Heute komme ich auch dazu meinen ersten Leserundenbeitrag zu verfassen.
Zunächst ein paar Anmerkungen zur Gestaltung des Buches. Mit der Umschlagsgestaltung hat sich der Verlag wirklich sehr viel Mühe gemacht bzw. einen guten Einfall gehabt. Zum Einen ist das Cover passend, zum anderen hebt es sich wohltuend vom üblichen Einerlei bei den historischen Romanen ab. Auch die Glaskunstabbildungen bei den einzelnen Kapiteln finde ich angepasst und ansprechend. Auch ich finde es aber schade, daß der Verlag mit aufgeblähtem Papier und großer Schriftart gearbeitet hat. Ich freue mich immer wieder, wenn einem historischen Roman hochwertiges dünnes Papier gegönnt wird und mag gerne kleinere Schriftarten (was sich im Laufe der Jahre ja noch ändern kann :grin).
Schön, Iris, daß Du dem Text den Auszug aus dem 1. Korintherbrief vorangestellt hast. Einerseits könnte man meinen, er wäre schon ziemlich abgedroschen, andererseits enthält er aber so viel, dass ich ihn immer wieder gerne lese oder höre.
Sprachlich ist mir der Pfaffenkönig bereits von Beginn an sehr angenehm. Bekanntermaßen mag ich ja lange Sätze und bildhafte Sprache und hasse Aneinanderreihungen von Hauptsätzen, so liest sich der Roman für mich momentan leicht, locker und flüssig. Es gibt nur gelegentlich Stellen, wo mir die Bilder dann doch überzogen scheinen oder in meinen Augen weniger mehr gewesen wäre. So z. B. S. 17 „Sie war so jung, wie sie da auf der Bettkante saß, ihn mit ihren dunkelblauen Augen musterte, viel zu jung für einen alten Mann wie ihn, einen Sämann, dessen Saatgut dürr war, so dürr, daß der herrlichste Acker davon keine Frucht tragen konnte“ oder S. 69 „Anfangs war es ihm schwergefallen, zu lange hatten die Erinnerungen in ihm gelagert wie in dunklen Vorratskellern, verstaubt, spinnwebenverhangen, so daß er sie zuerst hatte suchen müssen im Dämmerschein ferner Vergangenheit, sie abklopfen und prüfend mustern müssen.“ (hier hätte mir das Fettgedruckte auch gereicht). An anderen Stellen finde ich die Bilder hingegen sehr schön, weil sie mir sofort verhelfen, eine Vorstellung der Szene zu bekommen insbesondere bei allen Kapitelanfängen. Mit altertümlicher Sprache habe ich auch keine Probleme und kann mir lebhaft vorstellen wie viel Arbeit dahinter steckt, um deren Anwendung konsequent durchzuhalten.
Daß etliche Psalmen und Bibelzitate in lateinischer Sprache angegeben sind, stört mich wenig. Nachschlagen in einem Anhang macht mir eh nichts aus (ich sage nur Berling), ich gebe aber auch zu, daß ich die meisten eh kenne. Allerdings habe ich mich schon gefragt, warum so viele Psalmen und Bibelzitate angegeben werden, da ich etliche davon als unnötig empfinde bzw. mir ein Hinweis, ob es sich um ein Schuldbekenntnis, oder was auch immer handelt, reichen würde. Iris, da ich nicht annehme, daß Du Seiten schinden wolltest, fiel mir als Begründung im Moment lediglich ein, daß Du es eventuell aus atmosphärischen Gründen nötig findest, aber vielleicht hast Du ja auch andere Gründe, die ich gerne erfahren würde.
Erzählerisch wurden bei mir sofort Erinnerungen an „Das Herz des Königs“ von Viola Alvarez wach, die König Marke von Cornwall auf dem Totenbett von seinem Leben berichten läßt. Die Erzählstruktur ist beim Pfaffenkönig aber doch eine andere. Heinrich erzählt uns die Geschichte nicht selbst, sondern ein Erzähler übernimmt diese Aufgabe in den geschilderten Szenen, versucht aber dennoch den Blickwinkel Heinrichs einzuhalten. Das ist zweifellos keine einfache Erzählhaltung, um dem Leser zu verdeutlichen, daß er Heinrichs Leben und hier insbesondere seine Beziehung zu Elisabeth aus Heinrichs Blickwinkel erzählt bekommt und nicht von einem allwissenden Erzähler. Das bedingt auch durchaus inhaltliche Schwierigkeiten. Heinrich sagt im Alter über Elisabeth (S. 22) „Wenn Heiligkeit bedeutet, von Gott geliebt und erwählt zu sein, dann ist sie eine der Heiligsten unter den Heiligen, denn sie war ganz Mensch und dennoch besser als wir alle.“ Das Verhalten, das wir von Elisabeth aus dem Blickwinkel von Heinrich und der Familie zu sehen bekommen, ist das einer Frau, die für die Ärmsten der Armen lebt, ihr Leben dem Glauben opfert, scheinbar von Konrad von Marburg dominiert wird, die aber bei ihrer Familie jegliche Menschlichkeit verliert und sie auf Distanz hält. Sie erscheint in diesem Part wie eine närrische Rabenmutter. Sicher ist es schwer mit einem Menschen zu leben, der eine Idee lebt. Würde aber ein Mensch, der eine solche Idee lebt wie Elisabeth nicht mit der eigenen Familie mehr reden? Ich bin ja keine Leserin, die es braucht, Romanfiguren zu mögen oder sich mit ihnen identifizieren zu können. Aber ich möchte sie gern fühlen können. Den Massenmörder genauso wie die Heilige. Bis jetzt ist mir Elisabeth aber sehr nebulös und auch die Beziehung von Heinrich und Elisabeth ist für mich noch nicht klar. Ich bin also gespannt auf die weiteren Teile, denn die Aussage Heinrichs „sie war ganz Mensch“ ist mir aus seiner Sicht bis zu diesem Punkt nicht klar.
Konrad von Marburg ist wie Elisabeth auch eine hochinteressante Figur, an die ich aber überhaupt nicht herankomme. Ich vermute, daß auch hier der Blickwinkel die Ursache ist.
Bei der Gerichtsszene würde mich interessieren, Iris, ob sie rein Fiktion ist, oder ob Du entsprechende Zeitzeugnisse gefunden hast.
Die Zeit- und Ortswechsel haben mir bisher keinerlei Probleme bereitet.
Sehr schön finde ich, daß dem Roman ein Glossar hinzugefügt wurde. Hier vielleicht noch ein paar Begriffe, die eventuell bei einer zweiten Auflage für ungeübte Historienleser noch hinzugefügt werden könnten:
- Palas
- Tympanon
- Brodem
- Scultet
- Bruche
Über das Fehlen eines Personenregisters wurde hier ja schon viel gesprochen. Ich halte so etwas schon deshalb für sinnvoll, weil man von einem Leser nicht erwarten kann, daß er einen Roman neben dem Computer liest (es gibt immer noch Leute, die gar keinen haben) oder in der Bibliothek, wo er in Lexika nachschlagen kann. Daß ein anregendes Buch zur Folge hat, daß man hinterher oder nach einigen Abschnitten mit Recherchen beginnt, finde ich gut und richtig, der Leser sollte aber auch die Chance haben auch ohne Hilfsmittel einen Einstieg zu finden. Das Personenregister favorisiere ich bei historischen Romanen gegenüber Stammbäumen aus den von Iris genannten Gründen. Es können mehr Informationen angegeben werden, die bei Namensgleichheiten, die ja auch in der Familie auftreten, sehr hilfreich sind, außerdem helfen die Zusatzinformationen die Personen besser einzuordnen.
Für die zweite Auflage sinnvoll zu ändern wäre der Satz auf Seite 49: „Die auf Böcke gelegte Tafel bedeckte ungebleichtes Leinen...“
So. Die gelben Zettel sind raus, jetzt gibt’s ein bisschen „Das bisschen Haushalt...“ bevor ich an den zweiten Teil gehen kann.
Übrigens Iris: wieso soll Dein Buch keine flotte Feierabendlektüre sein?