ZitatOriginal von keinkomma
Die Figuren sind mir immer näher geworden, wenngleich ich über Betrix gerne mehr erfahren hätte und auch Wigo kommt ein wenig zu kurz (abgesehen von der halbseitigen Berichterstattung über seine Lebensgeschichte). Der Kerl ist mir sehr sympathisch, dem hätte ich mehr Raum gewünscht.
Ein Ekel ist der Inquisitor. Passt zum Beruf. Da muss man wohl so sein.
Das Bild mit der gefallenen Hure...ein bisschen zu plakativ. Hat mir nicht ganz zugesagt.
Der "Rahmen" des Romans gerät offenbar immer wieder aus dem Blickfeld -- und das, obwohl er 25 - 30 % des Textes ausmacht.
Ich erzähle nicht Heinrichs Leben als halbdokumentarische Biographie, sondern mich hat interessiert, woran der sterbende sich wohl erinnert haben mochte, was ihm wichtig war, was sich ihm aufdrängte, wie er am Ende dieses Lebens bewußt und unbewußt die Gewichtungen legt, was er noch immer verdrängt, weil er es nicht erträgt usw.
Über Beatrix kann man im Roman nicht mehr erfahren, weil diese Geschichte mit Heinrichs Tod endet; was danach geschah, ist nicht mehr Teil dieser Geschichte.
Wigo ist der ständige Begleiter des Sterbenden; seine (fiktive!) Biographie entfaltet sich, als er am Ende des gemeinsamen Weges darlegt, warum er in einer entscheidenden Stunde nicht zur Stelle war (was dann zu einem zeitweiligen Entzug des Vertrauens führte).
Die spätere Erwähnung des Schankmädchens und seines Schicksals dient nicht der Befriedigung von irgendwelchen Rachegedanken und soll keine Strafe darstellen. Es ist schlichtweg das übliche Schicksal dieser Mädchen und Frauen gewesen, ein Schicksal, das ebenso unbekannt wie bedeutungslos war für einen Landesherren. Aber erst kommt Konrad mit solch einer Geschichte, die ihn in seiner Entscheidung für den Eintritt in einen Orden bestärkte (ist tatsächlich überliefert, wenn auch möglicherweise als spätere Ausschmückung) und dann wird Heinrich damit konfrontiert.
Ist eigentlich niemandem aufgefallen, daß er die Frau bei ihrer Begegnung, noch bevor er von ihrem Schicksal erfährt, nicht verächtlich behandelt, sondern ihr einen wenn auch nur kleinen Dienst erweist?
Aber ich möchte eigentlich nicht mein eigenes Buch interpretieren ...
Zitat1. Die Grafen von Gleichen...bei Erfurt gibt es drei Hügel mit Ruinen drauf, zu denen die Erfurter "Die Drei Gleichen" sagen - hat das was mit jenen Grafen zu tun?
Genau dieses Grafengeschlecht ist gemeint, eine der "Inseln" mainzischer Herrschaft in Thüringen, zu denen auch Erfurt gehörte.
Am längsten ist dem Mainzer Erzbistum das Eichsfeld (ein gutes Stück nördlich von Eisenach) geblieben, das heute noch eine katholische Enklave im ansonsten lange Zeit rein protestantischen Thüringen ist.
Zitat2. Wie, woran, wieso starb Gertrud? Habe zwei mal nachgeblättert...hab ichs überlesen? Ist sie einfach so aus dem Buch verschwunden?
Über sie weiß man so gut wie nichts, außer das sie die Schwester Herzog Friedrichs II. von Österreich war und 1235 Heinrich Raspe in der Wiener Neustadt heiratete. Vermutlich starb sie um 1238, die Umstände sind unbekannt.
Aber das war nicht der Grund für die "Verdrängung". Um mal kurz auf die obigen Ausführungen zurückzukommen: Ich habe es schon erlebt, daß Menschen durch den Tod eines geliebten Partners so getroffen wurden, daß sie sich bis an ihr Lebensende damit nicht auseinandersetzen -- ja, sich nicht einmal daran erinnern wollten, sondern um das Thema herumschlichen. "Meinem" Heinrich geht es auch so.