Schlangenkampf
Bastl-Wastl ist unser aller Kultfilm und heißt eigentlich Tapetenwechsel. Wir lieben diese Sendung und verpassen keine einzige Folge. -HEUTE- unbedingt ansehen!: Dienstag 19 Uhr Bayern 3.
Eine kurze Zusammenfassung für Bastl-Wastl Nichtkenner: zwei befreundete Paare tauschen für zwei Tage ihre Wohnung und verändern sich gegenseitig einen Raum. Jedes Team bekommt 1500 Euro und dazu einen Designer (der immer ganz höflich und sehr interessiert fragt - was denn *sein* Pärchen sich so bei ihren Freunden vorstellen könnte - um dann huschhusch, Überraschung - all die benötigten Materialien für seine Ideen herbei zu zaubern und jedes zaghafte oder trotzige Aufmucken das Pärchen wird ... naja, die Designer reden viel besser und sind von sich überzeugt und...) ..
Dann wird auf zwei Baustellen wild gearbeitet. Da wird nicht gekleckert, sondern heftig geklotzt und das wirklich ordentlich. Das ganze Geschehen wird für den entzückten Zuschauer -WIR!- in einem 30 Minuten Filmchen zusammen gefasst.. inklusive Pannen und Nöten und Schwierigkeiten...
Allermeistens ist das Endergebnis nur toll und absolut beeindruckend. Manchmal aber auch ganz schön schrecklich. Schrecklich auch in der absoluten Gnadenlosigkeit, mit der da agiert wird. ... wenn jemand sagt: „DAS Sofa da ist von meiner Oma, DAS muss unbedingt hier bleiben. Sonst kann alles weg!" ... dann fliegt mit Sicherheit dieses Sofa raus ... mit einem Grundton des Bedauerns - „ACH soooo schade, eigentlich ein schönes Sofa, aber es passt ja nun mal wirklich gar nicht hier rein!"- aber die Wahrheit ist: Sie genießen es! Da liegt ein latenter Sadismus in der Luft.
Die Wände werden rosa oder; und; oder mit giftgrün gestrichen. Streifen, Tupfen, Flammen oder auch mal fies schlammfarben kombiniert mit leuchtend rot. Very shocking und sehr GENIAL!
Ich finde es grandios. SO mutig! Wilde Tapeten, Sofas aus Kies (ersatzhalber -haha!-), fischige Duschvorhänge im Wohnzimmer, Birken -mit Blättern!- festgeschraubt im Schlafzimmerbett, Plastikrosen- kubikmeterweise-..... da wird geschreinert und gemalt und geschraubt - sie haben einen Kompressor (falls mir jemand etwas schenken will!) und sie schweißen und nähen und streichen. Ignorieren die Trockenzeiten von Lacken - das finde ich immer ganz gut-, hämmern die Ziernägel falsch rein und ziehen sie wieder raus und kämpfen stetig gegen die Zeit. Ich kann es nur empfehlen. So toll.
Einmal haben sie eine Sitzkissen Schlange gebastl-wastlt. Mit Leichtigkeit haben sie das gemacht -ZACK!- war die Schlange fertig, das dauerte nicht länger als eine einzige Kameraeinstellung. Ein langen Schlauch nähen, stopfen, zunähen, noch nett aufrollen und drapieren und arrangieren, dann konnte man sich schon setzen. Die war toll, diese Schlange und die wollten wir auch haben.
Das war nun wirklich nicht die Welt für das Tapetenwechselteam, nur so ein kleines Nebenbei Produkt, WIR haben dafür ein ganzes Wochenende gebraucht.
Weinroter Stoff aus Mircofaser im Reptilienlook, der war gleich gefunden. Aber die Schaumstoffflocken!!
Wir hatten nicht einmal eine ungefähre Vorstellung, welche Mengen wir brauchen würden. VIEL war klar, aber wie viel? Die leere Stoffhülse war über sechs Meter lang und hatte 45 cm Umfang????? FORMEL? Und der Zusammenquetschfaktor? Das blieb nebulös und nicht berechenbar.
Schaumstoff hatten wir sogar selber. Viel davon, das sogar umsonst, lag in unserer Garage. Aber in einem ganz unguten Zustand: uralte Matratzen, die dort eigentlich auf den Sperrmüll warteten. Man musste sie nur geschwind zerhacken (man beachte das NUR!). Und fertig waren die Schlangen-Füll-Flöckchen. Dachte ich mir. Der Gedanke war nicht grundlegend falsch...
NUR!: DAS ZERHACKEN!
Eine fiese Arbeit für draußen und bestens geeignet für Mütter und andere Menschen ohne Nerven und Hemmungen.
Mit einer elektrische Schere und einem Brotmesser, in alten Klamotten, die Haare zum festen Zopf gebunden und habe mich todesmutig in die noch sehr aktiven Milbenkolonien und die verrotteten menschlichen Zersetzungsresten gestürzt. Dichte trockene Dreckwolken stoben bei jeder Bewegung davon. Alte Matratzen sind sehr eklig von innen. Ich bin nicht empfindlich, aber das muss man eigentlich nicht haben. Prädikat: nicht empfehlenswert!
Die zeitliche Chronologie des Schlangenkampfes:
Samstagvormittag: der unbarmherzige Matratzenmord.
Rest des Samstags bis in die Nacht hinein: viele viele viele Waschmaschinenladungen.
Samstagabend: Schaumstoffmassen auf dem Fußboden ausgebreitet. (nein, man konnte nicht mehr laufen)
Samstagnacht: trocknen
Sonntagvormittag: STUNDEN! und lahme Hände um das Zeug handlich zu zerbröckeln und zerkrümeln und zerfetzen
Sonntagnachmittag bis Sonntagabend: Schlangenstopfzeit
Sonntagabend: zunähen und FERTIG!
Nur ein Bild für den Kopf: ein sechs Meter langer, weinroter und prallgefüllter Schlauch hängt aus einem Fenster im dritten Stock und bewegt sich. WIE mag das wohl aussehen?
Oben standen wir, ich und Sohn Max -21 Jahre- (die anderen zwei Familienmitglieder hatten sich schon beim Zerkrümeln verkrümelt ), einer von uns hat den Schlauch aufgehalten, der andere Flocken eingefüllt und gestopft. Geschüttelt und gerüttelt, damit der Schaumstoff fällt und sich staucht und gefüllt und wieder gerüttelt und geschüttelt....
Und das dauerte. Und dauerte. Und dauerte, das war anstrengend, kostete Kraft und brachte gut Muskelkater.
Die Schlange reichte bis auf den Boden und wurde ein dörflicher Anziehungspunkt. Schnell waren viele kleine Kinder da und wollten sie haschen, unsere Schlange. Aber da kam Max in Fahrt -ein sehr philosophischer und sehr abgeklärter und leidender und die ganze Schwere des Lebens auf seinem Rücken tragender junger Mann- und jetzt!?!
Plötzlich war er am kichern und sich amüsieren, der angehende Philosoph. Das hat ihm Spaß gemacht, als es darum ging, mit Hilfe dieser schweren Schaumstoffwurst kleine Kinder zu erwischen. Ziele, die sich bewegen und freuen, wenn man sie mit voller Breitseite -buff!- trifft und umschmeißt. Ich wusste gar nicht, das mein so ahnungslos schöner Sohn noch laut lachen kann. Alleine dafür hat es sich gelohnt.
Nicht nur, denn die Schlange ist ein Traum geworden. Aber eine reicht.