Der Mond aus dem poetischen Titel dieses Romanerstlings ist nicht der Mond am Himmel, sondern ein Mond aus Stoff und weichem Füllmaterial, Kuschelmond, Trostmond. Er gehört der kleinen Alena und sie hat, wie man gleich auf den ersten fünf Seiten des Buchs erfährt, Trost sehr nötig. In einer einzigen traumatischen Nacht verliert sie ihre Familie, Vater, Bruder und Mutter. Zehn Jahre später, Alena ist jetzt Anfang zwanzig und Medizinstudentin, liegt der Stoffmond immer noch auf in Alenas Bett oder auch in ihren Armen, wenn sie von Albträumen geplagt wird. Aber auch bei Tag findet Alena wenig Ruhe. Da sie eine sehr schöne Frau ist, zieht sie viele Männer an. Da ist z.B. Vlado, der Kickboxer, oder auch Martin, der Forstgehilfe. Einlassen aber möchte sie sich mit keinem. Die jungen Männer denken anders darüber und bringen Alena dermaßen in Bedrängnis, daß sie eine Beziehung mit Vlado eingeht. Liebe hat damit nichts zu tun, ohnehin ist Alena fest davon überzeugt, daß sie nie jemanden lieben wird. Sie hat aber nicht mit ihrem eigenen Herzen gerechnet und als der Maler Ondrej auftaucht, der beste Freund Vlados, fällt es ihr immer schwerer, ihren Entschluß aufrechtzuerhalten. Doch das Geheimnis jener Nacht zehn Jahre zuvor wiegt ebenfalls schwer und ist durchaus geeignet, Alena endgültig zu zerstören.
Das sind Ausgangslage und Ingredienzien einer sehr gefühlvollen Geschichte über verschiedene Formen von Mißbrauch, körperliche wie seelische. Beim Lesen ist man immer sehr nah an der Hauptfigur, gleich, ob sie als Kind die Stirn wundreibt am Knie des Gekreuzigten, ob sie als junge Frau herumgeschubst wird, mißverstanden, verrufen, geprügelt und schließlich noch verschleppt. Da ist viel Leid, das ist viel Leiden. Die Männer um Alena leiden an unerwiderter Liebe, falschen Erwartungen und überhaupt. Magdalena, die beste Freundin leidet, weil sie sich häßlich fühlt und keiner sie haben will, Petr, der abgebrochene Bäckergeselle, leidet, weil er der ewige Zweite ist oder gleich ein Versager, der nur im Scheinwerferlicht von Stars wie Vlado eine Chance zu haben scheint, Ondrej leidet, weil er das Geheimnis um Alena nicht lösen kann. Ach, die vielen Tränen, die da geweint werden, im hellen Schein des Mondes.
Gut, daß es den Schnaps gibt und kräftige Männerfäuste. Die Natur. Die Malerei, die Allerwelts - Philosophie und den Glauben, die uns alle lehren, wie klein der Mensch ist und wie groß die Liebe. Sie überwindet alles und so wird doch noch alles, alles gut, da am Ende, mit Alena im Krankenhausbett und Ondrej betend an ihrer Seite.
Ein schlechter Roman? Ja und nein. Unleugbar ist der Hang zu Klischees, Stereotypen, Trivia. Unleugbar die Neigung des Autors zugunsten greller Gewaltszenen oder aufgesetzt tiefsinniger Träume auf das zu verzichten, was einen guten Roman ausmacht: die innere Entwicklung der Figuren. Zu fest sind von vorneherein die Charakterisierungen, der Handlungsablauf, die Bedeutung. Darunter leiden vor allem die Hauptfiguren, Alena, Vlado und Ondrej, die kaum Bewegungsspielraum bekommen. Etwas mehr Glück haben Petr und Magdalena, die als untergeordnete Personen nicht die volle Aufmerksamkeit des Autors bekamen und sich deswegen etwas freier bewegen dürfen. Allerdings werden auch sie zuletzt ins Korsett des Herkömmlichen gezwungen. Es ist schade um die Lebendigkeit, die sie zeitweilig entwickeln. Die Mutter Alenas gerät zur Karikatur, die Großmutter bleibt ein Wort, am Forstgehilfen werden bloße Gewaltphantasien abgearbeitet.
Hin und wieder war offenbar auch das Lektorat von den Geschehnissen so mitgerissen, daß einiges durchrutschte an Ungeschicklichkeiten, die nicht nötig gewesen wären.
Was das Ganze letztlich rettet, ist die Fähigkeit des Autors, Atmosphäre aufzubauen, durchzuhalten und – keine geringe Kunst – damit zu arbeiten. Stimmungen hinzuhauchen, die dann in den LeserInnen punktgenau ihre Wirkung entfalten. Einsichten und Ansichten kommen da hin und wieder aufs Papier, die verblüffend sind, nicht selten verblüffend schön. Gott, der im Weltall über die Erde stolpert wie über eine kleinen bunten Stein z.B., Magdalenas Gedanken über sich und die Männer beim Spülen, die Idee mit dem Stoffmond.
Auch Spannung ist da und man kann sich ihr hingeben. Da wächst durchaus ein echter Erzähler heran.
Das Buch wird seine LeserInnen finden bei all denen, die sich für die Grundthematik - Mißbrauch - interessieren und sie sind damit keineswegs schlecht bedient. Wer höchst gefühlvolle Liebesgeschichten mit einem Schuß Horror und Gewalt mag, wird ebenfalls schöne Lesestunden damit erleben.