'Der Pfaffenkönig' - Seiten 281 - Ende

  • Zitat

    Original von keinkomma
    Die Figuren sind mir immer näher geworden, wenngleich ich über Betrix gerne mehr erfahren hätte und auch Wigo kommt ein wenig zu kurz (abgesehen von der halbseitigen Berichterstattung über seine Lebensgeschichte). Der Kerl ist mir sehr sympathisch, dem hätte ich mehr Raum gewünscht.
    Ein Ekel ist der Inquisitor. Passt zum Beruf. Da muss man wohl so sein.
    Das Bild mit der gefallenen Hure...ein bisschen zu plakativ. Hat mir nicht ganz zugesagt.


    Der "Rahmen" des Romans gerät offenbar immer wieder aus dem Blickfeld -- und das, obwohl er 25 - 30 % des Textes ausmacht. :wow
    Ich erzähle nicht Heinrichs Leben als halbdokumentarische Biographie, sondern mich hat interessiert, woran der sterbende sich wohl erinnert haben mochte, was ihm wichtig war, was sich ihm aufdrängte, wie er am Ende dieses Lebens bewußt und unbewußt die Gewichtungen legt, was er noch immer verdrängt, weil er es nicht erträgt usw.


    Über Beatrix kann man im Roman nicht mehr erfahren, weil diese Geschichte mit Heinrichs Tod endet; was danach geschah, ist nicht mehr Teil dieser Geschichte.
    Wigo ist der ständige Begleiter des Sterbenden; seine (fiktive!) Biographie entfaltet sich, als er am Ende des gemeinsamen Weges darlegt, warum er in einer entscheidenden Stunde nicht zur Stelle war (was dann zu einem zeitweiligen Entzug des Vertrauens führte).


    Die spätere Erwähnung des Schankmädchens und seines Schicksals dient nicht der Befriedigung von irgendwelchen Rachegedanken und soll keine Strafe darstellen. Es ist schlichtweg das übliche Schicksal dieser Mädchen und Frauen gewesen, ein Schicksal, das ebenso unbekannt wie bedeutungslos war für einen Landesherren. Aber erst kommt Konrad mit solch einer Geschichte, die ihn in seiner Entscheidung für den Eintritt in einen Orden bestärkte (ist tatsächlich überliefert, wenn auch möglicherweise als spätere Ausschmückung) und dann wird Heinrich damit konfrontiert.
    Ist eigentlich niemandem aufgefallen, daß er die Frau bei ihrer Begegnung, noch bevor er von ihrem Schicksal erfährt, nicht verächtlich behandelt, sondern ihr einen wenn auch nur kleinen Dienst erweist? ;-)


    Aber ich möchte eigentlich nicht mein eigenes Buch interpretieren ... ;-)


    Zitat

    1. Die Grafen von Gleichen...bei Erfurt gibt es drei Hügel mit Ruinen drauf, zu denen die Erfurter "Die Drei Gleichen" sagen - hat das was mit jenen Grafen zu tun?


    Genau dieses Grafengeschlecht ist gemeint, eine der "Inseln" mainzischer Herrschaft in Thüringen, zu denen auch Erfurt gehörte.
    Am längsten ist dem Mainzer Erzbistum das Eichsfeld (ein gutes Stück nördlich von Eisenach) geblieben, das heute noch eine katholische Enklave im ansonsten lange Zeit rein protestantischen Thüringen ist.


    Zitat

    2. Wie, woran, wieso starb Gertrud? Habe zwei mal nachgeblättert...hab ichs überlesen? Ist sie einfach so aus dem Buch verschwunden?


    Über sie weiß man so gut wie nichts, außer das sie die Schwester Herzog Friedrichs II. von Österreich war und 1235 Heinrich Raspe in der Wiener Neustadt heiratete. Vermutlich starb sie um 1238, die Umstände sind unbekannt.
    Aber das war nicht der Grund für die "Verdrängung". Um mal kurz auf die obigen Ausführungen zurückzukommen: Ich habe es schon erlebt, daß Menschen durch den Tod eines geliebten Partners so getroffen wurden, daß sie sich bis an ihr Lebensende damit nicht auseinandersetzen -- ja, sich nicht einmal daran erinnern wollten, sondern um das Thema herumschlichen. "Meinem" Heinrich geht es auch so.

  • Zitat

    Original von keinkomma


    1. Die Grafen von Gleichen...bei Erfurt gibt es drei Hügel mit Ruinen drauf, zu denen die Erfurter "Die Drei Gleichen" sagen - hat das was mit jenen Grafen zu tun?


    Iris hat es treffend erklärt.
    Ich bin am Fuße dieser drei Burgen aufgewachsen. Daher ein paar kleine Ergänzungen.
    Das spannende an den drei Hügeln mit den drei Burgen ist, dass jede zu einem andern Herrschaftsgebiet gehörte. Die Burg Gleichen ist jene, die zu Erfurt gehört und also auch zum Mainzer Einzugsbereich. Sie zeigt das Erfurter Rad im Wappen, das die Erfurter von Mainz übernommen haben. Man sieht sie wenn man auf der A4 aus Richtung Eisenach Richtung Dresden fährt linker Hand. Sie ist die größere der beiden Ruinen.
    Die Mühlburg, die kleinere der beiden Ruinen, rechts der Autobahn, gehört zu Gotha. Sie war und ist immer schon thüringisch (was eben so thüringisch genannt werden mag, aber in die verworrene Geschichte der thüringisch-sächsischen Kleinstaaterei müssen wir hier nicht blicken).
    Die dritte im Bunde, auch rechts der Autobahn, etwas weiter östlich ist die Wachsenburg. Sie ist noch erhalten und kann besichtigt werden. Sie beherbergt ein Hotel und Restaurant (nicht sonderlich zu empfehlen, dann lieber in Mühlberg den Gasthof besuchen!!) Die Wachsenburg gehört nun ihrerseits zum Bereich der Kefernburger, die bei Arnstadt ihren Hauptsitz hatten.
    LG Licht

  • @licht: Kleiner Nachtrag: Die drei Burgen haben gerade im 12. bis 14. Jh. öfters mal die Besitzer gewechselt, und da Erfurt ziemlich wohlhabend war, gab es immer wieder Ärger um diese Enklave, die sich gelegentlich auch mit ihrem erzbischöflichen Oberherrn überwarf.
    Ich hatte dazu ein informatives Buch in der Hand, das ich mal wieder ausfindig machen muß. Leider habe ich die Materialsammlung zum Pfaffenkönig zum großen Teil schon archiviert, weil ich bereits an neuen, ganz anders liegenden Recherchen sitze ...


    As-salaamu aleikum! :grin

  • Iris : Klar geht das detaillierter, aber da kämen wir aus Wirren und Eigentümerwechseln vom Hundertsten ins Tausendste. Meine entsprechende Literatur ruht auch noch in den Regalen bei meiner Mutter, so daß ich jetzt aus der Erinnerung schreiben musste.


    Aber vielleicht ist es ja für den einen oder die andere auch eine kleine Reiseempfehlung.


    Für Tips stehe ich nach Kräften gern zur Verfügung.

  • Exkurs:


    Dann hat sich sozusagen der ehemalige Bundeskanzler und promovierte Historiker Dr. Helmut K. als genialer Kenner der Geschichte erwiesen, als er den ehemaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Dr. Bernhard V., seines Zeichens lange Jahre in Mainz residierend und als führendes Mitglied des Zentralkomitee der deutschen Katholiken konfessionell festgelegt (der seinen Rücktritt als Ministerpräsident mit den Worten "Gott schütze Rheinland - Pfalz" schmückte), in die Pflicht nahm und ihm die Führung des Landes Thüringen antrug. Diese Aufgabe hat Bernhard V. dann schließlich über viele Jahre hinweg begeistert ausgeübt. Geschichte wiederholt sich offenbar manchmal doch :wow

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • @ licht: jaaa, da wurde ich mal hingeführt, in dieses nicht sehr empfehlenswerte Restaurant...wir haben Freunde in Erfurt und das war einer der weniger netten Nachmittage (wobei: die Umgebung ist wunderschön und wer mal Gelegenheit hat: hinfahren! Am besten mit "Der Pfaffenkönig" im Gepäck und die Stellen nochmal nachlesen!!!)
    @ Iris: Ich sagte es schon am Anfang und meine es nun, nachdem ich das Buch (leider...) ausgelesen habe, noch immer so: mein neues Favoritenbuch. Danke für Deine ausführliche Antwort oben - bei längerem Nachsinnen über Heinrich (und eben das ist das Schöne an diesem Roman, dass man ihn eben nicht weglegt und abhakt, sondern dass er auch nach Leseende noch zum Nachdenken anregt) komme ich zu dem Schluß, dass Du einen wohltuend anderen historischen Roman geschrieben hast. Die Psychogramme finde ich spannend und das Verhältnis zwischen schriftstellerischer Interpretation und "Nebenbei-Geschichte-lernen" stimmt. Hattu fein demach!!!
    Nicht gaaaanz klar komme ich allerdings damit, dass über Gertruds Tod im Roman nichts steht. Deine Erklärung leuchtet ein - aber, hihi, wir glücklcihen Eulen - nicht alle Leser könenn Dich mal eben anklingeln und nachfragen. Ich schätze, bei all denen, die das Pech haben, nicht mit Iris kontakten zu können, könnte diese Frage auch offen bleiben. Vielleicht eine Anregung für die 2. Auflage, die bestimmt kommt, dies in einem Nachwort zu klären? Immerhin ist Gertrud eine der schillerndsten Frauen im Buch.
    Bis bald also - vielleicht liest Du mal in Erfurt?
    :wave Silke

  • Zitat

    Original von keinkomma
    Nicht gaaaanz klar komme ich allerdings damit, dass über Gertruds Tod im Roman nichts steht. Deine Erklärung leuchtet ein - aber, hihi, wir glücklcihen Eulen - nicht alle Leser könenn Dich mal eben anklingeln und nachfragen. Ich schätze, bei all denen, die das Pech haben, nicht mit Iris kontakten zu können, könnte diese Frage auch offen bleiben. Vielleicht eine Anregung für die 2. Auflage, die bestimmt kommt, dies in einem Nachwort zu klären? Immerhin ist Gertrud eine der schillerndsten Frauen im Buch.


    Liebe Silke, ich wollte kein Geschichtsbuch schreiben, sondern einen Roman. Ich möchte auch nicht durch einen Anhang ein Geschichtsbuch daraus machen, denn das lenkt m.A.n. vom eigentlichen Thema des Romans ab.


    Da jeder Leser und jede Leserin andere Dinge vertieft sehen möchte und ein historischer Apparat deshalb enorm viel Platz in Anspruch nehmen würde, wäre es sinnvoller, wenn ich auf meiner Internetseite weiterführende Informationen bereitstelle. Das aber kann ich erst, wenn ich wieder einen PC habe und auf meine Daten zugreifen kann.


    Ich glaube kaum, daß der Verlag bereit sein wird, das Buch in einer zweiten Auflage für die vielen gewünschten Zusatzinformationen komplett neu zu setzen. ;-)

  • Auch ich habe fertig... :cry
    War heute so gefesselt, dass ich fast aufgeregt aus der badewanne gesprungen bin, als ich hörte, dass die tataren vor der tür sind. Der schluss mit der vielen politik war etwas aprupt und das genaue 'warum und wieso ausgerechnet Heinrich?' kam mir etwas zu kurz... gut, es soll leute geben, die anders als ich keine langen erklärungen in einem roman mögen.


    Wollte immer wissen wer der heilige Oswald ist, dem man im 11./12. Jh eine winzige kapelle in einem völlig unzugänglichen hochplateau über der Südtiroler Weinstrasse gebaut hat, auf die mich meine grosstante vor drei jahren geschleift hat. War damals wohl eine art modeheiliger für die ritter. Der auf dem fresco hat einen ring als symbol, wiesu denn blos? Der gute mann war also aus Northumbrien... - aber... mein neues heiligenlexikon hat das hauptaugenmerk auf den jüngst kanonisierten, :-( und über den ring vom oswald steht nix drin. Das Lexikon der Symbole hat auch nichts. Und wann der oswaldtag nun ist, war auch nicht rauszufinden... :-(


    Wollte auch wissen, was aus Beatrix geworden ist, aber das hat sich jetzt erledigt.
    War etwas konfus in welchem jahr all die leute gestorben sind, weil im buch etwas wenige zeitangeben waren, also +/- 1238, thanxx.
    Danke, Iris! :wave man lernt nie aus.


    Die exhumierung hat mich auch etwas verwundert... wieso kahler schädel??? Wie lang war die tot? Keine 30 jahre, oder? Sie war sehr dünn, bleisarg, erde, luftabschluss müsste eigentlich natürlich mumifiziert sein...
    Ich frag nur, weil: Ich hab vor einigen jahren einen barocksarg in einer erdbestattung geöffnet, und da war noch immer gammeliges hirn im kinderschädel...


    Facit: :anbet Danke, Iris, ich werde Heinrich Raspe nicht so schnell wieder vergessen.
    Er war bisher unbebautes land, und ich hatte ihn sogar dreimal in meinem selbstgezimmerten MA herrscherstammbaum, weil ich nicht überrissen habe, dass König Heinrich IV Raspe ident mit Heinrich v Thüringen und Heinrich Raspe, dem mann von Gertrud Babenberg ist... lücken behoben, horizont erweitert. :grin
    Aber Beatrix hat mich auf die nächste lücke aufmerksam gemacht: Gibt es irgendwelche bücher über die Hennegauer, Brabanter und Flandrer? Von denen weiss ich noch weniger als von den Thüringern. :gruebel

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • @ Iris


    Was wie...? Auch in der zweiten Auflage soll nix über Beatrix und keine Zeittafel der Ereignisse und kein Stammbaum im Anhang sein?
    Wie find ich denn das? :wow
    Eine Zeittafel, ein Stammbaum und ein Beatrix-Absatz sind bestenfalls fünf Seiten! Die Verlage sollen sich bei der zweiten Auflage gefälligst an die Wünsche der Leser halten, - und die sind wir hier. :fetch

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Zitat

    Original von keinkomma
    Ich gebe zu, wenn nicht Iris das Buch über Hienrich geschrieben hätte, dann hätte ich nie und nimmer zu dieser Lektüre gegriffen. Raspe ist ja nun doch im allgemeinen Bewusstsein zunächst eine Randfigur der Geschichte, sofern er überhaupt bekannt ist (ich kannte ihn dem Namen nach, mehr nicht).


    @ keinkomma


    Diese Aussage hat mich jetzt total überrascht - schließlich hast Du Gottes Weber geschrieben.

  • Zitat

    Original von Iris


    Der "Rahmen" des Romans gerät offenbar immer wieder aus dem Blickfeld -- und das, obwohl er 25 - 30 % des Textes ausmacht. :wow
    Ich erzähle nicht Heinrichs Leben als halbdokumentarische Biographie, sondern mich hat interessiert, woran der sterbende sich wohl erinnert haben mochte, was ihm wichtig war, was sich ihm aufdrängte, wie er am Ende dieses Lebens bewußt und unbewußt die Gewichtungen legt, was er noch immer verdrängt, weil er es nicht erträgt usw.


    Ich vermute, daß das an der Erzählstruktur hängt, daß bei vielen Lesern die Erwartung über den Rahmen des Romans eine andere ist als Deine eigene. Dadurch, daß Heinrich nicht selbst seine Erinnerungen erzählt, kann es beim ein oder anderen doch in den Hintergrund treten, daß es seine ureigensten Erinnerungen sind.


    Da ich noch 60 Seiten vor mir habe, werde ich meine Kommentare zum letzten Teil machen, wenn ich damit durch bin.

  • Ich fand gerade dieses Aufbrechen aus der Erinnerung, das dadurch bewußt fragmentarische die Frage der Fragen: "Was bleibt am Schluße eines Lebens" so interessant.


    Iris
    Der Hinweis auf weiterführende Materialien auf deiner bis dahin hoffentlich wieder präsenten Homepage ist für die zweite Auflage aber unbedingt notwendig.

  • dito.


    :gruebel Uups, Iris, da hab ich mich wohl in der einordnung geirrt.


    Ich sah das buch als romanbiographie einer historischen persönlichkeit, sonst hätte ich es wahrscheinlich nicht gelesen. Die die handlung einfassende, religiös deutbare kinderszene und den rückblick und das bilanz-ziehen des Heinrich Raspe auf dem sterbebett sah ich als - sehr gelungene - dramaturgische griffe. :anbet
    Ich orte da eine ungerechtfertigte scheu sich als historikerin zu deklarieren.
    Wenn man betrachtet, was bei anderen historischen persönlichkeiten schon in ihre romanbiographien hineininterpretiert und dazuerfunden wurde, ist der Pfaffenkönig zahm, und kann durchaus zu diesem genre gezählt werden.
    Es fehlt nur ein stammbaum, ein namensindex und eine zeittafel, dann passt es voll und ganz rein. Und wenn dann irgendein Heinrich Raspe-fachmann laut aus entrüstung aufschreien sollte, kann man ihm nur sagen: 'Wenn du meinst, du könntest es besser, und es verkauft sich, warum hast du es dann nicht schon längst getan?'
    Über fachkritiker muss man mitleidlos drüberbügeln: selbst nur kleine eier legen, aber bei anderen trotzdem gross stinken... nöö wirklich nicht.
    Die meisten von ihnen sitzen titelbewehrt nur in ihren geschützten akademischen werkstätten, tun nix und reden gscheit daher...
    :wow :yikes uups, gehts mir noch gut? das ist ja eine selbstbeschreibung! :rolleyes :pille
    ;-) :chen- Sorry, jeder, der sich jetzt irgendwie angerührt fühlt, sehe die letzten bemerkungen als satirische überzeichnung des ist-zustandes an geisteswissenschaftlichen institutionen...
    Ich halte mich nur an das gute alte tiroler sprichwort:
    's ziach si a jeder selbst bei der nosn,
    wos di ned brennt, tuascht a nit blosn.


    Edit... akademische rechtschreibfehler über rechtschreibfehler :bonk

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Iris, Du hast mich verführt.
    Ich stand vorhin in der Buchhandlung udn nichts wollte mir so recht gefallen (selten, selten!). Da hab ich Tilman Röhrig "Wie ein Lamm unter Löwen" entdeckt. Ich denke, das ist eine gute Lektüre nach Heinrich Raspe:


    Im Jahre 1194 wird am zweiten Weihnachtstag auf dem Marktplatz von Jesi ein Kind geboren: Friedrich, der Sohn des Kaisers Heinrich und seiner Frau Konstanze. Wild und ungebändigt wächst der Junge in den Gassen von Palermo auf, regiert später das Kaiserreich und stirbt 1250 nach einem erfülltem Leben - und jahrelanger Auseinandersetzung mit dem Papst. Im Jahre 1284 verkündet ein würdiger alter Mann mit schneeweißem Haar auf dem Marktplatz von Köln: ”Ich bin Friedrich der Staufer. Ich bin nicht, wie ihr glaubt, vor vielen Jahren gestorben, sondern nach einer langen Pilgerfahrt aus dem Heiligen Land zurückgekehrt, um Frieden zu bringen.” Die Zuhörer sind erstaunt, welche Einzelheiten aus dem Leben des Kaisers der Unbekannte kennt. Der Mann kann kein Betrüger sein! Aber wer ist er dann? Die Gestalt Friedrichs II., den man ”das Staunen der Welt” nannte, steht im Zentrum des Mittelalters. In seinem farbenprächtigen Roman schildert Tilman Röhrig das Leben des Herrschers - und dasjenige des Mannes, dessen einzige Aufgabe es war, Friedrich zu dienen.


    :wave Silke

  • Zitat

    Original von beowulf
    Ich fand gerade dieses Aufbrechen aus der Erinnerung, das dadurch bewußt fragmentarische die Frage der Fragen: "Was bleibt am Schluße eines Lebens" so interessant.


    Wobei ja die interessante Frage nicht nur ist, an was sich Heinrich am Ende seines Lebens erinnert, sondern auch wie er sich erinnert! Da gäbe es ja vielerlei Möglichkeiten und hier hat sich Iris für eine entschieden.


    @ Herr Palomar
    erinnerst Du Dich noch an Marke? Der erinnert sich in seiner Reflexion seiner eigenen Person und seines Umfelds so ganz anders wie der Heinrich.

  • Zitat

    Original von Iris
    Liebe Silke, ich wollte kein Geschichtsbuch schreiben, sondern einen Roman. Ich möchte auch nicht durch einen Anhang ein Geschichtsbuch daraus machen, denn das lenkt m.A.n. vom eigentlichen Thema des Romans ab.


    Da jeder Leser und jede Leserin andere Dinge vertieft sehen möchte und ein historischer Apparat deshalb enorm viel Platz in Anspruch nehmen würde, wäre es sinnvoller, wenn ich auf meiner Internetseite weiterführende Informationen bereitstelle. Das aber kann ich erst, wenn ich wieder einen PC habe und auf meine Daten zugreifen kann.


    Liebe Iris, ich habe jetzt verstanden, daß Du keine Romanbiographie, kein Geschichtsbuch schreiben wolltest, sondern einen literarischen historischen Roman, wobei der Kern für Dich sein literarisches Wesen ist (bitte korrigiere mich, falls ich das falsch verstanden haben sollte).


    Du denkst, daß ein Anhang aus Deinem Roman ein Geschichtsbuch machen würde.


    Ich sehe das eigentlich nicht so, weil das allein davon abhängt, was Du in Deinem Anhang schreibst und wie Du es schreibst.


    Ich denke viel mehr, daß der Anhang eine Chance darstellt.


    Ich kenne viele an literarischen Werken interessierte Leser, die gerne mal einen literarischen historischen Roman lesen würden, von ihrem Hintergrund her aber keine Geschichtsexperten sind. Gerade die literarisch interessierten Menschen haben aber häufig besondere Ansprüche hinsichtlich des Textverständnisses und wären sicher über weitere Informationen dankbar. Natürlich hatte ich eine Reihe von Deutschlehrern, die die Ansicht vertreten haben, daß wer ein literarisches Werk rezipieren will, sich geschichtlich sehr gut auskennen sollte. Leider hat aber jeder nur eine endliche Zeit im Leben und wer sich nicht für einen entsprechenden Beruf entschieden hat, verfügt nur über eingeschränkte Möglichkeiten, sich allem dem zu widmen, was ihn interessieren würde (ich glaube, ich könnte ein ganzes Leben mit studieren zubringen).


    Die Möglichkeiten des Internets helfen heute natürlich enorm, um sich für ein Textverständnis notwendige Informationen zu erarbeiten. Allerdings gibt es immer noch viele Leute, die nicht so einfach Zugang zu einem PC haben und es gibt viele Leute, die Lektüre an vielen Orten, aber nicht am Schreibtisch lesen.


    Insofern stellt der Anhang in meinen Augen eine Chance auf einen entsprechenden Leserkreis dar.

  • Pelican
    meinst Du nicht, dass ein Hinweis auf eine Homepage heute nichts anderes als früher ein Anhang weiterführende Literatur ist? Beides erfordert einen Leser, der bereit ist weiteren Aufwand zu betreiben. Ob er in die Bibliothek geht Bücher zu suchen, oder ins Internetcafe zum PC, wo ist der Unterschied?

  • Ich habe ja nichts dagegen, wenn Leser Forderungen nach einem historischen Apparat stellen, finde allerdings, es darf nicht so dominant werden, daß es den Charakter eines Romans als "Stück Literatur" dominiert und verblassen läßt.


    Der Umfang des Anhangs wurde gemeinsam zwischen mir und meinem Lektor entschieden. Solche Entscheidungen sind immer Kompromisse.


    Ich stelle je gerne zusätzliches Material zur Verfügung, aber ich glaube nicht, daß der Verlag das Projekt noch einmal in den Satz schickt, um den Anhang zu erweitern. Taschenbücher sind ohnehin knapp kalkuliert. Die Leser, die immer wieder die hohen Buchpreise beklagen, ahnen nicht, wieviel menschliche Arbeitskraft in einem Buch von der Idee bis zur Herstellung stecken. All diese Leute, von denen wirklich keiner mehr verzichtbar ist, wollen ihre Arbeit auch angemessen bezahlt wissen -- wie jeder von uns! Von "raffgierigen Verlegern" kann eigentlich keine Rede sein. :-)


    Aber wenn das Buch ein Longbestseller wie Die Päpstin werden sollte, kann man ja eines fernen Tages die Herausgabe einer historisch-kritischen Edition vorschlagen, in der in Fußnoten alle Quellen samt zugehöriger Forschungsdiskussion aufgeführt werden. Die Frage ist, wer will ein Buch lesen, dessen Seiten zu 70 % aus Fußnoten bestehen. :lache