Hinrichtung in Florida/Hinrichtung S. Hussein

  • Zitat

    Original von licht
    Die Todesstrafe ist nach meinem Wissen gerade für die besonders frommen undenkbar. Das Recht über das Leben zu urteilen hat danach nur Gott.


    Dieser Ansatz gilt für Adventisten, Zeugen Jehovas, Mennoniten (Amish) etc. also die pazifistisch orientierten Strömungen, die übrigens bestens in der Abolishment-Bewegung organisiert sind.


    Aber Evangelikale (z.B. "New-born Christians") sowie konservative Puritaner (konservativ nach heutigen Maßstäben), also die breite Masse der religiösen Bewegungen, die sich auch gerne unter dem Begriff der "moral majority" subsumieren (darunter sind jede Menge einflußreiche TV-Prediger), betrachten die Todesstrafe als gottgewollt. Sehr viele sind sogar der Überzeugung, das Ganze werde viel zu lasch gehandhabt, das bestehende System, das Verurteilten Revision erlaubt, sei "schändlich" bis "gotteslästerlich". Sie akzeptieren bestenfalls Begnadigungen (eine Vorstellung, die aus dem Gottesgnadentum des 17./18. Jhs. stammt).


    Wenn du dir die "mega-churches" usw. anschaust, sind ausgerechnet diese Bewegungen massiv auf dem Vormarsch -- zu ungunsten der pazifistischen Strömungen.


    (Randbemerkung: Im Gegensatz zu den europäischen Verhältnissen ist die "religiöse Landschaft" in den USA extrem bunt, geradezu chaotisch, da jedermann sich jederzeit zum "Reverend" ernennen und eine neue "Kirche" eröffnen kann. In diesem Durcheinander ist es auch sehr schwierig, tatsächliche christliche Kirchen und Gemeinschaften von Sekten oder eher psychopathologischen Grüppchen abzugrenzen; das Spektrum ist extrem vielfältig und die Grenzen verschwimmen.)

  • Ausserdem ist in den USA das Strafmass Sache der jeweiligen Bundesstaaten. Während in Massachusetts läbenslänglich das höchste Strafmass ist, ist es in Kalifornien die Todesstrafe.
    Schwierig.


    Für mich ein sehr schweres Thema, ich würde gerne Mörder aus dem Weg geschafft wissen, bin mir aber noch nicht im Klaren, ob ich lebenslänglich in einer Einzelzelle nicht für die schlimmere Strafe halte - so der Mörder nie wieder das Sonnenlicht erblickt.

  • Zitat

    Original von Oryx
    Ausserdem ist in den USA das Strafmass Sache der jeweiligen Bundesstaaten. Während in Massachusetts läbenslänglich das höchste Strafmass ist, ist es in Kalifornien die Todesstrafe.
    Schwierig.


    Ja, in der Tat.
    Und selbst Staaten, die offiziell noch die Todesstrafe als Höchststrafe haben, verhängen diese nicht mehr unbedingt. So hat z.b. New Jersey noch die Todesstrafe und auch Verurteilte, aber seit 1976 ist keine Hinrichtung mehr erfolgt.


    Die Bundesstaaten, die die Todesstrafe aus ihrem Gesetzbuch gestrichen haben sind allerdings deutlich in der Minderheit. Da wären: Alaska, Hawaii, Iowa, Maine, Massachusetts, Michigan, Minnesota, North Dakota, Rhode Island, Vermont, West Virginia, Wisconsin und noch der Dist. of Columbia
    (http://www.deathpenaltyinfo.org/state/)



    Ganz interessant zu lesen auch hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Todesstrafe_in_den_USA

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Hallo!
    Ohne mich zu tief in die Diskussion einmischen zu wollen (denn das Thema ist so vielschichtig, wie es Menschen udn Meinungen gibt): ich bin noch immer tief beeindruckt von Juan Melendez, den ich im Frühjahr hier zu Gast haben durfte. Juan saß 18 Jahre lang unschuldig in der Todeszelle und nur ein Zufall (das Tonband mit dem Geständnis des wahren Mörders fiel einem jungen Richter aus dem Regal vor die Füße) kam er frei.
    Und Juan ist nicht der einzige, der unschuldig im Todestrakt sitzt. Mal abgesehen von Schuld oder nicht - die Bedingungen, unter denen die Männer und Frauen leben müssen, sind unvorstellbar. Vegetieren wäre das bessere Wort. Einer meiner Brieffreunde schrieb mir letzte Woche, er sei tot, seit er in diesem Käfig sitze. Die Ratten bekämen besseres Essen, die Sonne hat er seit 15 Jahren nicht mehr gesehen.
    Sicher, es wird nun Stimmen geben: wenn aber einer einem Kind etwas antut, dann soll er die Sonne auch nicht mehr sehen. (Ich weiß nicht, obwohl ich oft darüber nachgedacht habe, wie ich reagieren würde, täte einer meinen Kindern etwas an!!!).
    Für mich jedenfalls gibt es keine Frage, ob die Todesstrafe Sinn macht oder nicht. Die Fakten sprechen für sich - weder sinkt in den Staaten, die die Death Penalty haben, die Kriminalitätsrate, noch schreckt das ab.
    Ich erinnere mich sehr gut an einen Satz, den Juan mir sagte: Du kannst den Menschen nicht mit Argumenten kommen - Du musst ihnen klar machen, wie teuer eine Hinrichtung ist. Ich schätze, da hat er Recht. Leider.
    :knuddel1 Silke

  • Zitat

    Was bleibt denn dann als Argument für die Todesstrafe.


    Befreiung der Menschheit von einem gefährlichen Individuum?
    Gefahrenabwehr quasi...


    *wieder wegflitzt*

  • Eingesperrt sein birgt immer die Möglichkeit der Befreiung....


    Wie gesagt, ich plädiere nicht für eine Todesstrafe, ich gebe nur Dinge zu bedenken..... :-]

  • Zitat

    Original von Oryx
    Tja, je besser der Anwalt, desto besser besser das Urteil für den Angeklagten.


    Yo und letzendlich ist das Geld, wie so oft entscheidend.


    Zum Thema, ja Hinrichtungen, Todesstrafen sind grausam und sollten abgeschafft werden.
    Mörder sind aber auch grausam, die interssiert auch nicht was sie anrichten.


    Und das die Todesstrafe nicht abschreckend wirkt, ist auch hinlänglich bekannt, was also tun?!?!


    Sehr schwieriges Thema !


    keinkomma
    dein Beitrag stößt mir irgendwie negativ auf...ich kanns nur nicht artikulieren

  • @ Oryx
    Genauso ist das auch bei mir...


    Es sprechen 100 Dinge dagegen und 100 Dinge dafür.... ich stehe in der Mitte und gucke bedröppelt.


    Vor kurzem hat jemand mal zu mir gesagt, "Du mußt doch eine Meinung dazu haben!"
    "Nein, muß ich nicht."
    War meine Antwort.... :-]

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Vor kurzem hat jemand mal zu mir gesagt, "Du mußt doch eine Meinung dazu haben!"
    "Nein, muß ich nicht."
    War meine Antwort.... :-]


    Man kann auch ganz ehrlich sagen im warmen Zimmer an der PC- Tastatur bin ich Gegner der Todesstrafe mit Kopf und Verstand, aber was ist wenn ich Betroffener bin, wenn es mein Kind, Vater, Mutter, Volk, Gemeindemitglied, Freund, Kollege ist...., wer weis dass ohne es erlebt zu haben.

  • Zitat

    Original von beowulf


    Man kann auch ganz ehrlich sagen im warmen Zimmer an der PC- Tastatur bin ich Gegner der Todesstrafe mit Kopf und Verstand, aber was ist wenn ich Betroffener bin, wenn es mein Kind, Vater, Mutter, Volk, Gemeindemitglied, Freund, Kollege ist...., wer weis dass ohne es erlebt zu haben.


    Das funktioniert auch umgekehrt...
    Ob die Mütter, Ehefrauen, Kinder, Brüder und Schwester derjenigen, die in der Todeszelle jahrelang auf ihre Hinrichtung warten, dann auch noch Befürworter der Todesstrafe sind?



    Ich persönlich wüßte nicht, was mir einen geliebten Menschen, der ermordet wurde zurückbringen sollte. Der Tod des Täters sicher auch nicht.
    Darum wäre das auch kein Trost!

    :lesend
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    Oprah Winfrey

  • Zitat

    Original von janda



    Ich persönlich wüßte nicht, was mir einen geliebten Menschen, der ermordet wurde zurückbringen sollte. Der Tod des Täters sicher auch nicht.
    Darum wäre das auch kein Trost!


    Für die Angehörigen der Opfer ist das wahrscheinlich eine Art Genugtuung, was ich ansatzweise nachvollziehen kann.


    Allerdings bin ich strikt gegen die Todesstrafe, das ist auch nichts anderes als Mord.
    Ich bin froh in einem Staat zu leben, in dem es keine Todesstrafe gibt.

  • Zitat

    Für die Angehörigen der Opfer ist das wahrscheinlich eine Art Genugtuung, was ich ansatzweise nachvollziehen kann.


    Das Argument - obwohl es, wie mir durchaus bewußt ist, ja in diesem Fall kein Argument für die Todesstrafe sein sollte - wird immer wieder gebracht, nicht notwendigerweise in Verbindung mit dem Begriff "Genugtuung", aber zumindest in diesem Tenor. Tatsächlich trifft das nicht zu, oder nur selten. Für die meisten Angehörigen ist schon der Prozeß eine extreme Belastung, und jemand anderen sterben zu sehen oder zu wissen, daß er getötet werden wird, "befriedigt" - glücklicherweise - nur eine äußerst geringe Anzahl von Menschen. Strafe soll auch nichts mit Wiedergutmachung oder ähnlichen Aspekten zu tun haben, außer in Zivilprozessen. Es ist nicht die Aufgabe einer Bestrafung, die Betroffenen in irgendeiner Form zu entschädigen. Und, wie gesagt, die Mär von den "zufriedengestellten" Hinterbliebenen wird von der Unterschichtpresse gerne kolportiert, in Wirklichkeit trifft das nur selten die Gefühle dieser Menschen.

  • Zitat

    Original von Tom


    Und, wie gesagt, die Mär von den "zufriedengestellten" Hinterbliebenen wird von der Unterschichtpresse gerne kolportiert, in Wirklichkeit trifft das nur selten die Gefühle dieser Menschen.


    Was sonst sollten die Gefühle der Hinterbliebenen sein?


    Trost ist es wahrscheinlich nicht.
    Als was dann ?
    Rache?
    Gerechtigkeitempfinden?


    Da erscheint mir eine Art Genugtuung noch am wahrscheinlichsten.


    Eine Antwort könne nur die Hinterbliebenen geben und da hat wahrscheinlich jeder andere Empfindungen.


  • Kann sein, ich würde diese Gefühle aber nicht unwesentlich nennen.
    Wie ich schon sagte, jeder Hinterbliebene hat da wahrscheinlich seine ureigenen Empfindungen....und Genugtuung könnte durchaus auch dabei sein.
    Das wäre nur menschlich, klingt allerdings wenig populär.

  • Hallo, Frl. Smilla.


    Zitat

    Was sonst sollten die Gefühle der Hinterbliebenen sein?


    Mein kleiner Bruder ist - das ist allerdings schon sehr lange her, ich bitte also darum, auf nachträgliche Beileidsbekundungen zu verzichten - durch einen betrunkenen Fahrer schwer verletzt worden, schlußendlich ist er an seinen Verletzungen gestorben. Es gab für eine kurze Zeit Gefühle wie Wut auf diesen Fahrer, aber, wie gesagt, nicht sehr lange. Das spielte letztlich überhaupt keine Rolle, weil die Gefühle in Bezug auf meinen Bruder alles überdeckten; Gedanken an Rache oder irgendeine Form von "ausgleichender Gerechtigkeit" gab es nie, auch bei den anderen Mitgliedern meiner Familie nicht. Im Prozeß gegen diesen Fahrer sind wir als Nebenkläger aufgetreten, aber das einzige Gefühl, das ich in diesem Zusammenhang noch erinnere, war der Wunsch, diese Sache (den Prozeß) möglichst schnell hinter uns zu bekommen. Kein Urteil der Welt und keine denkbare Bestrafung hätte irgendwas geändert oder wieder gutgemacht, geschweige denn "Genugtuung" verschafft. Das war einfach nicht Bestandteil unserer Gefühlswelt.


    Wenn ich - als Schöffe - Nebenkläger, Opfer oder Zeugen in Strafprozessen, bei denen es um Gewalttaten ging, erlebe, dann habe ich äußerst selten das Gefühl, daß sie von dem Wunsch beseelt sind, der Angeklagte möge ein ähnliches Schicksal erleiden wie sie selbst oder das Opfer. Wenn wir über die Möglichkeit reden und spekulieren, selbst oder indirekt Opfer einer solchen Tat zu werden, denken wir schnell und gerne, daß Rache und Genugtuung eine Rolle spielen würden. Das ist die Gefahr bei solch spekulativem Denken, man kann Situationen nicht gedanklich vorwegnehmen, in denen man noch nie war. In der Realität ist es anders. Glücklicherweise. Und, wie gesagt. Es ist auch nicht die Aufgabe der Justiz, für die sogenannte "ausgleichende Gerechtigkeit" zu sorgen.