Dezember sehr irreführend.
Wobei wir wieder bei dem Thema sind: wie bringe ich was an meine Leser ran. Dein Titel ist klasse, aber macht offensichtlich auch Angst. Meiner war zu harmlos. Beide Bücher geben Lösungen und Hilfen, denke ich, auf ganz verschiedene Weise. -
@ monde,
ja einfach zu fühlen das man noch lebt und nicht eine leere Hülle ist.
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Habt ihr auch gerade Natascha Kampusch gesehen? Die wird hoffentlich manchen Trost und Vorbild sein. Ich möchte die nur in den Arm nehmen.
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Hallo!
Ich klinke mich zwecks Urlaub leider erst spät in diese Leserunde ein, auf die ich mich seit Bekanntgabe wie Schneekönigin freue!
Ich habe den Herzfresser vor längerer Zeit schon gelesen. es gibt wenige Bücher, die einen so berühren, dass man sich auch nach längerem Abstand gut an sie erinnert. Herzfresser ist definitiv eines davon.
Das liegt nicht daran, dass ich beim Lesen oft das Buch geschüttelt habe, wohl, um Marie virtuell anzubrüllen. Oder dass in mir Wut, Ekel und Entseten hochgekocht sind. Nein, das lag vielmehr an der Art, wie Monika Detering es schafft, das Thema zu erzählen. Sie driftet eben nicht, wie so viele, in tränenreiche Schilderungen ab. Und - ganz, GANZ selten bei solch einem Themenkomplex - das Buch entlässt den Leser nicht mit einem Kloß im Hals. Sondern mit einem positiven Gefühl. Das hinzukriegen ist ein Meisterstück.
Ich mag, wie Monika erzählt. Das ist in allen ihren Texten so - unprätentiös, sezierender Blick...ich mag es.
Silke -
Die von mir herbeigesehnte Leserunde läuft seit ein paar Tagen, mein Buch wird erst nächste Woche geliefert (irgendwie hatte ich ein Februar-Datum im Kopf...) und meinen Internet-Zugang hat's zerlegt, sodass ich auf Fremdzugänge angewiesen bin...
Ich liefere meine Eindrück dann nach!
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Zitat
Original von Waldfee
Die von mir herbeigesehnte Leserunde läuft seit ein paar Tagen, mein Buch wird erst nächste Woche geliefert (irgendwie hatte ich ein Februar-Datum im Kopf...) und meinen Internet-Zugang hat's zerlegt, sodass ich auf Fremdzugänge angewiesen bin...Ich liefere meine Eindrück dann nach!
Liest's der Postbote? Jedenfalls freue ich mich, wenn du ein paar Tage später deine Leseeindrücke noch hier reinsetzt.
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Zu Gisas Kritik : inzwischen hast du deine Kritik zwar relativiert, die Komplexität des Problems aber noch nicht akzeptiert. Auch die heute angeblich selbstbewussten jungen Frauen sind häufiger Opfer, als man denkt. Frauenhäuser sind eine unvollkommene Lösung, denn sie setzen voraus, dass frau ihr Problem öffentlich macht. Aus Scham, Furcht vor Ansehensverlust, auch wegen (unbegründeter) Schuldgefühle und Angst vor dem verantwortlichen Mann können sie das oft nicht. Es gibt Fälle, da folgt der Mann seiner Frau ins Frauenhaus, sie kann sich verstecken wo sie will, er findet sie und prügelt sie zu Tode. Wäre es so leicht, über alles zu reden, brauchte man keine Psychologen. Als ehemalige Lehrerin kenne ich das Verhalten einiger missbrauchter Mädchen. Sie igeln sich ein, lassen niemanden an sich heran, werden störrisch wie Marie, aggressiv, teilweise sogar gewalttätig - sie suchen Ventile aus iher Hilflosigkeit. Leider zu oft die falschen. Also bitte, liebe Gisa, die Wirklichkeit ist sehr facettenreich.
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Mir gefällt der Schreibstil; gerade dieses episodenhafte, diese kurzen Szenen zeigen und erklären mir sehr viel von Marie, ihrem Leben, ihren Ängsten, ihrer riesigen Einsamkeit. Sie tut mir sehr, sehr Leid. Wie furchtbar muss es sein, niemanden zu haben, dem man sich anvertrauen kann. So unter Druck gesetzt zu werden, dass man sich nur noch über Aggressvität und Realitätsflucht ausdrücken bzw. das Ganze aushalten und so überleben kann.
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Den Titel finde ich übrigens sehr passend. Dieser "Herzfresser"ist gleichzeitig auch ein "Seelenfresser".
Dass diese Art der Bezeichnung auch in die andere Richtung, also positiv, verlaufen kann ( wenn auch in der Verniedlichung ) zeigt das Buch von Michael Ende. Ist mir eben eingefallen.
Mein Sohn hatte als Kind eine Phase, in der er schlimme Träume gehabt hat - da war dieses Buch mit hilfreich.Ach ja, und einige Begriffe haben mich an Erzählungen von meiner Mutter erinnert: "Affenschaukeln" zum Beispiel - lange nicht mehr gelesen oder gehört oder gesehen.
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Zitat
Original von Gisa
auf jeden Fall hab ich ja auch ein Buch dazu geschrieben.Hallo Gisa,
könntest du mir sagen, wie das Buch von dir heisst bzw. ob es noch erhältlich ist?
Unter "Das letzte Fest" habe ich bei amazon nichts gefunden............ -
Zitat
Original von Jutta Mülich
Dass sich auch noch Großvater und Onkel an dem Mädchen vergreifen, mag auf den ersten Blick unglaublich erscheinen, doch geht man von der "Psychologie des Opfers" aus, wird auch dies erklärlich.
Ist es tatsächlich so, dass viele Opfer von mehreren Tätern missbraucht werden? Oder ist dies eher die Ausnahme?
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Zitat
Original von Rosenstolz
Hallo Gisa,
könntest du mir sagen, wie das Buch von dir heisst bzw. ob es noch erhältlich ist?
Unter "Das letzte Fest" habe ich bei amazon nichts gefunden............Hi Rosenstolz, Gisas Buch ist bei amazon, ich habe gerade geguckt ...
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Zitat
Original von Rosenstolz
Ist es tatsächlich so, dass viele Opfer von mehreren Tätern missbraucht werden? Oder ist dies eher die Ausnahme?
ja.
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Original von monde
Hi Rosenstolz, Gisas Buch ist bei amazon, ich habe gerade geguckt ...
Dieses, nicht wahr? Danke!
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Ach Leute, ich wollte ja eigentlich nichts mehr sagen, aber meine Bücher sind längst vergriffen, also nix mit Werbung.
Und das Vertrauen in die Frauenhäuser möchte ich auch vertiefen: eine Freundin von mir ist mal nachts mit 3 Kindern und in Pantoffeln dort hingefahren, ich hab sie besucht, sie weiterhin begleitet etc.pp. Also: da kommt kein Ehemann rein! Die sind abgeschottet, bewacht und sehr hilfreich. Macht Frauen Mut, sich dort hin zu begeben. Und, so entlegen es klingt, aber frau kriegt auch Hilfe, wenn sie sich privat an engagierte Frauenzeitungen wendet. Es gibt sie, die Solidarität! -
Gisa, es gibt doch auch tolle Frauenrechtsorganisationen, die hilfreich zur Seite stehen. Z.B. hat Terre des Femmes aktuell eine zweijährige Kampagne gegen "Häusliche Gewalt".