'Der Pfaffenkönig' - Seiten 132 - 280

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    Original von Pelican
    Leider ist es aber doch heute auch schon zum gängigen Klischee geworden, daß Männer mit dieser Neigung gerne in den Kirchendienst gehen (eine Denke, die ich weder gut finde noch gut heiße, unsere Medien schüren das aber in den letzten Jahren ganz schön!).


    Hm ... Klischee ... In einer ca. 15 Jahre zurückliegenden Arbeitswoche mit einem Dozenten für Pastoralpsychologie stelle dieser kirchlichen Insider die These auf, dass bis zu 25% aller katholischen Priester schwul und die Priesterseminare Sammelbecken in dieser Hinsicht seien.


    Es gab leise Entrüstung aus manchen Ordinariaten, aber insgesamt wenig Widerspruch.


    Ich denke, die Medien haben lediglich einen Ball zurückgespielt, der von Krenn (ehemaliger Bischof von St. Pölten) und Konsorten mustergültig vorgelegt wurde. Ob die Zahlen stimmen oder nicht, ein solches Thema ist spannend und interessiert die Leute, weil die Forderungen und grundsätzlichen Verlautbarungen der Kirche zu diesem Thema in einem unübersehbaren Widerspruch zur Realität stehen.

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

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    Original von churchill
    Frage mich gerade, warum Konrads Neigungen ein so großes Interesse bei den Leserinnen hervorrufen ... :gruebel


    Zur Ergänzung: Die Neigungen selbst sind mir genau wie Pelican piepegal, allerdings würde es mich interessieren, ob so etwas überhaupt "dokumentiert" wurde, also ob solche Informationen heute noch historisch nachzuweisen sind/wären.


  • :gruebel


    Ein Ich-Erzähler muß sich natürlich in gewissem Maße in eigenen Betrachtungen ergehen. Wie würde denn Deines Erachtens ein Mensch im Mittelalter (ich weiß, das sind natürlich nur Annahmen) auf sein Leben zurückblicken? Er würde doch selbst, wenn ihm unsere selbstbezügliche Innerlichkeit nicht gegeben ist, zumindest differenzieren zwischen Szenen, die ihm angenehm waren oder unangenehm waren. Aber doch eher mehr, oder?

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    Original von Iris



    So ging es mir bei der Arbeit am Pfaffenkönig auch. Allerdings war Magister Konrad von Marburg in der Tat ein besonderer Fall: Nach seinem Tod gab es für anderthalb Jahrhunderte keine Inquisition in den deutschen Landen. M.A.n. spricht das Bände über ihn!


    (Bei Berling ist dieser Vitus aber wirklich eine Nebenfigur, und Berlings "Faszination am Bösen" ist ebenso wie seine Version der Otto Rahnschen Theorien ein Thema für sich. :grin)


    Ich denke, Konrad von Marburg wäre für sowas wirklich nicht uninteressant.


    Leider ist Berlings Vitus eine Nebenfigur :grin

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    Original von milla
    Zur Ergänzung: Die Neigungen selbst sind mir genau wie Pelican piepegal, allerdings würde es mich interessieren, ob so etwas überhaupt "dokumentiert" wurde, also ob solche Informationen heute noch historisch nachzuweisen sind/wären.


    Dokumentiert wurde Sodomie (so die damalige Bezeichnung), wenn es auffällig geworden wäre, sei es durch Denunziation oder weil der Betreffende (besser gesagt: die Betreffenden) erwischt worden wäre. Homosexualität wurde in den klerikalen Schriften als "Sünde wider die Natur" aufgefaßt, wobei mit "Natur" die Schöpfung gemeint war. Sie galt als heidnische Praxis und manche machten u.a. Homosexuelle bzw. das Dulden homosexueller Aktivitäten verantwortlich für Naturkatastrophen, Kriege, Seuchen u.ä., die in diesem Falle als Strafe Gottes gedeutet wurden.
    Der Vorwurf der Homosexualität wurde vor allem seit dem 13. Jh. zunehmend politisch instrumentalisiert und zur Verleumdung und Verunglimpfung auch im großen Stil eingesetzt, aber mehr als Ehrenstrafen (Bußgeld/Ablaß, Exil, gelegentlich Verstümmelung) passierte meist nicht, und auch das eigentlich nur beim "passiven" Partner. Überführte Kleriker konnten seit dem III. Laterankonzil degradiert, Laien aus einem Klosterverband ausgeschlossen werden.
    Allerdings fanden vor allem in den Städten Italiens auch regelrechte Pogrome statt, wozu sogar das jeweilige örtliche Recht instrumentalisiert wurde. Auch hier wird eher vermutet, daß Homosexuelle ebenso wie Juden und andere Bevölkerungsgruppen als "Sündenböcke" zur Ablenkung realer Mißstände und zum Machterhalt bestimmter Geschlechter geopfert wurden.


    Übrigens stand Herzog Friedrich II. von Österreich, Heinrich Raspes Schwager, auch im Verdacht der Sodomie. ;-)

  • Zitat

    Original von Pelican
    Ein Ich-Erzähler muß sich natürlich in gewissem Maße in eigenen Betrachtungen ergehen. Wie würde denn Deines Erachtens ein Mensch im Mittelalter (ich weiß, das sind natürlich nur Annahmen) auf sein Leben zurückblicken? Er würde doch selbst, wenn ihm unsere selbstbezügliche Innerlichkeit nicht gegeben ist, zumindest differenzieren zwischen Szenen, die ihm angenehm waren oder unangenehm waren. Aber doch eher mehr, oder?


    Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Es war eine andere Sicht, und ich denke, die Schriften der Mystiker geben halbwegs Aufschluß. Wobei überlieferte diese autobiographischen Texte grundsätzlich einen Bußcharakter haben.
    In einer Welt, in der Schriftlichkeit einer Minderheit vorbehalten ist, funktioniert Selbstdarstellung anders als bei uns Heutigen. Da macht eine schriftlich fixierte Selbstdarstellung weniger Sinn als bildliche oder von Dritten (Chronisten) überlieferte.
    Aber das ist ein recht spezielles sujet für Mittelalterphilologen. Mir selbst erscheint es ziemlich müßig, über etwas nachzudenken, das in dieser Form aufgrund fehlender Voraussetzung in Kultur und Gesellschaft schlicht nicht existierte (vielleicht ging den Menschen des Mittelalters ja auch die heute vorherrschende, entnervende Selbstdarsteller-Mentalität ab :grin).

  • Zitat

    Original von Pelican
    Ich denke, Konrad von Marburg wäre für sowas wirklich nicht uninteressant.


    Wie man diesem Mann etwas "Sympathisches" abgewinnen soll, was für die überragende Mehrheit der Leser(innen) ja ungemein wichtig ist, ist mir allerdings völlig schleierhaft.

  • Zitat

    Original von Iris


    Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Es war eine andere Sicht, und ich denke, die Schriften der Mystiker geben halbwegs Aufschluß. Wobei überlieferte diese autobiographischen Texte grundsätzlich einen Bußcharakter haben.
    In einer Welt, in der Schriftlichkeit einer Minderheit vorbehalten ist, funktioniert Selbstdarstellung anders als bei uns Heutigen. Da macht eine schriftlich fixierte Selbstdarstellung weniger Sinn als bildliche oder von Dritten (Chronisten) überlieferte.
    Aber das ist ein recht spezielles sujet für Mittelalterphilologen. Mir selbst erscheint es ziemlich müßig, über etwas nachzudenken, das in dieser Form aufgrund fehlender Voraussetzung in Kultur und Gesellschaft schlicht nicht existierte (vielleicht ging den Menschen des Mittelalters ja auch die heute vorherrschende, entnervende Selbstdarsteller-Mentalität ab :grin).


    Sorry Iris, ich kapier's grad nicht. Was hat Selbstdarstellung damit zu tun, sich angesichts des nahenden Todes an sein Leben zu erinnern? (Ich hoffe, die haben mir gerade eben mit dem Weisheitszahn, den sie mir gezogen haben, nicht tatsächlich den letzten Rest Weisheit gezogen...)

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    Original von Iris


    Wie man diesem Mann etwas "Sympathisches" abgewinnen soll, was für die überragende Mehrheit der Leser(innen) ja ungemein wichtig ist, ist mir allerdings völlig schleierhaft.


    Och, wenn ich da an Jean-Baptiste Grenouille oder Hannibal Lecter denke, ist das wohl gar nicht so problematisch.

  • Zitat

    Original von Pelican
    Sorry Iris, ich kapier's grad nicht. Was hat Selbstdarstellung damit zu tun, sich angesichts des nahenden Todes an sein Leben zu erinnern?


    Gar nichts, das habe ich auch nicht gemeint.


    Ein in Ich-Form abgefaßter Text beschreibt ausschließlich den Horizont des Betroffenen, und das in einer selbstbezüglichen Weise. Wenn dieser Ich-Erzähler dann auch noch die Hauptperson der Handlung ist, erleben die Leser die Geschichte "nur" noch so, wie sie die Hauptfigur erlebt.


    Ich-Erzähler haben für mich (!) sehr viel mit Innerlichkeit zu tun: Es gibt ausschließlich die Sicht des Ich-Erzählers auf die Handlung, und zugleich seine innere Reaktion darauf.
    Mir persönlich war diese Sicht für diese Geschichte schlicht und einfach zu eng. :-)
    (Nachtrag: Ich erinnere mal -- um nur einen Grund zu nennen -- an die Gefahr, daß das Ganze in wehleidiges Gejammere abgleiten kann. :grin)


    Hinzukommt, daß autobiographisches Schreiben im MA weitgehend unbekannt war. Ds ist der andere Punkt, der durchaus etwas mit "Selbstdarstellung" zu tun hat, denn autobiographisches Schreiben ist immer Selbstdarstellung.

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    Original von Iris
    Hinzukommt, daß autobiographisches Schreiben im MA weitgehend unbekannt war. Ds ist der andere Punkt, der durchaus etwas mit "Selbstdarstellung" zu tun hat, denn autobiographisches Schreiben ist immer Selbstdarstellung.


    Sehr interessant. Das war mir so gar nicht klar. Liegt wohl daran, daß ich nur wenig Texte aus dem Mittelalter gelesen habe bzw. hauptsächlich Vogelweide, der ja schon viel aus der Ich-Perspektive schreibt.