'Der Pfaffenkönig' - Seiten 132 - 280

  • Ich hüpf nur mal ganz kurz rein, weil ich mich für heute und evtl. für morgen entschuldigen muß ...
    Ich kämpfe mit PC(s), Netzwerk und der heutigen Deadline eines Auftrags, der unbedingt erledigt werden muß. :cry


    Antwort kommt ganz sicher und so bald ich kann!!! Bis dann bitte ich um ein bißchen Geduld. :anbet

  • @ Iris


    Zitat

    Original von Iris
    Als "Seele" galt damals nicht das Sammelsurium von Innenwahrnehmungen, als das es heute (küchenpsychologisch!) oft gesehen wird, sondern das, was Lebewesen lebendig mache. Den Menschen unterscheide vom Tier die unsterbliche Seele und die freie Urteilskraft.


    ich will jetzt nicht kleinkrämerisch sein, aber... genau das meinte ich doch! :wow
    (ich bin nur etwas irritiert, mich durch Deine Erklärung bei einem mittelalterlichen Seele-Begriff zu erwischen...ich wäre nie auf die Idee gekommen, das andersweitig aufzufassen...da komm ich noch nicht wirklich drüber hinweg... und da muss ich noch ein bisschen nachgrübeln :wow)


    Aber das mit Konrads Neigungen würde mich auch interessieren! :-]


    EDIT: ups, wie unhöflich... Danke für Deine ausführlichen Antworten, Iris! :knuddel1

  • Zitat

    Original von churchill
    Frage mich gerade, warum Konrads Neigungen ein so großes Interesse bei den Leserinnen hervorrufen ... :gruebel


    Versuchst du es jetzt modern küchenpsychologisch??? :grin

  • @ Churchill und beowulf:


    :lache soll ich gleich eine küchenphilosophische antwort geben?


    weil - zumindest meiner erfahrung nach - schwule die besseren freunde und ansprechpartner für eine frau sind, vermutlich wegen der gemeinsamen interessen. :-]


    Man kann sich als leserin mit so einem imaginären gesprächpartner an den geistigen küchentisch setzen und ein tiefes meditatives selbstgespräch über das ewige rätsel mann führen, weil man von so einer gestalt erwartet, dass sie als - technisch - mann aber - ehrenhalber - frau einblicke und einsichten in das andere geschlecht hat, die einem als voll-frau völlig fehlen - und durch seine imaginären augen andere sichtweisen der welt durchprobieren.

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Zitat

    Original von churchill
    Und zu guter Letzt frage ich mich leise, ob die Rezeption dieser Szene etwas vom Geschlecht des Lesers beeinflusst werden könnte. Anders gesagt: Lesen Frauen die Szene anders als Männer?


    Nun, das ließe sich auch im nächsten Leben mit vertauschten Rollen nicht vollständig beantworten ;-)


    Ich kann dir nur sagen, was mich an solchen Szenen generell stört: Sie sind mir zu aufdringlich und viel zu ausführlich, lassen mir keinen Raum und berühren mich dadurch nicht, erwecken leider im Gegenteil nur das dringende Bedürfnis die Augen genervt gen Himmel zu drehen.
    Ich weiß zwar, was der Autor jeweils damit sagen will, aber gerade die Aufdringlichkeit erweckt in mir immer den Eindruck, dass nur noch eine Fußnote fehlt, die dem begriffsstutzigen Leser nochmals erklärt "Achtung, das war jetzt eine wichtige Szene, weil..."
    Es ist bei mir nun mal so, dass manch kurzer, aber eindringlicher Satz mir noch jahrelang in Erinnerung bleibt, weil er irgendwas in mir ausgelöst hat und mich auf Dauer beschäftigt. Ausführliche Szenen hingegen machen alles zunichte, fordern mich in keiner Weise und verpuffen schon beim Lesen.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Pelican, die Frage, ob Elisabeth uns nahe gebracht werden sollte oder nicht, stellte sich für mich überhaupt nicht. Für mich ging es im Buch in diesem Punkt nur darum, dass Heinrich diese Frau liebt und welche Auswirkungen das auf sein Leben hatte. Warum er sie liebt, also was genau er an ihr findet, ist für mich nicht ausschlaggebend, da die Liebe sowieso oft nicht zu erklären ist.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Zitat

    Original von churchill
    Frage mich gerade, warum Konrads Neigungen ein so großes Interesse bei den Leserinnen hervorrufen ... :gruebel


    Ehm. Nur damit keine Mißverständnisse bei der Beantwortung meiner Frage auftreten.


    Mir ist es vollkommen egal, welche Neigungen Konrad hatte. Mir geht es um die Frage, falls es für Konrads Neigung keine historischen Nachweise gibt (und davon gehe ich fast aus), weshalb die Autorin ein gängiges Klischee bedient. Das hat ja sicher einen Grund. Vielleicht ist es ja der, daß sie denkt, auf diese Weise die Bruderbeziehung und Heinrichs Charakter besser ausarbeiten zu können. Ich weiß es nicht.

  • Zitat

    Original von Kalypso
    Ich kann dir nur sagen, was mich an solchen Szenen generell stört: Sie sind mir zu aufdringlich und viel zu ausführlich, lassen mir keinen Raum und berühren mich dadurch nicht, erwecken leider im Gegenteil nur das dringende Bedürfnis die Augen genervt gen Himmel zu drehen.
    Ich weiß zwar, was der Autor jeweils damit sagen will, aber gerade die Aufdringlichkeit erweckt in mir immer den Eindruck, dass nur noch eine Fußnote fehlt, die dem begriffsstutzigen Leser nochmals erklärt "Achtung, das war jetzt eine wichtige Szene, weil..."
    Es ist bei mir nun mal so, dass manch kurzer, aber eindringlicher Satz mir noch jahrelang in Erinnerung bleibt, weil er irgendwas in mir ausgelöst hat und mich auf Dauer beschäftigt. Ausführliche Szenen hingegen machen alles zunichte, fordern mich in keiner Weise und verpuffen schon beim Lesen.


    Sehr schön gesagt, Kalypso. :anbet :write

  • Zitat

    Original von Kalypso
    Pelican, die Frage, ob Elisabeth uns nahe gebracht werden sollte oder nicht, stellte sich für mich überhaupt nicht. Für mich ging es im Buch in diesem Punkt nur darum, dass Heinrich diese Frau liebt und welche Auswirkungen das auf sein Leben hatte. Warum er sie liebt, also was genau er an ihr findet, ist für mich nicht ausschlaggebend, da die Liebe sowieso oft nicht zu erklären ist.


    Viele Grüße
    Kalypso


    Sagt uns die Sicht eines Menschen auf den Menschen, den er liebt, nicht so viel über ihn selbst? Daß wir damit der historischen Elisabeth nicht nahe kommen, das ist mir schon klar, aber Heinrichs Elisabeth. Aber vielleicht wird sie mir ja auch nicht nah, weil sie Heinrich auch nicht nah wird... :gruebel

  • Ich bin immer noch nicht fertig mit der Rekonstruktion meiner Daten ... deshalb fasse ich mich kurz und mehrere Beiträge, wo möglich, zusammen. :grin


    Zitat

    Original von Herr Palomar


    Ich habe in Erinnerung, das Heinrich die Wahl hatte zwischen Elisabeth und deren Schwester. Leider habe ich das Buch verliehen und kann es nicht nachschlagen. :help


    Kap. II, S. 83. :-]


    Zitat

    Original von Pelican
    Zunächst zum Gespräch zwischen Konrad und Heinrich. Konrads Gedanke sich dem Deutschen Orden anzuschließen klingt hier in keiner Weise politisch motiviert. Iris, denkst Du nicht, daß es da doch eine politische Motivation gab? Schließlich verschafft das den Thüringern doch eine deutlich bessere Position, wenn man die Differenzen zwischen römischem Papsttum und stauferischem Kaisertum bedenkt.


    Leider falsch. :-)
    Heinrichs und Konrads Vater Hermann hatte als Mitgründer des deutschen Ordens seinem Geschlecht ohnehin großen Einfluß auf diesen Orden verschafft. Der damals amtierende Ordenshochmeister, Hermann von Salza, z.B. stammte aus einem thüringischen Ministerialengeschlecht.
    es war üblich, daß Angehörige des niederen Adels (Ministeriale) und nachfolgende Söhne weniger bedeutender Grafen solchen Orden beitraten. Söhne aus dem hochadel -- und dazu gehörten die Ludowinger -- machten üblicherweise andere Karrieren in der Kirche, wurden Bischöfe oder (Fürst)Äbte, also Kirchenfürsten. Landgraf Konrads Schritt war damals geradezu einzigartig und gibt der Forschung bis heute Rätsel auf. Territorialpolitische und dynastische Gründe fallen völlig weg.
    Meine Schilderung folgt, wie so manches, weitestgehend der Deutung des Jenaer Historikers Matthias Werner, und der hält die traditionelle Überlieferung aus klerikaler Sicht für im Kern glaubwürdig, nämlich daß Landgraf Konrads Motivation wesentlich vielschichtiger ist und alles in allem persönlich begründet und eben nicht politisch. Daß er sich nicht einfach in ein Franziskanerkonvent zurückziehen durfte, sondern politische Rücksichten nehmen mußte, ist klar; deshalb tritt er auch diesem zunehmend einflußreicher werdenden Orden bei.


    Zitat

    Schade, daß Elisabeth in ihrer Wirkung hier auf mich nicht so ankommt.


    Die Begründung, daß Elisabeth nicht nur Tertiarin (Laienschwester) war, sondern als Königstochter geboren und zu einer Landgräfin erzogen worden war -- also ein ganz anderes Selbstgefühl hatte als eine heutige Frau, die beoi aller Religiosität als Bürgerin eines modernen Industriestaates westlicher Prägung sozialisiert worden ist --, zieht wahrscheinlich nicht.


    Zitat

    Ah ja, in der Sexszene bin ich noch über die Melonen gestolpert. Ich bin mir nicht sicher, ob ich da im Irrtum bin, ich vermute aber, daß der Landgraf von Thüringen wohl zu diesem Zeitpunkt keine Melonen gekannt haben kann. Meines Wissens hat sich der regelmäßige Anbau von Melonen im Mittelmeerraum erst Ende des 15. Jhdts. eingestellt und die Melone galt am Hof der Katharina von Medici und am französischen Hof noch als Delikatesse. Das kann aber auch eine Fehlinformation sein.


    Melonen stammen aus Afrika, wurden in Griechenland und im Islamischen raum bereits angebaut. Sie waren zumindest im Hochadel bekannt, wenn auch als seltene Delikatesse.
    was ebenfalls dafür spricht, ist die Tatsache, daß Melone als nahezu gleichlautendes Lehnwort aus dem (mittel)lateinischen in die europäischen Volkssprachen eingewandert ist. das setzt die grundsätzliche Kenntnis dieser Frucht (selten oder nicht) im Mittelalter voraus. :-)


    Zitat

    Wen dieses Thema einfach gar nicht interessiert, der wird sich zwangsläufig langweilen.


    So wie ich mich bei den gängigen Religionsthrillern langweile, die mit Religion in Wirklichkeit auch nichts zu tun haben, sondern nur mit diversen Verschwörungstheorien, und bei sehr vielen Mittelalterromanen, die diesen Aspekt darauf beschränken, ihre Figuren ziemlich naiv zu gestalten und öfters mal "O mein Gott!" sagen zu lassen. :grin
    (Diese Spitze konnte ich mir jetzt wirklich nicht verkneifen. In dem Buch geht 's nicht zuletzt um Elisabeth von Thüringen, im Grunde die deutsche Heilige. ich frage mich ernsthaft, wie jemand hier einen HR frei vom Themenkomplex Religiosität/Religion erwarten kann? :-)


    (Fortsetzung folgt)

  • Zitat

    Original von Pelican
    Aber ich gebe zu, daß ich da der Erzählstruktur auf den Leim gegangen bin. Du erzählst zwar aus dem Blickwinkel Heinrichs, da er aber nicht als Ich-Erzähler auftritt, dachte ich immer, es müßte doch möglich sein Elisabeth näher zu kommen. Das wäre dann aber unlogisch.


    Verlaß dich drauf, daß ich nie einen allwissenden Erzähler einsetzen würde, weil ich den als unglaubwürdig empfinde. Wir erleben das Leben und die Welt um uns auch nur subjektiv. (Auch keine erkenntnis, die sonderlich neu ist, sie wurde nur lange Zeit vergessen)


    Zitat

    "Das Wandern ist eine wundervolle Art und Weise, die Welt zu studieren", sagte Wigo, als hätte er die stumme Frage vernommen. "Man erlebt Gottes Geschöpfe nicht in der Sicherheit menschlicher Gemeinschaft, sondern so, wie Gott uns schuf, als Wanderer, allein unterwegs. Und ein Glücklicher Mensch weiß sich auf dem rechten Weg zu Gott und ins Paradies."


    Das Mittelalter war eine zeit, in der die Menschen viel unterwegs waren. Die Zahl der Pilger ist unglaublich hoch, hinzukommen Kreuzzügler, Vaganten, Reisige (Söldner) und fahrendes Volk, Büßer, Bettelmönche usw. Selbst die landeherren zogen von Burg zu Burg, um überall nach dem rechten zu sehen. Thomas von Aquin verbrachte Jahre auf der Landstraße, oft in diplomatischer Mission; trotz seines Übergewichtes wanderte er kreuz und quer durch Europa und starb schließlich unterwegs, nachdem er erschöpft Quartier in der Abtei Fossanova bezogen hatte.
    Was Wigo hier sagt, ist für die damalige Zeit keineswegs ungewöhnlich -- die verbreitete heutige Vorstellung vom "statischen" Mittelalter ist schlicht falsch. man denke nur an viele Kirchen lieder wie Wir sind nur Gast auf Erden, in denen das Echo einer Welt, die zu großen Teilen ständig unterwegs war, widerhallt.


    Wigo ist auch übrigens mein Führer in dieser Zeit gewesen. er hat sich als weitaus klüger als ich erwiesen, und es war immer das beste, ihn vorangehen zu lassen. :-)


    Zitat

    Weiß jemand, ob es eigentlich einen historischen Roman gibt, der aus der Sicht eines Inquisitors geschrieben ist?


    Ich kenne keinen, aber ich habe schon mal drüber nachgedacht -- Ich bürste die dinge gerne gegen den Strich. :grin


    Was Konrads "Begehren wider die Natur" angeht:

    Zitat

    Original von Pelican
    Mir ist es vollkommen egal, welche Neigungen Konrad hatte. Mir geht es um die Frage, falls es für Konrads Neigung keine historischen Nachweise gibt (und davon gehe ich fast aus), weshalb die Autorin ein gängiges Klischee bedient.


    Ich muß doch bitten! :grin Ein "gängiges Klischee" wäre es gewesen, wenn ich Landgraf Konrad einen hübschen Knappen hätte anschmachten lassen, er Elisabeths beste Freundin gewesen wäre und auch vielleicht die von Heinrichs Gemahlinnen und dann durch inquisitorische Umtriebe zu Tode gekommen wäre. Eine Neigung, die immerhin 10 - 15 % der männlichen Bevölkerung zugeschrieben wird kann man wohl kaum per se als "gängiges Klischee" abtun -- wohl aber den Umgang damit.

  • Zitat

    Original von Iris
    Heinrichs und Konrads Vater Hermann hatte als Mitgründer des deutschen Ordens seinem Geschlecht ohnehin großen Einfluß auf diesen Orden verschafft. Der damals amtierende Ordenshochmeister, Hermann von Salza, z.B. stammte aus einem thüringischen Ministerialengeschlecht.
    es war üblich, daß Angehörige des niederen Adels (Ministeriale) und nachfolgende Söhne weniger bedeutender Grafen solchen Orden beitraten. Söhne aus dem hochadel -- und dazu gehörten die Ludowinger -- machten üblicherweise andere Karrieren in der Kirche, wurden Bischöfe oder (Fürst)Äbte, also Kirchenfürsten. Landgraf Konrads Schritt war damals geradezu einzigartig und gibt der Forschung bis heute Rätsel auf. Territorialpolitische und dynastische Gründe fallen völlig weg.
    Meine Schilderung folgt, wie so manches, weitestgehend der Deutung des Jenaer Historikers Matthias Werner, und der hält die traditionelle Überlieferung aus klerikaler Sicht für im Kern glaubwürdig, nämlich daß Landgraf Konrads Motivation wesentlich vielschichtiger ist und alles in allem persönlich begründet und eben nicht politisch. Daß er sich nicht einfach in ein Franziskanerkonvent zurückziehen durfte, sondern politische Rücksichten nehmen mußte, ist klar; deshalb tritt er auch diesem zunehmend einflußreicher werdenden Orden bei.


    Interessant. Ich hatte auf eine politische Motivation vor allem deshalb getippt, weil Konrad ja relativ schnell (für meine Begriffe) zum Hochmeister wurde, sich dort also auch entsprechend positioniert haben muß, so daß er dieses Amt bekam.

  • Zitat

    Original von Iris


    Die Begründung, daß Elisabeth nicht nur Tertiarin (Laienschwester) war, sondern als Königstochter geboren und zu einer Landgräfin erzogen worden war -- also ein ganz anderes Selbstgefühl hatte als eine heutige Frau, die beoi aller Religiosität als Bürgerin eines modernen Industriestaates westlicher Prägung sozialisiert worden ist --, zieht wahrscheinlich nicht.


    Nee, nicht wirklich. :knuddel1

  • Zitat

    Original von Iris



    So wie ich mich bei den gängigen Religionsthrillern langweile, die mit Religion in Wirklichkeit auch nichts zu tun haben, sondern nur mit diversen Verschwörungstheorien, und bei sehr vielen Mittelalterromanen, die diesen Aspekt darauf beschränken, ihre Figuren ziemlich naiv zu gestalten und öfters mal "O mein Gott!" sagen zu lassen. :grin
    (Diese Spitze konnte ich mir jetzt wirklich nicht verkneifen. In dem Buch geht 's nicht zuletzt um Elisabeth von Thüringen, im Grunde die deutsche Heilige. ich frage mich ernsthaft, wie jemand hier einen HR frei vom Themenkomplex Religiosität/Religion erwarten kann? :-)


    522222222222222222222222´+üüüüü :grin Katze Cleo schreibt grad auch mit...


    Weißt Du, ich glaube nicht, daß irgend jemand einen mittelalterlichen Roman mit Elisabeth von Thüringen als frei vom Themenkomplex Religiosität / Religion erwartet. Ich gestehe es aber jedem zu, daß er, obwohl er eine mehr oder weniger starke Auseinandersetzung damit erwartet, entdeckt, daß ihn das doch nicht interessiert (gilt natürlich auch für Damen). Schließlich kann man nur Neues entdecken, wenn man Neues sucht und stellt dann auch mal fest, daß einem etwas einfach nicht liegt oder nahe geht.

  • Zitat

    Original von Iris


    Verlaß dich drauf, daß ich nie einen allwissenden Erzähler einsetzen würde, weil ich den als unglaubwürdig empfinde. Wir erleben das Leben und die Welt um uns auch nur subjektiv. (Auch keine erkenntnis, die sonderlich neu ist, sie wurde nur lange Zeit vergessen)


    Hast Du in der Entstehung des Werkes auch mal einen Ich-Erzähler erwogen? Was sprach für Dich dagegen?

  • Zitat

    Original von Iris



    Ich kenne keinen, aber ich habe schon mal drüber nachgedacht -- Ich bürste die dinge gerne gegen den Strich. :grin


    Hohlbein hat sich mit "Der Inquisitor" daran versucht. Ich kenne den Roman aber nicht, weiß also nicht, inwieweit ihm die Darstellung gelungen ist.


    Berling hat in seinem ersten Band der Gralspentalogie einen interessanten Inquisitor. Vitus hat bei einigen in der Berling-Leserunde trotz seiner üblen Handlungen die ein oder andere Sympathie geweckt.


    Trotzdem fände ich einen Roman, der sich mal eines interessanten Inquisitors widmet und seine innere Welt aufarbeitet hochinteressant.

  • Zitat

    Original von Iris


    Ich muß doch bitten! :grin Ein "gängiges Klischee" wäre es gewesen, wenn ich Landgraf Konrad einen hübschen Knappen hätte anschmachten lassen, er Elisabeths beste Freundin gewesen wäre und auch vielleicht die von Heinrichs Gemahlinnen und dann durch inquisitorische Umtriebe zu Tode gekommen wäre. Eine Neigung, die immerhin 10 - 15 % der männlichen Bevölkerung zugeschrieben wird kann man wohl kaum per se als "gängiges Klischee" abtun -- wohl aber den Umgang damit.


    Leider ist es aber doch heute auch schon zum gängigen Klischee geworden, daß Männer mit dieser Neigung gerne in den Kirchendienst gehen (eine Denke, die ich weder gut finde noch gut heiße, unsere Medien schüren das aber in den letzten Jahren ganz schön!).

  • Zitat

    Original von Pelican
    Ich hatte auf eine politische Motivation vor allem deshalb getippt, weil Konrad ja relativ schnell (für meine Begriffe) zum Hochmeister wurde, sich dort also auch entsprechend positioniert haben muß, so daß er dieses Amt bekam.


    Die "Blitzkarriere" ergab sich wahrscheinlich aus der ungewöhnlichen Situation, in die Konrads Eintritt in den Orden selbigen gebracht hatte. Konrad mochte seine Stellung als hessischer Landgraf und seine Güter aufgegeben haben, aber er verfügte über bemerkenswerte Beziehungen, sprach allein schon aufgrund seiner Herkunft mit sehr einflußreichen Personen auf Augenhöhe. D.h. Konrads Eintritt und die Entscheidung der Ordensoberen, ihn nach dem Tod Hermann von Salzas zum Hochmeister zu machen, brachte vor allem den Deutschen Orden erheblich weiter. Damals kamen für die kurze Zeit, die Konrad in diesem Amt blieb (1239 - 1240), die durch Hermanns Erkrankung abgebrochenen Gespräche zwischen Kaiser und Papst wieder in Gang, eine Diplomatie, die unter Hermann zu einer wichtigen Aufgabe der Ordensleitung geworden war.


    Zitat

    Original von Pelican
    Schließlich kann man nur Neues entdecken, wenn man Neues sucht und stellt dann auch mal fest, daß einem etwas einfach nicht liegt oder nahe geht.


    Damit habe ich auch kein Problem. Kein Autor kann alle Lesebedürfnisse und -vorlieben befriedigen -- also muß er seinen Weg gehen und seine Themen beackern und damit einen Kompromiß finden, um möglichst viele Leser zu erreichen (wer wollte das nicht! :grin).
    Die zunächst sicherste Methode ist, sich ein Thema zu suchen, und das in jedem Buch zu wiederholen. Die Menschen lieben Vertrautes, dann fühlen sie sich mit dem nächsten Buch gleich wohl. Serien und Mehrteiler eignen sich dazubesonders gut. Wenn man dann allerdings mal etwas anderes macht, setzt man sich der Gefahr aus, daß diejenigen, denen das Gewohnte gefallen hat, enttäuscht sind. Und Enttäuschung äußert sich interessanterweise meist in Ablehnung. Menschen und Katzen sind nun einmal Gewohnheitstiere. :grin
    (Grüße an Cleo! )


    Zitat

    Original von Pelican
    Hast Du in der Entstehung des Werkes auch mal einen Ich-Erzähler erwogen? Was sprach für Dich dagegen?


    Vielleicht weil es ein besonders anachronistisches Klischee ist? :lache


    Ich-Erzähler sind noch stärker gefangen in ihrer Subjektivität als eine personale Erzählhaltung in der 3. Person. Ein Ich-Erzähler, der sich nicht in eigenen Betrachtungen ergeht, wirkt im Grunde unglaubwürdig -- und genau das wäre das Problem: Das uns vertraute Konzept der selbstbezüglichen Innerlichkeit gab es in Antike und Mittelalter so nicht (deshalb gibt es eigentlich auch keine Ich-Autobiographien). Daher wäre es noch schwieriger geworden, diese andere, und unvertraute Denk- und Vorstellungsweise darzustellen, da im Falle eines Ich-Erzähler Erklärungen seines Verhaltens ja absurd und unglaubwürdig sind (er würde sein eigenes Verhalten ja sich selbst erklären).
    Ich-Erzähler stecken m.A.n. einfach zu tief in sich selbst drin. Das funktioniert für mich dann bei uns zeitlich und gedanklich nahen Romanen und (Auto-)Biographien, nicht aber oder nur eingeschränkt bei uns fremden.
    Und ich hatte einfach nicht die Absicht,eine ironische Brechung wie bei Robert Graves I, Claudius vorzunehmen. :grin


    Zitat

    Original von Pelican
    Trotzdem fände ich einen Roman, der sich mal eines interessanten Inquisitors widmet und seine innere Welt aufarbeitet hochinteressant.


    So ging es mir bei der Arbeit am Pfaffenkönig auch. Allerdings war Magister Konrad von Marburg in der Tat ein besonderer Fall: Nach seinem Tod gab es für anderthalb Jahrhunderte keine Inquisition in den deutschen Landen. M.A.n. spricht das Bände über ihn!


    (Bei Berling ist dieser Vitus aber wirklich eine Nebenfigur, und Berlings "Faszination am Bösen" ist ebenso wie seine Version der Otto Rahnschen Theorien ein Thema für sich. :grin)


    Zitat

    Original von Pelican
    Leider ist es aber doch heute auch schon zum gängigen Klischee geworden, daß Männer mit dieser Neigung gerne in den Kirchendienst gehen


    So gesehen steckt der Roman voller Klischees, im Grunde besteht er -- wie jeder andere Roman -- ausschließlich aus Klischees. Es gibt nichts, aber auch gar nichts, was nicht schon in mindestens tausend Varianten wiederholt worden wäre: die nicht ganz glückliche arrangierte Ehe, der Nachgeborene, der unverhofft um Erben wird, die entnervend fromme Angebetete, der patente Beichtvater usw. usf. So gesehen sollten wir dieses Buch zusammen mit vielen anderen am besten den Blauen Tonnen übergeben. :lache :lache :lache