Fragen an Iris Kammerer

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    Original von keinkomma
    Wie kamst Du auf den Heinrich? Erzähl doch bitte mal, wie der Roman entstanden ist!!!


    Ich war auf der Suche nach einem geeigneten Stoff und hab mich auch (!) ein bißchen in hessisch-thüringischer Geschichte umgetan. Dabei fiel mir auf, daß Heinrich Raspe von der Nachwelt sehr unterschiedlich beurteilt wird. Es gibt geradezu vernichtende Äußerungen, speziell bei den Biographien der Hl. Elisabeth als auch in der stauferfreundlichen Geschichtsschreibung. Da das nicht zu allen zeitgenössischen Quellen paßt (auch die sind natürlich gehörig parteiisch), habe ich mich auf die Suche gemacht und versucht, den Menschen hinter den Karikaturen aufzuspüren. Dabei waren mir besonders die Arbeiten des Jenaer Historikers Matthias Werner von Nutzen, der den Gelehrtenstaub von den Quellen gepustet und das verzerrte Bild weitgehend zurechtgerückt hat.
    Mich hat allerdings nicht nur die "historische Figur" interessiert, sondern vor allem das Mensch-Sein in der damaligen Zeit, das Denken, Fühlen und Handeln, wie man Dinge wahrnimmt, wie man in das menschliche Umfeld, die "Gesellschaft" eingebunden ist usw. Und gerade die tatsache, daß Heinrich Raspe offenbar weder ein Titan wie Friedrich II war noch heroisch wie seine berühmte Schwägerin Elisabeth, fasziniert mich.


    Zitat

    woran arbeitest Du aktuell?


    Derzeit wandere ich durch den Fahnenwald (Wolf und Adler), aber das wolltest du sicher nicht wissen. :grin
    Es gibt mehrere Projekte, die mich derzeit beschäftigen, allerdings noch im Frühstadium. Das ist zwar nicht Top Secret, aber über ungelegte Eier möchte ich lieber noch nicht sprechen. Wenn da etwas Gestalt annimmt, werde ich sicher berichten. :-)

  • Danke für dei Antwort, Iris!
    Das merkt man dem Roman auch an, dass Du vor allem auf die menschliche Seite gesetzt hast. Für mich ist es gerade DAS, was ein richtig gutes Buch von vielen anderen unterscheidet. Ich bin zwar längst noch nicht durch, aber ich weiß schon jetzt, dass Du Figuren geschaffen hast, die mir im Gedächtnis bleiben und die die Leser auch nach dem letzten Satz noch begleiten. Bravo. Hut ab!
    Und: ja bittebitte, schreib, schreib und sag Bescheid, wann der nächste Kammerer zu haben ist!!!
    :knuddel1 Silke

  • Für das Ambiente zum Roman höre ich gerade Alte Musik.
    Lautenmusik der spanischen Renaissance ist zwar etwas anachronistisch. aber älteres habe ich nicht und irgendwie funktioniert die Musik doch.
    Wenn ich mich auf das Lesen konzentriere, bekomme ich von der Musik allerdings nichts mehr mit.


    Iris, lässt du dich beim Schreiben manchmal von Musik oder Gemälden inspirieren?

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    Original von Herr Palomar
    Iris, lässt du dich beim Schreiben manchmal von Musik oder Gemälden inspirieren?


    Ja, auch. Allerdings nicht permanent, weil es mich irgendwann bei der Konzentration stört.


    Alte Musik schätze ich da sehr. Von guter Qualität sind (m.u.M.a.) die Aufnahmen mit den Ensembles Unicorn und Oni Wytars (Beispiel s.u.) und der Oxford Camerata, um nur einige zu nennen.


    Für das Bildmaterial muß man sich mit Kunstbänden eindecken oder eine örtliche Bibliothek aufsuchen. Zum Glück sind ja auch die Elisabethkirche und das kulturhistorische Museum im Marburger Landgrafenschloß in der Nähe. :-]

  • An ein paar DAß ist mir aufgefallen, dass das Buch in alter Rechtschreibung geschrieben ist. Mich würde interessieren, ob der Verlag dabei Probleme hatte oder gewollt hat, da man ja von manchen v.a. Zeitungen weiß, dass diese die alte Rechtschreibung bevorzugen.

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    Original von geli73
    Wie lange hast Du am Pfaffenkönig gearbeitet?


    Das kann man nicht so genau sagen, weil Wolf und Adler ja parallel entstanden ist. Außerdem gibt es nach der Manuskriptabgabe immer wieder Wartezeiten, die von den Routinen im Verlag abhängig sind (nach der Abgabe erfolgt ja eine Überarbeitung in Kooperation mit dem Lektor, abschließend noch eine Bearbeitung des Satzspiegels. Auch die Recherche kann ich nicht genau festlegen, weil ich ja nicht bei Null angefangen habe.
    Die "reine Schreibzeit" betrug ca. 8 Monate, mehrmals unterbrochen von der Arbeit am anderen Manuskript. So ein Roman schreibt sich nicht wie am Fließband. Man bearbeitet immer wieder Teile des Textes.


    Zitat

    Und könntest Du Dir auch vorstellen, etwas anderes als Historisches zu schreiben?


    Jederzeit -- aber du weißt ja inzwischen wie das ist mit den Schubladen. :grin
    Es hakt nicht unbedingt an den Lektoren; die Entscheidung über einen Vertragsabschluß werden in Konferenzen gefällt, und dazu muß Konsens hergestellt werden.



    Zitat

    Original von taciturus
    An ein paar DAß ist mir aufgefallen, dass das Buch in alter Rechtschreibung geschrieben ist. Mich würde interessieren, ob der Verlag dabei Probleme hatte oder gewollt hat, da man ja von manchen v.a. Zeitungen weiß, dass diese die alte Rechtschreibung bevorzugen.


    Die Entscheidung fiel sehr früh -- und keinesfalls über meinen Kopf hinweg! :-)


    Ich bin ziemlich froh darüber. Denn auch wenn die "alte Rechtschreibung" nicht lückenlos perfekt ist, halte ich die "neue" für erheblich schlechter, unlogischer, schwerer zu erlernen, tw. verwirrender und gelegentlich schlichtweg für falsch (speziell, wenn einerseits behauptet wird, daß man der Wortherkunft mehr Bedeutung eingeräumt habe, andererseits genau die in sehr vielen Fällen immer mehr verschleiert hat).
    Die Verbindlichkeit der Rechtschreibung gilt ausschließlich für Behörden -- also auch für Schulen! Mehr kann die Politik nicht festlegen, schließlich ist Sprache ein sich entwickelndes System.

  • 8 Monate finde ich relativ wenig. Klar, die Recherchen nehmen wahrscheinlich sehr viel Zeit in Anspruch, auch wenn man darin geübt ist.


    Kannst Du was zum Verlag sagen? Die Cinnas sind doch bei Heyne erschienen, hat der Aufbau-Verlag damit was zu tun? Hast Du gewechselt? Oder nur für dieses Buch den anderen Verlag gewählt?

  • Zitat

    Original von geli73
    8 Monate finde ich relativ wenig. Klar, die Recherchen nehmen wahrscheinlich sehr viel Zeit in Anspruch, auch wenn man darin geübt ist.


    "Reine Schreibzeit" bedeutet ohne Rechercheaufwand und andere Arbeiten! Insbesondere der Rechercheaufwand ist ziemlich hoch, wenn man Fahrten zu Originalschauplätzen, Bibliotheksbesuche, Lektüre, Quellenstudium etc. einbezieht. Die für dieses Projekt spezifischen Recherchen habe sicherlich 18 Monate in Anspruch genommen, begannen vor dem eigentlichen Manuskripterstellung, begleiteten sie und flossen auch in die Überarbeitung ein. Außerdem bietet man ein Projekt an, wenn es schon einigermaßen gediehen ist, damit sich die Entscheider auch ein Bild machen können und nicht "die Katze im Sack kaufen".
    Genaue Zeitangaben sind m.A.n. einfach nicht möglich. :-)


    Zitat

    Kannst Du was zum Verlag sagen?


    Ich wollte dieses Projekt unbedingt machen, Aufbau war bereit, es zu machen -- so hat sich das ergeben. Mehr kann ich dazu zur Zeit auch nicht sagen. :-)

  • So eine Figur begegnet mir während der Recherche, weckt mein Interesse und wenn ich Glück habe, wird sie mich besuchen und mir ihre Sicht der Dinge aufdrängen. :grin


    Ich bin kein Romanhandwerker à la James Frey oder Sol Stein und halte so was -- offen gestanden -- für großen Mist, weil es falsche Versprechungen macht. "Handwerk" oder sagen wir besser: Technik ist unverzichtbar (schließlich sollte man die Regeln, die man bricht, immer auch beherrschen), aber sie ist nicht das Wesentliche. Auch und erst recht nicht bei der Charakterentwicklung.




    Ich muß mich jetzt vorab entschuldigen dafür, daß ich bis zur Jahreswende nicht allzuoft online sein kann. Mein kybernetischer Methusalem hat heute den Geist aufgegeben, der PC, an dem bislang alle meine Romane entstanden sind. Entsprechend sentimental gestimmt bin ich gerade. Und ob ich vor dem Jahreswechsel einen neuen nach meinen Vorstellungen auftreibe, das steht in den Sternen ... :cry


    Aber eigentlich wandele ich derzeit ohnehin durch den Fahnenwald ... :wave