Philip K. Dick: UBIK

  • Angeblich einer der besten Romane von Philip K. Dick. Auf jeden Fall
    einer derjenigen, in denen es ihm am besten gelingt, den
    Realitätsbegriff zu zerlöchern. Die Menschen in diesem Roman sind sich
    an einem bestimmten Punkt nicht mehr sicher, ob sie überhaupt noch am
    Leben sind. Wir sind in der Zukunft, und zwar im Jahr 1992. Wenn man
    bedenkt, dass diese Rezension Ende 2006 verfasst wird, dann wirkt
    schon diese Jahreszahl bizarr, denn Dicks Zukunft hat nichts
    mit unserer Realität zu tun.


    Es gibt Paronormale (Telekinetiker, Telepathen) und sogenannte Inerte,
    die die Fähigkeiten der Paranormalen wieder aufheben. Glen Runciter
    besitzt eine Firma, die unerwünschte paranormaler Ein- und Angriffe
    durch sein Team aus Inerten bekämpft. Joe Chip, die Hauptfigur ist
    einer seiner Angestellen. Der Roman enthält eine Fülle unglaublicher
    Ideen, wie die Realität aus den Fugen geraten kann: Die Zeit scheint
    rückwärts zu laufen, Menschen verfallen innerhalb von Minuten zu
    Staub, Geldscheine sind plötzlich nicht mehr gültig, weil sie aus
    einer ganz anderen Epoche stammen oder plötzlich mit einem Bild von
    Glen Runciter bedruckt sind.




    Aber vor allem hat man in dieser Welt die Verleugnung des Todes auf
    die Spitze getrieben. Tote werden nicht begraben, sondern in
    Kaltpackung gelegt. In diesem konservierten Zustand werden die Leichen
    in sogenannten Moratorien aufbewahrt. Eine geringe Menge an
    Restvitalität kann auf diese Weise in ihnen konserviert werden, und
    man kann sie für wenige Stunden über ein Kommunikationssystem wieder
    aufwecken und per Lautsprecher und Mikrophon mit ihnen
    kommunizieren. Mit jedem Aufwecken wird die Restenergie des
    Verstorbenen geringer, man darf deshalb den Kontakt nur selten
    herstellen, wenn man sich das "Halbleben" möglichst lange erhalten
    möchte.


    Die Verleugnung des Todes, und damit der Nicht-Existenz ist das
    zentrale Thema dieses Romans. Joe Chip reagiert merkwürdig gelassen,
    als er zu ahnen beginnt, dass sein Tod vielleicht schon eingetreten
    ist. Der ganze Roman erzählt kontinuierliche seine Geschichte, und es
    gibt keinen Bruch an der Nahtstelle zwischen Leben und Tod. Es gibt
    einfach überhaupt kein Sterben: Leben und Halbleben gehen fließend
    ineinander über, und das wird über eine brillante Erzähltechnik
    fühlbar gemacht.




    Wessen Körper nicht mehr lebensfähig ist, der kommt in Kaltpackung. Es
    scheint fast bedeutungslos zu sein, in welchem der beiden Zustände man
    sich befindet. Der Zustand des Halblebens aber hat die ärgerliche
    Eigenschaft, dass die Wirklichkeit zu zerfallen beginnt. Joe Chip
    kämpft dagegen an. Alle andere auch. Und um diesen Kampf geht es, um
    die skurrilen Versuche der Figuren, sich um jeden Preis gegen das
    Nichtsein zu wehren. In letzter Konsequenz bedeutet das, dass man sich
    einen Traum schaffen muss. Wer nicht mehr leben kann, träumt, um
    weiterleben zu können. Erst wenn die Kraft zum träumen verloren geht,
    erst dann fühlt man die Kälte der kryonischen Sarges, in dem man
    liegt. Und erst, wer gar nicht mehr träumt, ist richtig tot.


    Das Buch hat schon viele beschäftigt und hat auch bestimmt noch eine
    lange Rezeptionsgeschichte vor sich. Dick hat einmal gesagt. "Der
    Gedanke an den Tod macht mich verrückt." Also hat er dem
    Unvermeidlichen den Kampf angesagt, und damit ein allgemein
    menschliches Thema aufgegriffen. Genau das ist Kunst in ihren besten
    Momenten: Ein genialer Versuch, dem Tod ein Schnippchen zu
    schlagen. Dick hat gezeigt, dass es nicht geht. Er ist tot, aber sein
    Roman wird weiterleben. So ist das nun mal mit guten Büchern.


    Man sollte es lesen. Und man sollte nicht denken, dass ich schon alles
    über seinen Inhalt verraten habe. Es bietet noch viele Überraschungen ...

  • Wirklich ein interessantes Buch. lyrx hat soweit eigentlich schon alles sehr gut zusammengefasst. Neben dem schon erwähnten Aspekt des Todes fand ich es jedenfalls auch sehr interessant wie Dick mit der "Realität" spielt - und man sich schlußendlich fragt, was denn nun eigentlich überhaupt Realität ist.


    Von den Büchern, die ich bisher von Dick gelesen habe, hat mir dieses am besten gefallen.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Mit gefällt in diesem Buch vor allem der Dick`sche Humor.
    Wenn etwa Joe Chip eine Diskussion mit seiner Haustür hat und diese ihn, wenn ich mich recht erinnere, verklagen will.


    Überhaupt hat Dick mit Joe Chip meine Erachtens, neben Jason Taverner aus Eine andere Welt, eine seiner sympathischsten Figuren erschaffen.

  • Titel: Ubik
    Autor: Philip K. Dick
    Verlag: Heyne
    Erschienen: November 2003
    Seitenzahl: 432
    ISBN-10: 345387336X
    ISBN-13: 978-3453873360
    Preis: ab 1.91 EUR bei Amazon Marketplace


    Das sagt die AMAZON-Produktbeschreibung:
    Joe Chip ist Angestellter bei Runciters Anti-PSI-Gesellschaft, deren Telepathen engagiert werden, um andere Telepathen zu überwachen, sie davon abzuhalten, die Konsumwelt einer nahen Zukunft mit schmutzigen Tricks zu manipulieren. Runciter selbst vertraut noch immer auf den Rat seiner verstorbenen Frau Ella, die er regelmäßig aus ihrer Stasis in eine Art Halbleben zurückruft. Jetzt steckt er allerdings in Schwierigkeiten: Anscheindend verschwinden die Telepathen weltweit, und niemand weiß wohin. Runciters Ermittlungen stoßen jedoch auf wenig Gegenliebe: Bei einer Explosion kommt er ums Leben, eindeutig kein Unfall. Von diesem Zeitpunkt an gerät die Welt für Joe Chip aus den Fugen. Die Zeit scheint rückwärts zu laufen, und immer wieder tauchen rätselhafte Botschaften seines verstobenen Arbeitgebers auf. Das wiederkehrende Schlüssewort ist Ubik -– doch was ist Ubik?


    Der Autor:
    Philip K. Dick (geboren am 16. Dezember 1928 in Chicago, Illinois; gestorben am 2. März 1982 in Santa Ana, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Science-Fiction-Autor.


    Meine Meinung:
    Dieses Buch ist ein echter SF-Klassiker, geschrieben von einem Autor, der von vielen mit Kafka verglichen wurde. Es ist ein Buch mit metaphysischem Charakter, ein Buch zwischen Realität und Fiktion. Philip K. Dick hat eine sehr intelligente Geschichte geschrieben, eine Geschichte die die Grenzen menschlichen Denkens auslotet. Die geschilderte Fiktion ist bedrohlich, sie ist außergewöhnlich und sie regt zum Nachdenken an. Dick ahnt vieles von dem voraus, was erst Jahrzehnte später Wirklichkeit werden sollte. Sicher gehört dieses Buch zu den echten Klassikern der SF-Literatur. Allerdings verlangen die 432 Seiten die volle Konzentration der Leser. Immer wieder legt man das Buch beiseite um das Geschilderte zu durchdenken. Ein sehr lesenswertes Buch - kein Buch der billigen SF-Action, ganz im Gegenteil. Ein Buch von unglaublichem Einfallsreichtum, ein Buch das wunderbar zeigt wie Science Fiction sein sollte, sein muss. 8 Eulenpunkte

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.