Berlin - Moskau - Wolfgang Büscher

  • Kurzbeschreibung:
    Wolfgang Büscher ist zu Fuß von Berlin nach Moskau gelaufen. Allein. An die drei Monate. Im Hochsommer hat er die Oder überquert, an der russischen Grenze hat er die Herbststürme erlebt und vor Moskau den ersten Schnee. Büscher erkundet Menschen, Orte und Geschichte - teils entlang Napoleons Weg und ziemlich exakt an dem der Heeresgruppe Mitte.


    Über den Autor:
    Wolfgang Büscher, 1951 bei Kassel geboren, ist vielfach ausgezeichneter Journalist und Buchautor. Er war für die Magazine der "Süddeutsche Zeitung", der "Neuen Zürcherr Zeitung" und für "GEO" tätig. Bei der "Welt" leitete er zuletzt das Ressort Reportage. Heute ist er Autor bei der "Zeit". Für seine Reportagen erhielt Büscher 2002 den Theodor-Wolff-Preis. Für das vorliegende Buch wurde er 2003 mit dem Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik ausgezeichnet. Für sein jüngstes Werk "Deutschland, eine Reise" wurde er 2006 mit dem Ludwig-Börne-Preis geehrt.


    Meine Meinung:
    2500 km allein zu Fuß unterwegs – das ist der Weg, den Wolfgang Büscher von Berlin nach Moskau gegangen ist. Das alleine verdient schon tiefe Bewunderung und größten Respekt, doch sein Reisebericht lässt auch andere Menschen an dieser faszinierenden Reise teilhaben. Bemerkenswert, dass er es schafft, die Strapazen der Reise deutlich zu machen, ohne nur einen Moment zu klagen oder die Entscheidung für diese Reise wirklich zu bereuen. Dafür ist sie zu wert- und eindrucksvoll und Eindrücke gibt es viele, die geschildert werden können. Spannend und doch authentisch erzählt er von der Landschaft und den Gedanken, die ihm beim Gehen kommen, doch vor allem von den Menschen, die ihm unterwegs begegnen. Diese Begegnungen sind es, die ein Bild der russischen Seele, den wahren Weg von Büscher ausmachen. Das deutsch-russische Verhältnis ist geprägt von Erinnerungen, doch nicht alle Erinnerungen sind schlecht und nicht alle Geschichten, die unterwegs erzählt werden, traurig. Doch wovon sie auch immer handeln, sie sind vor allem lebendig und echt, das macht Büschers Reisebericht aus – er ist echt: in seiner Poesie und in seinen Ereignissen, in seinen Eindrücken und Erfahrungen. Ein wirklich lesenswertes Buch, das dem Leser ein sehr persönliches und beeindruckendes Bild von dem Weg nach Moskau vermittelt!

  • Bei mir stand das Buch lange ungelesen herum. Letzte Woche habe ich es dann endlich angefangen...


    Wenn man liest, dass Büscher von Berlin nach Moskau zu Fuss gehen will, macht das natürlich neugierig. Was für eine Strecke! Durch Deutschland, Polen, Weissrussland, dann noch einen Teil von Russland durchqueren, bis endlich Moskau erreicht wird. Einfach unglaublich. Umso schöner, dass Büscher nicht die körperliche Leistung in den Mittelpunkt seiner Reisebeschreibung stellt, sondern die Reise zu Fuss an sich. Die langen Stunden, in denen er nur einen Fuss vor den anderen setzt, die Monotonie der weiten russischen Landschaft, die Verlorenheit. Anfangs in Deutschland und Polen geht das Wandern noch recht leicht, es gibt genügend Übernachtungsmöglichkeiten und auch etwas zu essen findet sich ohne Probleme. Doch in Weissrussland angekommen, wendet sich das Blatt: Das Land ist deutlich dünner besiedelt, die Entfernungen zwischen Dörfern und kleinen Weilern größer... Büscher ist noch stärker als vorher auf sich allein gestellt. Er übernachtet in Bahnhofshallen, in heruntergekommenen Herbergen, wo auch immer. Das, was auf seinem Weg liegt, muss er mitnehmen, eine andere Wahl hat er nicht. Zum Teil läuft er 9 Stunden am Stück weiter Richtung Osten, weil er weiß, dass er sonst bis zur Abenddämmerung das nächste Dorf nicht erreichen wird (und damit verbunden die Aussicht auf einen Schlafplatz und etwas zu essen). Trotz all dieser Schwierigkeiten wird dennoch deutlich, dass Büscher den Osten liebt und aufblüht, je näher er Moskau kommt. Alles liegt auf seinem Weg, merkwürdige Käuze, Überfälle, liebe Menschen, Altkommunisten, glückliche Zufälle und jede Menge Geschichten, die Menschen in Westeuropa absurd und liebenswert zugleich vorkommen müssen. Ein sehr lesenswerter Reisebericht!

  • Ich habe das Buch von einem Flohmarkt mitgenommen. Zu Fuß von Berlin nach Moskau! Da erwartete ich eine Geschichte entsprechend Jakobswegsberichten, ein Buch über die Überwindung der eigenen Grenzen, das Kennenlernen seines eigenen Ichs.
    Aber dieses Buch ist etwas ganz anderes. Es geht nur am Rand um den Autor. Seine enormen körperlichen Strapazen sind ihm kaum der Rede wert. In erster Linie ist es ein Buch über Begegnungen: Begegnungen mit Menschen, Ländern und der Geschichte. Denn der Autor wandert auf dem Weg, den die deutsche Wehrmacht auf ihrem Russlandfeldzug ging.
    Dabei zählt er keine Fakten auf, sondern lässt die Menschen direkt oder indirekt erzählen, teils in ganzen Lebensgeschichten, teils aber auch in kurzen Dialogen oder sogar wortlosen Begegnungen.
    Es sind viele Berichte über Kriegserlebnisse dabei.


    Mit der Landschaft verändert sich die Stimmung. Er durchwandert hübsche Dörfer, friedliche Stadtviertel, endlose ebene Weite, trostlose Dörfer, kommunistische, pompöse Großstädte, verkommene Kleinstädte.


    Aber gerade auch die kleinen, sehr einfühlsamen Beobachtungen machen dieses Buch so lesenswert.
    Büscher erlebt eine sehr berührende geistige, fast schon spirituelle Begegnung mit seinem Großvater auf einem Soldatenfriedhof. Er tut einen Blick in die Seele eines Alkoholikers durch dessen Albträume und Schlaflosigkeit.
    Äußerst erheiternd ist das Deutschlehrerinnen-Netzwerk in Polen, vor dem er schließlich "fliehen" muss. Eher beiläufig erwähnt er den Genuss eines frisch bezogenen Bettes und warmes Wasser zum Duschen.
    Manchmal hatte ich das Gefühl, dass der Autor bei der Beschreibung einzelner Szenen abrupt abbricht. Doch dann setzt die Phantasie ein und man stellt fest, dass eigentlich alles gesagt ist.


    Büscher schafft es, mit seiner bildreichen Sprache Stimmungen fühlbar zu machen. Nur selten fand ich eine Metapher zu wuchtig.
    Er spannt einen Bogen von Gegenwart zur Vergangenheit, von Ost nach West, vom Großen zum Kleinen, vom Namenlosen zu Personen, z.B. von endlosen Getreidefeldern bis zu einer Schnecke, die den Grabstein von Emil und Minna Munk hochwandert (sie hat ihn um 22 Jahre überlebt).


    Ein lesenswertes Buch! Ich werde sicher noch mehr von diesem Autor lesen.