Sehr erfreut, meine Bekanntschaft zu machen - Steve Martin

  • Sehr erfreut, meine Bekanntschaft zu machen
    Steve Martin


    Originaltitel: The Pleasure of My Company (2003)
    Erscheinungsdatum in Deutsch: 12/2006


    Inhalt
    Daniel Pecan Cambridge, 33, lebt im sonnigen Santa Monica, doch sein Apartment verlässt er nur selten. Er leidet unter einer gemäßigten Form von Autismus und verschiedenen Phobien und Zwangsneurosen. Als so manch Unvorhergesehenes geschieht und seine Therapeutin Clarissa samt kleinem Sohn bei ihm Unterschlupf sucht, gerät seine minutiös geordnete Welt aus den Fugen - und öffnet ihm den Weg in ein neues Leben...


    Meinung
    Steve Martin ist mir zwar als Schauspieler ein Begriff, viele Filme, in denen er mitspielt, habe ich jedoch noch nicht gesehen. Von daher ging ich mit recht neutraler Einstellung (lediglich mit der Befürchtung ein typisches "Filmbuch" zu lesen) an die Geschichte um Daniel ran.


    Und ich war begeistert. Steve Martin erzählt so warmherzig von dem sympathischen Protagonisten mit seinen Störungen und Neurosen (z.B. Bordsteinkantenangst), dass man ihn einfach lieben muss. Daniel weiß genau um sich und seine Eigenheiten, kann sich jedoch nicht selbst davon befreien. Zugute kommt ihm erfreulicherweise seine Intelligenz! Er wendet sie mit einer solch naiven Hochnäsigkeit an, dass man einfach staunen und lachen muss. Aber sie hilft ihm auch. Mit gehirnakrobatischen Fertigkeiten erstellt er in seinem Kopf "Magische Quadrate" (Quadrate gefüllt mit Zahlen, die sowohl horizontal, vertikal als auch diagonal dieselbe Summe ergeben müssen), um sich von negativen Gedanken oder Panikattacken abzulenken.


    Überrascht hat mich die Beschreibung einer "Ticks", die ich von mir selbst auch kenne, wie z.B. die Wecker-stell-Aktion. Daniel vergewissert sich abends vor dem Einschlafen auf sehr umständliche Weise davon, dass sein Wecker auch tatsächlich funktioniert und er nicht verschlafen kann. Ein bisschen kam mir dieses Verhalten bekannt vor...


    Und dann passiert eines Tages etwas, was Daniels Leben von heute auf morgen aus dem Ruder bringt: Seine, bis dahin Therapeutin, zieht bei ihm ein.
    Und Daniel muss sich Situationen stellen, von denen er überzeugt ist, sie nicht durchzustehen... Das er jemals eine Bordsteinkante überqueren wird, das hätte er nicht gedacht...


    Das Daniel trotz seiner schwierigen Lebenssituation nicht die Lust am Leben verliert, das macht ihn so besonders. Er zeigt uns, dass wir unser Leben in der eigenen Hand haben - wenn wir uns dabei nicht selbst im Weg stehen.


    Steve Martin hat einen Roman geschrieben, der vom Leben eines autistischen mannes handelt. Ich denke, das war mehr Mittel zum Zweck, denn vielmehr spricht er Umstände an, die auf jeden von uns zutreffen (können).
    Mich hat dieses Buch berührt, zum Nachdenken gebracht und mir tolle Lesestunden bereitet. Dafür gibt's die volle Punktzahl!

  • Zitat

    Original von millaOh das klingt ein bisschen wie Monk (den ich LIEBE!!! :grin) - danke für die Rezi, ich hab es mir auf die Wunschliste gesetzt!


    Ja, ich denke der Vergleich passt :-)


    Zitat

    Original von millaUnd schön, dass du wieder da bist! :knuddel1


    Lieben Dank :knuddel! Ohne Forumrumtreiberei geht es nicht. Ich brauche nämlich immer Buchtipps :grin.


    Liebe Grüße,
    SueTown

  • Zitat

    Original von SueTown
    Sehr erfreut, meine Bekanntschaft zu machen
    Steve Martin hat einen Roman geschrieben, der vom Leben eines autistischen mannes handelt. Ich denke, das war mehr Mittel zum Zweck, denn vielmehr spricht er Umstände an, die auf jeden von uns zutreffen (können).
    Mich hat dieses Buch berührt, zum Nachdenken gebracht und mir tolle Lesestunden bereitet. Dafür gibt's die volle Punktzahl!


    Und das Gute daran ist, dass ich das Buch gestern gekauft habe. Nach dieser schönen Buchbesprechung freue ich mich nun noch mehr! Wie ich auf dieses
    Buch gekommen bin, steht
    hier
    Die ersten Seiten sind schon fantastisch - scheint ein intelligent humorvoll geschriebenes Buch zu sein. Bin gespannt! Berichte dann später.
    Beste Grüße
    Corinna

  • Zitat

    Cookie
    Die ersten Seiten sind schon fantastisch - scheint ein intelligent humorvoll geschriebenes Buch zu sein. Bin gespannt! Berichte dann später.


    Es ist ein intelligent humorvoller und warmherziger Roman. Ich warte gespannt ab, wie dein abschließendes Urteil ausfällt. :-)

  • Zitat

    Original von SueTown
    Ich warte gespannt ab, wie dein abschließendes Urteil ausfällt. smile


    Hallo SueTown,


    dann will ich mal berichten:


    In der Tat, das Buch ist warmherzig geschrieben. Aber ist es denn ein Wunder bei diesem wunderbaren Schauspieler, dessen Warmherzigkeit sich auch oft in seinen Rollen widerspiegelt?
    Das Buch hat mich gerade deswegen fasziniert - es gibt viele sehr schön beschriebene Momente in dem Buch, auch melancholische, manchmal gar poetisch anmutende.
    Auch die Darstellung von Empfindungen gelingt Steve Martin eindrucksvoll, z. B. deutet er einen Gesichtsausdruck seiner Therapeutin Clarissa, denkt sich tief in ihre Gefühlswelt hinein und vermag ihre Lebenssituation treffend zu analysieren.
    Die Verschrobenheit seines Protagonisten ist grandios geschildert, indem er Daniel Pecan z. B. erzählen lässt, wie er in der Schulzeit seine Lehrbücher umarbeitete, damit sie seinen Berechnungen entsprachen. Ganz einfach: Man nehme eine Rasierklinge, schneide die nicht passenden Seiten aus und ordne sie dort ein, wo sie hingehören.
    "Natürlich musste ich sie dann in der neuen Reihenfolge lesen. Das erschwerte das Lernen und machte es letztendlich, als ich meine Lernmethoden weiteren Regeln und Einschränkungen unterwarf, ganz unmöglich."
    Wie Daniel Pecan den Sohn Clarissas aus einer sich dramatisch zuspitzenden Situation vor dessen Vater rettet, zeigt, dass Steve Martin temporeich erzählen kann - gerade in diesen, im flotten Tempo erzählten Passagen, erkennt man den Schauspieler Steve Martin.
    Aber es gibt auch leise Töne: auf einem Spaziergang mit dem ein Jahr alten Teddy beschreibt Daniel Pecan, wie der Kleine Blätter einer Hecke durch die Hände gleiten lässt. Der Rhythmus des Berührens, Festhaltens und Wiederloslassens berührt Daniel Pecan und am Ende der Hecke angelangt, empfindet er das Erlebte wie das Erwachen aus einem Traum.
    Aber Steve Martin wäre nicht Steve Martin, wenn er einen nicht auch immer wieder zum Lachen bringen würde. Daniel hat den ersten Preis in einem Geschichtenwettbewerb gewonnen. Sein Freund und Nachbar Brian fährt ihn zur Preisverleihung. Während der Fahrt fragt er ihn, ob er seine Hose ein wenig herunterziehen könne. Brian, erst irritiert, reagiert verstaändnisvoll, als Daniel erklärt, dass seine Hose auf diese Weise nicht so viele Falten bekomme.
    Es gibt auch viele nachdenkliche Momente in diesem Roman, wobei der letzte Satz des Buches wohl der aufschlussreichste ist.
    Der Schluss war mir ein bisschen zu glatt, aber das trübt den guten Gesamteindruck nicht.
    Ich habe mich gefragt, ob der Roman der leichteren Unterhaltungsliteratur zuzuordnen ist. Aber eigentlich ist das auch egal. Ich hätte nicht so viel darüber geschrieben, wenn er mich nicht auf intelligentem Niveau bestens unterhalten und amüsiert hätte.
    Liebe Grüße
    Corinna

  • Hallo Corinna,


    es freut mich wirklich sehr, dass dir das Buch auch gefallen hat. Ich denke, wir haben uns an den gleichen Dingen erfreut - beispielsweise die Sache mit den Lehrbüchern. :-)


    Zitat

    Original von Cookie
    Der Schluss war mir ein bisschen zu glatt, aber das trübt den guten Gesamteindruck nicht.


    Das sehe ich genauso. So ein Schluss gehört eben mal zu einem Buch dazu, in diesem Fall aber war er gar nicht so wichtig. :lache


    Zitat

    Original von Cookie
    Ich habe mich gefragt, ob der Roman der leichteren Unterhaltungsliteratur zuzuordnen ist. Aber eigentlich ist das auch egal. Ich hätte nicht so viel darüber geschrieben, wenn er mich nicht auf intelligentem Niveau bestens unterhalten und amüsiert hätte.


    Damit hast du auch genau meine Empfindung beschrieben. :anbet

  • Nachdem ich diese interessanten Eulenempfehlung hier entdeckt hatte (von alleine wäre ich wahrscheinlich nie auf dieses Buch gestoßen.... also, vielen Dank :-)) habe ich mir "Sehr erfreut, meine Bekanntschaft zu machen" gekauft und auch gleich in einem Rutsch gelesen.


    Das Buch ist intelligent, humorvoll und warmherzig geschrieben. Die Macken des Protagonisten werden zwar mit einem Augenzwinkern beschrieben, aber niemals bloßgestellt oder ins Lächerliche gezogen.


    Die Tasache, daß der Autor gleichzeitig Hollywoodstar ist (wenn auch ein guter), hat mich im ersten Moment eher davon abgehalten das Buch zu lesen. Wie oft versuchen Prominente sich auch in anderen künstlerischen Bereichen zu profilieren und es kommt nur Murks dabei heraus- hier war es gottseidank nicht so und damit bildet dieses Buch eine löbliche Ausnahme (sein Debutroman "Shopgirl" habe ich weder gelesen noch gesehen, vielleicht sollte ich das jetzt mal nachholen :grin)


    Der Roman ist leicht, stimmt aber dennoch an manchen Stellen nachdenklich, sodass ich ihn als gehobenere Unterhaltungsliteratur einstufen würde (falls so eine Einstufung denn notwendig ist). Mir hat er jedenfalls gefallen!



    Edit: Boah, vielleicht sollte man seine Rezensionen alle nach ein paar Jahren nochmals kontrollieren- genau so kann ich das jedenfalls nicht stehen lassen. Ist ja peinlich. :pille
    Ist natürlich keine gehobene Unterhaltungsliteratur. Sowas kann man nur sagen, wenn man zum Zeitpunkt der Rezi noch keine gelesen hatte.


    Der Roman ist leicht, stimmt dennoch an manchen Stellen nachdenklich. Letztendlich jedoch nur Durchschnitt. Und Schluß.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

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  • Vielleicht Herrn Martin doch nochmal eine Chance geben? :gruebel


    "Blanker Unsinn" fand ich damals nur teilweise überzeugend:


    Der Stand-Up-Comedian, "Saturday Night Life"-Veteran und Drehbuchautor des durchaus amüsanten "L.A. Story" (+ Hauptrolle) kann sich ob dieser Position etwas leisten, von dem andere Autoren nur träumen können (es sei denn, sie heißen Gernhardt oder Bernstein - dringende Empfehlung: "Die Wahrheit über Arnold Hau"): Einfach allen Unsinn niederschreiben, Buchdeckel drumherum und ab dafür.


    In 26 kurzen Geschichtchen, Betrachtungen und Selbstgesprächen fabuliert der Endfünfziger Martin über die Dinge, die man ihm auch als handelsüblicher Filmkonsument als diejenigen unterstellen würde, die er am besten kennt: Drogen, Starlets, Produzenten. Am Rande bekommen Galeristen, Autoren, der MENSA-Club (tolle Geschichte!) und einige andere augenzwinkernd ihr Fett weg.


    Durchaus amüsant geschrieben, manchmal sogar überaus intelligent, gelegentlich allerdings auch etwas platt führt Martin in eine Gedankenwelt, die letztendlich aber nicht verstehbar wird, weil Zusammenhänge völlig fehlen. Denn es *ist* Unsinn und bleibt Unsinn, was er schreibt, wenn er sich etwa dem Y3(!)K-Bug widmet, dem philosophischen Problem "Schrödingers Katze" oder der Schreibsperre in "Schreiben ist einfach": "Schreiben ist die einfachste, müheloseste und vergnüglichste Art, sich auf künstlerische Weise die Zeit zu vertreiben. Im Augenblick sitze ich beispielsweise gerade in meinem Rosengarten und schreibe auf meinem neuen Computer. Zu jeder Rose gehört eine Geschichte, ich habe also immer etwas, worüber ich schreiben kann. Ich schaue tief in die Rose hinein, lese ihre Geschichte und schreibe sie auf, das heißt, ich *tippe* - was ich ja sowieso gerne tue. Ich könnte auch >>kjfiu jowemvm jww<< tippen, und es würde mir genausoviel Spaß machen, wie etwas Sinnvolles zu tippen. Ich genieße einfach das Gefühl, wenn meine Finger über die Tasten tanzen. Es stimmt, mitunter überfällt den Schriftsteller tiefe Verzweiflung. In solchen Augenblicken höre ich auf zu schreiben und entspanne mich bein einem Kaffee in meinem Lieblingsrestaurant, wohlwissend, daß man Worte ändern, neu überdenken, umstellen und natürlich auch ganz und gar streichen kann. Für einen Maler gibt es diesen Luxus nicht. Wenn er einen Kaffee trinken geht, trocknet die Farbe zu einer harten Masse."
    Amüsante Lektüre für zwischendurch, und zwischendurch ein paar echte Highlights.

  • ... da hast du ja eine feine Textpassage herausgesucht - richtig zum Abturnen.


    Wenn ich richtig gegoogelt habe, ist "Blanker Unsinn" in Deutschland als sein erstes Werk erschienen?
    Offensichtlich hat sich sein Schreibstil dann wohl verfeinert oder verbessert.
    Das oben vorgestellte Buch hat auch ein paar wenige schwache Momente, bei denen ich dachte, "hoffentlich kriegt er noch die Kurve", aber sie fallen nicht ins Gewicht - ich bin eigentlich kein Fan von Unterhaltungsliteratur im klassischen Sinne - aber dieses Buch ist dann eben eine intelligente Variante.


    Falls du es dann mal lesen solltest, bin ich gespannt auf deine Meinung.

  • Hallo, Corinna.


    Ja, "Blanker Unsinn" war das erste Buch von Steve Martin, das in Deutschland erschienen ist. Aber ich werde das neue - nach den guten Rezensionen hier - lesen und mich dann entsprechend einbringen. :grin

  • Nach der Rezension von SueTown habe ich mir spontan dieses Buch bestellt und auch gleich gelesen.
    Steve Martin war mir als Schaupieler immer "verhasst" - sprich, nicht sympathisch. Aber nach der Lektüre des Buches "Sehr erfreut, meine Bekanntschaft zu machen" ist er auf der Sympathie-Leiter ziemlich weit hoch geklettert.
    Dieses Buch hat mich schwer überzeugt - lakonisch und bezaubernd die Schreibweise - humorvoll ,denn über Daniels Neurosen kann man nur schmunzeln - und seine Gedankengänge sind so erfrischend "normal" in ihrer ganzen Marottigkeit, dass ich geneigt bin, Borsteinkanten mit ganz neuen Augen zu betrachten...
    Sehr empfehlenswert und ein Buch, dass vor allem nicht im "Mainstream" ala "Vollidiot" liegt. 10 volle Punkte!

  • Sisi :
    Es freut mich sehr, dass die Geschichte auch dir so gut gefallen hat!


    Zitat

    Original von Sisi
    Dieses Buch hat mich schwer überzeugt - lakonisch und bezaubernd die Schreibweise - humorvoll ,denn über Daniels Neurosen kann man nur schmunzeln - und seine Gedankengänge sind so erfrischend "normal" in ihrer ganzen Marottigkeit, dass ich geneigt bin, Borsteinkanten mit ganz neuen Augen zu betrachten...


    Das kann ich nur bestätigen :lache

  • Ich höre es grad als Hörbuch und finde es nicht so toll.....
    War eigentlich total gespannt und denke, wenn man es selbst liest, kommt es wesentlich witziger rüber....naja richtige Rezi folgt, sobald ich durch bin.