"Die Kunst der Bestimmung" - Christine Wunnicke

  • Es ist schon ein paar Monate her, dass ich dieses Buch gelesen habe, aber ich dachte mir, ich stelle es mal vor als ungewöhnliches Buch fernab von Bestsellerlisten.


    Kurzbeschreibung


    Der Roman einer Epoche, in der der Mensch daranging, die Welt zu ordnen.


    London, 1678. Die berühmte Royal Society bestellt den schwedischen Professor Dr. Simon Chrysander zum Kurator ihrer naturkundlichen Sammlungen. Dr. Chrysander ist ein Meister darin, die Dinge der Schöpfung zu bestimmen. Stets auf der Flucht vor dem Chaos ordnet er die Welt nach den Gesetzen der Mathematik. Für Lord Fearnall dagegen ist die Welt eine Bühne. Der exzentrische junge Mann schlingert durch die grandiose Wirrnis des barocken London, getrieben von der unklaren Sehnsucht nach einem Gegenüber, das ihn erkennt und bändigt. Als Lord Fearnall Dr. Chrysander begegnet, prallen zwei Welten aufeinander. Unterhaltsam, tiefsinnig und ironisch erzählt Christine Wunnicke vom Zusammenprall zweier gegensätzlicher Lebensentwürfe in einer Epoche des Umbruchs.


    Zur Autorin


    Christine Wunnicke, Jahrgang 1966, schreibt für Rundfunk und Bühne, hat drei Romane veröffentlicht (Fortescues Fabrik, 1998, Jetlag, 2000 und Missouri, 2006) sowie eine Biographie des Kastratensängers Filippo Balatri (Die Nachtigall des Zaren, die mit dem Bayersichen Staatsförderungspreis für Literatur ausgezeichnet wurde, Im Frühjahr 2005 erschien ein Buch mit Gedichten und Briefen von John Wilmot, Earl of Rochester (1647-1680), die Christine Wunnicke herausgegeben und übersetzt hat.


    Meine Meinung


    Dr. Simon Lysander klassifiziert wie ein Engel, er kann alles und jeden sofort in die richtige Kategorie einordnen. Nur bei Lucius Earl of Fearnall gelingt ihm das nicht, denn bei ihrem ersten Zusammentreffen hält er ihn für seine Frau. Und dass es ihm nicht gelingt, macht ihn ganz schön nervös. Lucius hingegen schlüpft in viele Rollen und auch mal in Frauenkleider und wünscht sich nichts sehnlicher als von Dr. Lysander bestimmt zu werden. Daraus entwickelt sich eine Beziehung, die durch Anziehung und Abstoßung geprägt ist. Wie es ausgeht, weiss man eigentlich schon von Anfang an, denn das Buch beginnt damit, dass Dr. Lysander irgendwo in Lappland an eine Tür klopft, mit dem in einen Eisblock eingefrorenen Lucius im Gepäck. Wie es dazu kam, erfährt man im Buch.


    Geschickt eingewoben sind auch diverse historische Persönlichkeiten wie Christopher Wren, Samuel Pepys, King Charles und Lord Rochester, sowie eine bissige Kritik an der Royal Society.


    Ein lappisches Moos, das Jahre damit verbringt, auf Steinen zu hocken und nichts zu tun, spielt eine tragende Rolle, aber der Oscar für die beste Nebenrolle steht wahrscheinlich Kauppi, Lysanders finnischem Diener zu.


    Ein ungewöhnliches Buch mit skurrilen Charakteren. Ist wahrscheinlich nicht jedermanns Sache, aber mir hat es gefallen.
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    ASIN/ISBN: 3499237857

  • Seufz, ich habe letzte Woche auch mit einem Buch von Wunnicke geliebäugelt, meinte mich aber zu erinnern, daß mir eine Eule dringendst abgeraten hat. Du warst das offensichtlich nicht! :grin


    edit: wobei mir dieses hier viel interessanter erscheint. Schöne Rezi Delphin!

  • Schon mit der Bemerkung "ein ungewöhnliches Buch fernab von Bestsellerlisten" hat mich aufhorchen lassen. Dann habe ich deine Rezi gelesen, sie hat mich sofort angesprochen. Danke, dass du dieses Buch hier vorgestellt hast. Von Christine Wunnike hatte ich bisher noch nichts gehört oder gelesen. Das wird sich mit Sicherheit ändern.

  • Ich kenne das Buch und mir gefällt es sehr. :-)
    Bereits die Situation, in der Lysander und Lucius aufeinandertreffen fand ich genial. Sie eröffnet nicht nur den Grundkonflikt des Buches, sondern zeichnet mit einem kühnen Strich die Charaktere und ebenso die Atmosphäre der Zeit. Besonders Lucius entstand im Laufe der Geschichte für mich so körperhaft, dass ich fast meine, ich wäre dieser Figur persönlich begegnet.
    Die Ausflüge in das „wissenschaftliche“ Gebaren jener Zeit sind herrlich skurril beschrieben, waren für meinen Geschmack vielleicht etwas zu raumgreifend ausgekostet, und am Ende driftete die Geschichte mir persönlich ein wenig zu sehr ins Mysteriöse ab.
    Alles in allem jedoch ein tolles Buch, dessen Bilder mir nach Monaten noch greifbar vor Augen stehen.


    Grüße
    Maren