Be- (bzw. VERurteilt) Ihr Menschen nach ihren Lese-oderoderoder-Vorlieben?

  • Hi liebe Miteulen,


    gestern habe ich durch Zufall ein Gespräch mithören müssen, dessen Inhalt mich doch sehr erstaunt hat :wow


    Wir waren ja gestern in der Kunstausstellung in Hamburg und mußten von der Tiefgarage durch die sogenannte Neue Kunsthalle, in der eine Ausstellung über moderne Kunst aus China gezeigt wurde, in die alte Kunsthalle, wo die Ausstellung gezeigt wurde, die wir anschauen wollten.


    Auf diesem Weg liefen ein jüngeres Ehepaar mit ihren Bekannten vor uns her und unterhielten sich recht laut über die, wie sie sagten "neumodische" Ausstellung aus China, zu der sie nicht wollten, denn das sei...so wörtlich...doch gar keine Kunst.
    Damit aber nicht genug (...und das wäre ja m.M.n. auch einfach ziemlich Geschmacksfrage), unterhielten sie sich untereinander auch über Theaterbesuche und Bücher, die sie gelesen hatten.


    Alles bekomme ich hier nicht mehr zusammen, aber es ging hauptsächlich immer darum, dass man dies oder jenes gesehen, gelesen haben müsse...und wer dies nicht tue, naja...


    Frage meinerseits ganz ernsthaft: denkt oder handelt Ihr gar auch so?


    Will sagen: wenn jemand aus Eurem Bekanntenkreis tatsächlich nicht weiß, dass es überhaupt einen Dan Brown o.ä. gibt, ein Rembrandt tatsächlich gelebt hat o.ä., ist er/sie dann für Euch Luft, Out, nicht diskutabel etc.?


    :wow


    Ich muß ganz ehrlich sagen, dass ich bei dem zwangsweise Lauschen dieser Unterhaltung einmal scharf Luft geholt habe und mein ältester Sohn mir nur zuraunte: "Bleib cool, Mama. Bei denen wären solche Leute wie wir einfach gef...(sorry, aber dieser Ausdrucksweise befleisigt er sich mir gegenüber tatsächlich, wenn er bemerkt, dass ich mich aufzuregen beginne und ich weiß ja, dass er`s gut meint)...dafür wie wir denken. Die denken wahrscheinlich, Toleranz gebe es im Supermakt an der Ecke für 3 Euro fuffzig das Stück."


    Nun ja, mir ging`s dann wieder besser, mußte lachen und die Wut war verpufft, aber interessieren täte mich schon ein wenig, wie Ihr darüber denkt...und handelt.


    Herzliche Grüße :-)
    Ikarus

  • Zitat

    Zitat von Ikarus:


    Will sagen: wenn jemand aus Eurem Bekanntenkreis tatsächlich nicht weiß, dass es überhaupt einen Dan Brown o.ä. gibt, ein Rembrandt tatsächlich gelebt hat o.ä., ist er/sie dann für Euch Luft, Out, nicht diskutabel etc.?


    In meinem Bekanntkreis gibt es auch Leute, die keine Bücher lesen ( :wow), die sich für Kunst überhaupt nicht interessieren, aber auch Kunstliebhaber, Leseratten .... einfach alles Querbeet. Ich mache keine Unterschiede, denn die Leute habe ich mir ausgesucht, wie sie sind. Und über mangelnde Gesprächsthemen brauche ich mir auch keine Sorgen machen... die gehen uns nie aus.


    Über moderne Kunst, die verschiedenen Musikrichtungen, die unterschiedlichen Autoren und Bücher, streiten kann man über alles, wenn man möchte. Ich für meinen Teil komme mit den meisten Leuten klar. Ich streite mich auch über solche Themen mit keinem, wozu? Morgen gefällt mir vielleicht etwas ganz anderes, na und?


    Es ist wie hier im Eulennest: der eine mag z.B. Dan Brown, der andere findet seine Bücher nicht gut usw. (kann man beliebig fortsetzen. Einer mag Bücher von dänischen Autoren, der andere findet sie nicht gut...)


    Nein, Unterschiede mache ich keine ...

  • Zitat

    Original von Ikarus


    Will sagen: wenn jemand aus Eurem Bekanntenkreis tatsächlich nicht weiß, dass es überhaupt einen Dan Brown o.ä. gibt, ein Rembrandt tatsächlich gelebt hat o.ä., ist er/sie dann für Euch Luft, Out, nicht diskutabel etc.?


    Ob jemand Dan Brown kennt oder nicht, wäre mir egal... bei Goethe wäre es was anderes. :lache


    Scherz beiseite, mal im Ernst:
    Mein Bekanntenkreis ist groß und eigentlich setzt er sich aus Leute zusammen, mit denen ich Interessen oder Beruf teile. Da ist es mir eigentlich egal.
    Es gibt Menschen mit denen ich im Tanzclub bin, ob die Lesen... keine Ahnung, ist auch fürs Tanzen nicht wichtig.
    Und auch im Gespräch, wenn ich mitkriege, daß einer nicht liest... ver- und beurteile ich das nicht weiter.


    Allerdings merke ich, daß bei Menschen in meinem engeren Umfeld, meinen Freunden z.b. schon ein gemeinsamer Nenner wichtig ist.
    Wenn ich so recht überlege, habe ich in meinem Freundeskreis eigentlich nur Leser. Nicht, daß ich meine Freundschaft danach verteile. Aber zu einer Freundschaft gehört für mich auch schon die Möglichkeit sich auszutauschen, Gespräche zu führen und Interessen zu teilen... und da merke ich, daß ich engeren Kontakt nur zu Lesern habe.


    Einen potentiellen Lover habe ich aber auch schon in die Wüste geschickt, nachdem ich erstmalig in seiner Wohnung war und da wirklich kein einziges Buch zu sehen war. Nichts, gar kein Buch.
    Für mich ist das so fremd und so unvorstellbar, daß ich mir da eine ernstere Beziehung überhaupt nicht vorstellen konnte.
    Das mag vielleicht extrem sein. Aber andere suchen ihren Lover nach dem Inhalt der Garage oder des Kleiderschrankes aus... und ich eben nach dem Buchregal. :lache

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Niemand muß irgendwas wissen. Es gibt keine kollektive Verpflichtung, über ein bestimmtes Maß an "Allgemeinbildung" zu verfügen, und die Namen, die Du nennst, sind ebenso willkürlich wie alle anderen, die man nennen könnte (davon abgesehen wird in zehn Jahren keiner mehr wissen, wer Dan Brown war :grin). Wer Menschen danach be-/verurteilt, mit welchen vermeintlichen Größen aus Kunst und Geschichte sie etwas anfangen können, ist nichts anderes als ein Bildungschauvinist. Die Frage war aber überhaupt nicht ernstgemeint, richtig? ;-)

  • Naja, ich beurteile eigentlich schon Leute nach ihrem Interesse an der Welt. Wenn jemand also Dan Brown nicht kennt, dann heisst das doch nichts anderes, als dass er oder sie kein Interesse an dem hat, was um einen herum passiert. Das heisst nicht, dass die Leute das Buch gelesen haben müssen oder den Film gesehen, aber zumindest wissen sollten, dass es diesen Autor gibt, da seine Werke doch sehr polemisch waren und in allen Medien aufgenommen wurden.


    Ich habe einen Verwandten, der Tom Hanks nicht einordnen kann. Er muss ihn ja nicht schätzen, aber es ist doch eine Person, die man weltweit kennt und von der man weiss, dass es sich um einen Schauspieler handelt. Genauso sollte man Madonna einordnen können.


    Fehlende Neugier halte ich schon für einen Fehler. Man muss nicht denselben Geschmack oder ein ähnliches Hobby haben, aber man sollte schon staunend und mit offenen Augen durch die Welt gehen.

  • Hm, Dan Brown gehört sicher mal nicht zu unserem Kulturerbe ... :-]

    Aber ich stimme Janda voll zu. Den abgeschossenen Freund, in dessen Wohnung es nur Perry Rhodan-Heftchen gab (bitte nicht hauen), hatte ich auch.


    Aber nicht jeder Mensch liest gerne und nicht jeder mag ins Theater gehen (ich auch nicht unbedingt) oder ins Musical (ich schon gar nicht). Manche haben einfach so eine Menge Herzenswärme, da ist es egal, ob sie lesen oder nicht.

  • Ja, so ist das im Leben. Da trifft man als intelligenter Mensch auf unwissende die sogar Probleme haben die Taktik der Werbung zu verstehen und man will am liebsten auswandern.
    Wochen später trifft man auf noch intelligentere Leute und fühlt sich plötzlich zu den Unwissenden platziert. :lache



    Mir ist schnurz wer was gelesen hat oder nicht. Hauptsache, die gehen nicht ständig mit ihrem Tolleranzgeschwafel hausieren. :grin


    mit lernenden Grüßen :wave

    _______________________
    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Was ist wirklich wichtig an Tom Hanks, Dan Brown oder Madonna? Sie sind Figuren, die von Marketingmaschinerien in unsere popkulturelle Jetztwelt implantiert wurden. Wenn man verlangt, solche Leute "kennen" zu müssen, oder sie wenigsten einordnen zu können, dann würde das auch konsequenterweise für C-Promis wie Jenny Elvers, den Raab-Fußabtreter Elton oder, Nomen est Omen, Kai Pflaume gelten. Und all die Pappkameraden, die die Daily Soaps und sogenannte "Telenovelas" bevölkern.


    Es gibt - glücklicherweise - genug Leute, die ohne Fernseher auskommen, es gibt Menschen, für die besteht Kultur nicht nur aus den Ikonen der Merchandisingindustrie, für die ist das weiterhin etwas Privates, Persönliches, eine Frage der Wahrnehmung und der eigenen Ästhetik. Man sollte nicht vergessen, daß Gegenwartskultur erstens etwas sehr vergängliches ist und zweitens von einer Masse bestimmt wird, der man nicht notwendigerweise angehören muß. Ist es wirklich bedeutsam, lebenswichtig, wenigstens charakterfördernd, zu wissen, daß Madonna eine Schlagersängerin ist, Dan Brown ein sich selbst zitierender Fließbandautor und Tom Hanks ein alternder Selbstdarsteller? Diese Leute sind lediglich Bestandteil eines Teils der Gegenwartskultur, und diese Gegenwartskultur schließt einen nicht unerheblichen Teil der Gesellschaft explizit aus, der nichtsdestotrotz und all das ignorierend durchaus kulturell zugange ist. Wer kann die Namen der ganzen volkstümlichen Musiker nennen (oder wenigstens einordnen), die weit mehr Platten verkaufen als zum Beispiel Madonna? Wer kennt die ganzen Theaterschauspieler, die allabendlich vor vollen Häusern auftreten? Wer kennt die Maler, um die sich die Galeristen reißen? Bildhauer? Balletteusen? Architekten? Designer? Wo fängt es an, wo hört es auf? Muß man Rembrandt kennen, darf man nicht wissen, wer Manfred Deix ist? Muß man Goethe kennen, darf man bei Eckhard Henscheid abwinken? Und wenn ja: Warum? Nur, weil alle - oder wenigstens viele - Leute über diese Künstler sprechen? Weil sie irgendwer mal in einen Kanon eingeordnet hat? Ist Kunst nicht immer noch eine Frage der Rezeption? Welchen Einfluß haben Madonna, Brown, Hanks auf die Welt, in der wir leben? Nicht den allergeringsten.

  • Jane Doe: Nope. Aber ich war schon sehr überrascht, dass er den Menschen nicht einordnen konnte.


    Tom : Du hast natürlich recht, aber Tom Hanks oder Madonna sind weltweit bekannt. Lokale Kultur muss man nicht unbedingt als Fremder kennen.


    Ich verlange nicht, dass jemand unbedingt den Aufbau der Entdeckung von Watts auswendig kennt, auch wenn es in meinem beruflichen Umfeld absolutes Grundwissen ist und bestimmt von jedem Schüler mal durchgenommen wurde. Beethoven hat auch jeder einmal gehört, egal ob in Brasilien oder in Japan. Shakespeare hatten wir doch auch alle mal in der Schule, dabei ist es unergheblich, ob man sich mit ihm anfreunden kann oder nicht, er gehört zu einem globalen Allgemeinwissen, auf dessen Basis Menschen aus allen Nationen einen gemeinsamen Nenner finden und sich unterhalten können - was im Endeffekt zu Völkerverständigung führt.


    Es ist doch gut, wenn Teenager aus 100 verschiedenen Ländern sich für einen selben Film oder Musiker interessieren können, so finden sie bei einem Aufeinandertreffen Gemeinsamkeiten und finden sich nicht mehr so fremd. Meine Schwester war auf einem Internat, wo u.a. auch eine Chinesin aus dem Mainland war. Sie konnte kaum Anschluss finden, weil sie nicht die selben "Erfahrungen" wie die anderen Teenager aus UK, USA, Italien, Venezuela, Indien oder Taiwan gemacht hatte und es fiel ihr schwer sich zu integrieren. Selbst Pizza war für sie fremd.
    Im Global Village sollten die Menschen aufeinander zugehen und Gemeinsamkeiten hervorheben.


    Wichtig ist auch Neugier. Neugier macht Menschen kreativ. Kreative Menschen, egal in welchem Kontext sind einfach interessanter, unterhaltsamer und oft auch witziger als desinteressierte.

  • Hallo, Oryx.


    Durchaus unterschreibbar, aber an der Fragestellung vorbei. ;-)


    Natürlich ist es hilfreich, auf einen kulturellen Kontext zurückgreifen zu können, aber die Annahme desselben ist ignorant und zuweilen fatal. Nur das wollte ich sagen. Und den Teil mit der Neugier kann ich voll unterschreiben. Ich freue mich immer wieder, wenn ich Leuten Autoren, Musiker usw. vorschlagen kann, von denen sie noch nie gehört haben, und umgekehrt stürze ich mich begierig auf jeden analog eingehenden Vorschlag. Ohne mich zu schämen oder über die "kenntnislosen" Leute lustig zu machen. Und nochmal: Man muß nichts gelesen haben, meiner Meinung nach. Auch die Position, sich selbst und aus erster Hand ein Bild von der Welt machen zu wollen, ist nachvollziehbar. Davon abgesehen, mit Verlaub. Meine Kenntnisse über Malerei enden bei den üblichen Verdächtigen (Rembrandt, van Gogh, Picasso und Konsorten), aber auch bei denen hätte ich Schwierigkeiten, Gemälde, Entstehungsepochen und dergleichen zuzordnen. Malerei interessiert mich einfach nicht die Bohne (dasselbe gilt für Ballett, Bildhauerei und Musicals). Über die 500-Euro-Frage käme ich in diesem Bereich nicht hinaus. Ich bin ein schlechter Mensch. :cry

  • Tom : Man kann ja nicht alles wissen. Und sich über Leute, die jemanden nicht kennen oder sich für ein Gebiet nicht ereifern können, lustig zu machen, ist sicher kein Zeichen guter Erziehung.


    Allgemeines Desinteresse oder gleich Ablehnung von Dingen, die ausserhalb der eigenen vier Wände geschehen, habe ich allerdings auch schon erlebt.

  • Zitat

    Original von Oryx


    Fehlende Neugier halte ich schon für einen Fehler. Man muss nicht denselben Geschmack oder ein ähnliches Hobby haben, aber man sollte schon staunend und mit offenen Augen durch die Welt gehen.


    Hm...Fehler vielleicht nicht, aber ich fände es schade.
    Gleiche Hobbys und Interessen, gleiche Ansichten...und das immerzu...das fände ich auch unglaublich langweilig. Gruseliger Gedanke sogar, ständig nur zustimmend abzunicken, wenn Partner oder Freund etwas sagt.


    Letzter Satzteil von Dir, Oryx:...auf jeden Fall sehe ich das auch so :write


    Zitat

    Original von Tom
    Ich bin ein schlechter Mensch. :cry


    Sicher, sicher...*Kopftätschele*...tztztz, man faßt es doch nicht ;-)


    :wave

  • Zitat

    Original von Ikarus
    Will sagen: wenn jemand aus Eurem Bekanntenkreis tatsächlich nicht weiß, dass es überhaupt einen Dan Brown o.ä. gibt, ein Rembrandt tatsächlich gelebt hat o.ä., ist er/sie dann für Euch Luft, Out, nicht diskutabel etc.?


    Nö, denn dafür wissen die z.B. um wieviel Uhr die Tankstelle schließt, oder wie man Leberknödel macht.. :grin