Hinrichtung in Florida/Hinrichtung S. Hussein

  • Es ist eben nicht so.


    Da gibt es das Opferanspruchssicherungsgesetz, das die Verpfändung dieser Gelder für die Opfer ermöglicht (seit 1998), darüberhinaus gibt es (theoretisch schon lange, praktisch wenig angewandt) im Strafverfahren Ansprüche der Opfer sofort mit geltend zu machen (sog. Adhäsionsverfahren).

  • Ich hatte allerdings in Spiegel Online gelesen, dass dieser Magnus Gäfgen angeblich das erste Mal nicht mit der Stiftung durchgekommen war, weil es ethisch nicht korrekt war. Ich erinnere mich jetzt nicht genau an den korrekten Terminus, aber das hiess irgendwie sowas wie sittenwidrig.


    Man sollte vielleicht auch erwähnen, dass die UNO die Todesstrafe ablehnt.


    Persönlich bin ich nach dieser Diskussion immer noch unschlüssig, ob ich nun für oder gegen die Todesstrafe bin. Justizirrtümer sind wohl hoffentlich in Europa nicht so häufig.

  • beowulf : Das Opferanspruchssicherungsgesetz vom 1998 ist für den Fall gedacht, daß Ansprüche der Opfer (Schadenersatz, Schmerzensgelder) bestehen, die vor oder zum Zeitpunkt des Haftantritts noch nicht beglichen wurden. In diesem besonderen Fall gilt ein Pfandrecht der Opfer auf durch Veröffentlichung entstandene Einnahmen des Täters. Wie gesagt, nur für den Fall, daß es solche Ansprüche noch gibt (bei "Dagobert" aus Zivilprozessen der geschädigten Erpressungsopfer). Das hat alles mit dem Dürfen nichts zu tun. Und wenn es keine Ansprüche gibt, darf der Täter diese Einnahmen auch behalten.


    Allerdings darf er dadurch keine erneuten Straftaten begehen, etwa durch Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Auch die Opfer und deren Hinterbliebene haben Rechte an "dieser Geschichte".


    § 1 Gesetzliches Forderungspfandrecht
    (1) 1Es besteht ein Pfandrecht an einer Forderung, die ein Täter oder Teilnehmer einer rechtswidrigen Tat im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 5 des Strafgesetzbuches (Gläubiger) im Hinblick auf eine öffentliche Darstellung der Tat gegen einen Dritten (Schuldner) erwirbt. 2Ein Pfandrecht besteht auch, wenn die öffentliche Darstellung die Person des Täters oder Teilnehmers, insbesondere seine Lebensgeschichte, seine persönlichen Verhältnisse oder sein sonstiges Verhalten, zum Gegenstand hat und wenn die rechtswidrige Tat für die öffentliche Darstellung bestimmend ist; dies gilt nicht, wenn zwischen der Tat und der öffentlichen Darstellung mehr als fünf Jahre verstrichen sind. 3Die Frist beginnt, sobald die Tat beendet ist. 4Die §§ 187, 188 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden Anwendung.


    (2) Eine Forderung nach Absatz 1 kann vor ihrem Entstehen nicht abgetreten werden.


    (3) Pfandgläubiger ist, wer als Verletzter im Sinne des § 172 Abs. 1 der Strafprozeßordnung anzusehen ist und infolge der rechtswidrigen Tat einen Schadensersatzanspruch gegen den Täter oder Teilnehmer hat; das Pfandrecht sichert diese Forderung.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Beispiel:
    So ist zwar schwer verständlich, aber Realität, dass Straftäter an der Vermarktung ihrer Straftat gutes Geld verdienen konnten. Das Bücherschreiben und Excklusivinterviews geben kann man den Tätern nicht verbieten- das erzielte Geld abschöpfen mittlerweile schon.


    Geld abschöpfen? 2,5 Mio. muss er an den Karstadt-Konzern zahlen, insofern dürfte er bis an sein Lebensende eine arme Kirchenmaus sein.

  • Tom


    Zitat

    Original von beowulf
    Das Bücherschreiben und Excklusivinterviews geben kann man den Tätern nicht verbieten- das erzielte Geld abschöpfen mittlerweile schon.


    Genau das wollte ich mit diesem Satz sagen und anschliessend auf Alexx Fragen hin erläutern. :wave

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Zitat

    Original von Tom
    Jemand schrieb weiter oben als Antwort auf mich, daß wir etwas wie das "Recht des Stärkeren" ja hätten, weil bei uns eine Mehrheit die Richtlinien festlegen würde, und eine Mehrheit könnte man als "Stärkeren" verstehen


    Das war ganz bestimmt einer dieser Templer, wenn ich´s dir sage. Oder ein Kreter. :grin
    Ich erspar dir aber dann doch die anstrengende, wenn auch u.U. erfolgreiche Suche und stelle mich.
    Freiwillig.
    Ich schrieb aber nicht, dass bei uns Recht das Recht der Mehrheit sei, sondern dass Recht immer das Recht des Stärkeren (Autoritäts- und Durchsetzungsprinzip) sei - gleichgültig eines Souveräns oder einer Mehrheit.
    Bei etwas mehr Zeitraum und Lust (auch die bräucht´s da) schau ich mir auch gern noch den Rest deines Beitrages mit ruhigerem Auge an.


    Was den Würde Begriff angeht - da gibt´s mehr als einen konkreten Entwurf. Irgendwo. Da weiter oben. Wenn ich mich nicht täusche. :lache


    Zur "Unvorhersehrbarkeit" staatlicher Entwicklungen, ein Schmankerl: Verfassungskreislauf.


    Staat und Mensch sind dasselbe.
    Klar. Nannte sich genaugenommen auch mal: L'état, c'est moi.

  • Zitat

    Original von Waldlaeufer
    Staat und Mensch sind dasselbe.
    Klar. Nannte sich genaugenommen auch mal: L´Etat cest moi.


    Und heute heißt das:

    Wir sind Papst
    Wir sind Deutschland

  • Zitat

    Original von Waldlaeufer
    Ich schrieb aber nicht, dass bei uns Recht das Recht der Mehrheit sei, sondern dass Recht immer das Recht des Stärkeren (Autoritäts- und Durchsetzungsprinzip) sei - gleichgültig eines Souveräns oder einer Mehrheit.


    Diese Definition funktioniert aber nur, wenn man auch einen (vorübergehenden) Bund von Schwächereren gegen stärkere als Recht des Stärkeren definiert und vorallem einen Zusammenschluß gleichstarker zur Verhinderung des Auftretens angeblich Stärkerer- den auf diesem Prinzip basiert unsere Rechtsordnung- das Auftreten des Recht des Stärkeren soll verhindert werden, nicht nur im Strafrecht- sondern auch im wirtschaftsleben, z.B. im Wettbewerbsrecht oder Verbraucherschutzrecht (soll weils nicht immer klappt, siehe Energieoligopole).


    Strafrecht als gesetztes Recht aufgrund einer Einigung aller Schwachen, dieses oder jenes Verhalten muss verhindert werden, so würde ich in der Demokratie die Grundlage definieren.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Hallo Beowulf, ist es nicht doch so, daß es - wie auch immer es gemeint ist - tatsächlich der stärkere sein muß, der Recht setzt und durchsetzt?


    Bei uns ist es der gewählte Souverän, der durch seine demokratische Legitimation zum Stärkeren erklärt wird, der durch die Möglichkeit der Rechtspflege und der Exekutive seine Stärke auch durchsetzen kann.
    Ich habe Waldläufer jedenfalls in diesem Sinn verstanden und das leuchtet mir ein.
    LG Licht

  • Das Originalzitat: Das Recht des Stärkeren bezieht sich aber primär auf Individuen.


    Recht des Stärkeren


    Der Stärkste ist nie stark genug, um immerdar Herr zu bleiben, wenn er seine Stärke nicht in Recht und den Gehorsam nicht in Pflicht verwandelt. Daher entspringt das Recht des Stärksten, ein Recht, das scheinbar ironisch aufgefasst und in der Tat doch als Prinzip anerkannt wird. Aber wird man uns dieses Wort denn nie erklären? Die Stärke ist ein physisches Vermögen; ich begreife nicht, welche sittliche Verpflichtung aus ihren Wirkungen hervorgehen kann. Der Stärke nachgeben ist eine Handlung der Notwendigkeit, nicht des Willens, höchstens eine Handlung der Klugheit. In welchem Sinne kann es eine Pflicht werden?


    Lassen wir dieses angebliche Recht einen Augenblick gelten. Nach meiner Überzeugung ergibt sich daraus nur ein unlöslicher Wirrwarr von Begriffen, denn sobald die Stärke das Recht verleiht, so wird die Wirkung mit der Ursache verwechselt; jede Stärke, welche die erste übersteigt, ist die Erbin ihres Rechtes. Sobald man ungestraft nicht gehorchen braucht, besitzt man das Recht dazu, und da der Stärkste immer recht hat, handelt es sich nur darum, es so einzurichten, dass man der Stärkste ist. Was bedeutet nun aber ein Recht, das mit dem Aufhören der Stärke ungültig wird? Muss man aus Zwang gehorchen, so braucht man nicht aus Pflicht zu gehorchen, und wird man nicht mehr zum Gehorchen gezwungen, so ist man dazu auch nicht mehr verpflichtet. Man sieht also, dass das Wörtlein »Recht« der Stärke nichts verleiht; es ist hier vollkommen bedeutungslos.
    Gehorchet den Gewalthabern! Wenn dies bedeuten soll: gebet der Stärke, der Gewalt nach, so ist das Gebot gut, aber überflüssig; ich bürge dafür, dass es nie übertreten werden wird. Ich gebe zu, dass jede Gewalt von Gott kommt; aber auch jede Krankheit kommt von ihm; heißt das etwa, deshalb sei es verboten, den Arzt zu rufen? Wenn mich ein Räuber im Waldesdickicht überfällt, so muss ich mich der Gewalt fügen und ihm meine Börse geben; verpflichtet mich aber wohl mein Gewissen, sie zu geben, wenn ich imstande wäre, sie ihm vorzuenthalten? Die Pistole, die er mir vorhält, ist ja am Ende doch immer eine Gewalt.
    Gestehen wir also, dass Stärke kein Recht gewährt, und dass man nur verpflichtet ist, der rechtmäßigen Gewalt Gehorsam zu leisten. So taucht meine erste Frage immer wieder von neuem auf.

    (J.J. Rousseau)

  • Zitat

    Original von licht
    Hallo Beowulf, ist es nicht doch so, daß es - wie auch immer es gemeint ist - tatsächlich der stärkere sein muß, der Recht setzt und durchsetzt?


    Man kann diesen Gedanken sogar noch weiter spinnen: im Grunde ist "Recht" nichts weiter als institutionalisierte Gewalt.


    In der Steinzeit war es einfach, Gewalt auszuüben: man mußte nur mit Steinen schmeißen. (Die Intifada probiert diese Methode heute noch) Solange es keine wirklich stabilen Metallpanzerungen gab, war dies eine wirksame Methode, einen Despoten und seine Gefolgshaft zum Teufel zu jagen - daher wurde bis weit in die Bronzezeit hinein z.B. bei den alten Griechen mit Konzepten wie der Demokratie experimentiert.


    Dann kam die Eisenzeit, und mit ihr die römischen Legionen, die große, rechteckige Langschilde vor sich hertrugen. Von da an wurde die Ausübung von Gewalt immer mehr zur Angelegenheit einer gut ausgebildeten Schwertkämpfer-Elite. Den Gipfel erreichte diese Entwicklung im mittelalterlichen Feudalismus, als ein durchtrainierter Ritter in voller Rüstung dem einfachen Volk als quasi unverwundbar erscheinen mußte. Aus jener Zeit stammte auch das von Rousseau kritisierte Fehderecht: wer sich mit einem Ritter anlegen wollte, sei es ein Rechtsstreit oder was auch immer, mußte ihn zum Duell fordern.


    Mit dem Aufkommen einfach zu handhabender Schießpulverwaffen in der Frühindustriailisierung zerfiel diese Machtgrundlage des Feudalismus zusehends: jeder unausgebildete Hansel kann ein Gewehr abfeuern, und die industrieelle Produktion sorgt dafür, daß auch jeder Hansel ein Gewehr erwerben kann. Seitdem ist in der Ausübung von Gewalt wieder Masse statt Klasse angesagt, was die Franzosen als erste erkannten und uns die Segnungen der modernen Demokratie ermöglichten.


    Letztlich ist also das Kriterium, das jeden Staat und jede Rechtsordnung ausmacht, das Gewaltmonopol, das den tatsächlichen Möglichkeiten der Gewaltausübung Rechnung tragen muß.


    Nun herrscht unter zivilisierten Leuten ein allgemeiner Konsens, daß Gewalt an sich etwas zerstörerisches ist, das in der gesellschaftlichen Gesamtbilanz immer (die Opfer) mehr kostet als sie (dem Täter) nützt, weswegen in vielen Fällen die reine Androhung von Gewalt gegenüber ihrer tatsächlichen Ausübung als das kleinere Übel gesehen wird. Nach dem Muster "bevor du mich schlägst, solltest du wissen, daß mein Bruder/Clan/Staat dir noch sehr viel mehr wehtun kann - laß es besser nicht darauf ankommen".


    Was hat das jetzt mit dem Thema zu tun? Ein staatliches Gewaltmonopol zu haben, bedeutet, die Ausübung von Gewalt an eine Institution zu deligieren. Da drängt sich die Frage auf, wieviel Gewalt soll diese Institution denn konkret ausüben? Und die naheliegende Antwort lautet, immer nur so viel, wie unbedingt nötig. Nicht so viel, wie nötig, um sämtliche "private, unkontrollierte" Gewalt zu verhindern - das wäre eh unmöglich - sondern so viel, wie unbedingt nötig, um zu verhindern, daß "private Gewalt" beispielsweise von Mafiagruppen dem Gewaltmonopol ernsthafte Konkurrenz macht. Wenn z.B. eine von ihrer Familie verstoßene Türkin mehr Angst vor der Erschießung durch ihren Bruder haben muß, als der Bruder vor der Festnahme durch die Polizei, dann ist das eine Bankrotterklärung des Gewaltmonopoles.


    Wann kann es "unbedingt nötig" sein, einen Menschen zu töten? Doch nur in Notwehrsituationen, wenn dieser Mensch eine akute, unmittelbare Bedrohung für Leib und Leben anderer darstellt. Ein Gefangener ist für niemanden unmittelbar lebensgefährlich. Ein Gefangener kann durch das, was er zu erzählen hat, eine Gefahr für die Machtbasis seiner Ex-Komplizen werden, aber dies ist keine Lebensgefahr. Einen Gefangenen hinzurichten, gibt der Staatsgewalt mehr macht, als sie haben sollte. Einen Gefangenen hinzurichten, ist immer ein Akt des Terrors, dazu gedacht, potentielle Gegner einzuschüchtern.


    Was das Ganze mit der Menschenwürde zu tun hat? Wer sich dazu hergibt, um des Machterhaltes einiger obskurer Figuren willen einen wehrlosen, unbewaffneten Gefangenen hinzurichten, handelt würdelos. Er verletzt dabei weniger die Würde des Gefangenen (die ist eh unantastbar) sondern ent-würdigt sich vielmehr selbst. Leute, die ihre eigene Menschenwürde so leichtfertig opfern, möchte ich weder in der Justiz noch im Strafvollzug haben.


    Als die Nachricht von Saddams Hinrichtung im Radio kam, wurde mir richtig übel.