Oliver M. Schmitt ~ AnarchoShnitzel schrieen sie

  • Kurzbeschreibung
    Chaos und Anarchie, Sex, Bullen, Bier und Rock ’n’ Roll? Fehlanzeige! Hier geht’s voll gesittet zu: Peter Julius Hein hat Angst vor dem Osten, und sein tablettensüchtiger Freund Dr. Hollenbach ist gar kein richtiger Arzt. Dennoch brettern die beiden jungen Altpunks nach «drüben», um die Reste ihrer früheren Band wieder zusammenzutrommeln – es droht nämlich ein unverhofftes Comeback. Die Motive der Mitspieler sind dabei höchst ehrenwert: Geldgier, Langeweile, Rache und Sehnsucht nach Liebe. Was in der BRD der Ära Kohl begann, soll in Merkels neuen Ländern seine Erfüllung finden: Peter Heins private Wiedervereinigung mit seinem alten Jugendschwarm, der mirakulösen Sängerin Itty Lunatic. Wie in dem überschäumenden Gefühlschaos dann doch noch Bullen, Bier und Rock ’n’ Roll zu ihrem Recht kommen, erzählt dieser weltweit erste «Punkroman für die besseren Kreise». Ein Roadroman zum Einsteigen und Mitfahren, voller Witz und Ironie. Schmitts unkorrektes Debüt rauscht respektlos durch die gesamtdeutsche Realität von Stuttgart bis Chemnitz, durch die bewegte Punkgeschichte von damals bis heute.


    Meine Meinung
    Der Autor hat rhetorisch einiges auf dem Kasten. Das was er im Buch niedergeschrieben hat, "punk"t viel mehr, wenn er es vorliest. Ich habe ihn (nachdem ich ca. die Hälfte des Romans gelesen hatte) auf einer Lesung erlebt und wurde nicht wieder... Er hat eindeutig das Zeug zum Entertainer... daher schlage ich vor - hört Euch eher das Hörbuch an, als selbst zu lesen... but nevermind...


    Zum Roman: Schmitt versucht (s)eine Punk-Vergangenheit aus den späten 80er Jahren im neuen Jahrtausend aufleben zu lassen - alle Beteiligten waren in ihrer frühen Jugend die Punk Band "Gruppe Senf" (der Name steht eindeutig für Punk :grin), die ihr zwielichtiger Manager "NJN" in den "medientauglichen" Namen ANARCHO SHNITZEL umbenannt hat, obwohl keiner der Bandmitglieder damit einverstanden war.


    Damals als junge Rebellen waren sie gegen alles - heute nur noch indirekt. Sie haben sich mittlerweile "an das System angepaßt", leben mehr oder weniger beständig und sind dennoch hocherfreut, etwas von dem alten Leben zurückzubekommen, als es die Runde macht, dass die olle Punk-Formation "Gruppe Senf" noch einmal (oder überhaupt einmal) live auftreten soll... Es kommt wie es kommen musste - alles kommt anders als sie dachten... aber warum und wieso - lest selbst... oder hört Euch lieber die Geschichte an - das macht viel mehr Spaß!

    Lilli
    "The more you ignore me, the closer I get." [Morrissey]

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  • Das Buch hatte ich letztends in der Hand, aber wieder erst mal weggelegt. Hätte ich doch nehmen sollen? ;-)
    Aber wenn das Hörbuch wesentlich besser sein soll... :gruebel

    _______________________
    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Ich habe vom Verlag das Hörbuch
    bekommen ..


    und: :rofl



    ich habe richtig gut gelacht
    und kann es jedem empfehlen..


    Senf rockt grüße von Elbereth :wave


    ..meidet Imbissbuden im Osten :lache

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Hunter S. Henscheid from Hellingen


    Peter "Zombie" Hein lebt gut davon, sich Mitte der Neunziger ein paar fette Web-Domains gesichert zu haben. Das gibt ihm die Freiheit, dem Ruf zu folgen, der 2005 erschallt: Es soll ein finales Konzert der "Gruppe Senf" geben, die in den frühen Achtzigern den Punk nach Schwaben brachte, aber vergaß, ihn wieder fortzutragen. Immerhin schaffte es die talentlose Combo sogar auf Platz 53 der Charts, und wenn das kein Grund ist. Ist es ja auch nicht wirklich. Denn hinter der vermeintlichen Reunion, die sich schwieriger gestaltet, als das in Punk-Kreisen sonst üblich sein mag, steckt mehr. Da ist nicht nur die nie überwundene Liebe Heins zur Ex-Frontfrau Litty Lunatic, die mithin Braunkohlegruben besetzt hält, um eine Lausitzer Gemeinde namens "Horno", die längst verlassen ist, vor dem Abriß zu bewahren. Da ist nicht nur NJN, der eher unfreiwillige Ex-Manager der Band, der plötzlich wieder auftaucht und alle Fäden zieht, zudem den Osten mit Drogen beliefert und mit der Russenmafia angebandelt hat. Da ist nicht nur der ungeklärte Tod des ehemaligen Leadgitarristen Hector. Vor allem anderen steht die Frage im Raum: Ist der Punk tot? Und, wenn ja: Hat er je gelebt?


    Gute 20 Jahre später also machen sich "Zombie" Hein und "Dr." Hollenbach, ehemaliger Drummer der Band, in einem illegal "gemieteten" 500er-Daimler auf den Weg in den wilden Osten, um die nichtverstorbenen Bandmitglieder einzusammeln. Am Ende geht es nach Köln, und dort winkt zwar nicht wirklich ein Konzert, sondern lediglich der Auftritt in einer Unterschichtfernsehshow, aber auch darum geht's nicht. Der Weg ist gepflastet mit widerlichen Rostbratwürsten, führt durch verwaiste Plattenbauortschaften, vorbei an dicken Lesben, tuckigen Skins, kotzenden Ostlern, Gras, Minze, Zigaretten und Bier.


    Worum also geht es? Das ist eine gute Frage. Die Figuren, allesamt durchgeknallt, aber auf eher bürgerliche Weise, haspeln sich durch einen knapp 350 Seiten langen Essay, der zu guten Teilen aus Christian Grafs "Punk-Lexikon" gespeist zu sein scheint. Der Rest der Geschichte erinnert, vorsichtig ausgedrückt, stark an Hunter S. Thompsons "Angst und Schrecken in Las Vegas", auf das immerhin auch mehrere direkte Verweise enthalten sind, und an Eckhard Henscheids Kneipenliteraturbibel "Vollidioten", letzteres vor allem sprachlich, was sich in vielen Abschnitten niederschlägt, die in zitierter indirekter Rede gehalten sind. Das liest sich, als hätte jemand unbedingt gewollt, aber nicht so richtig gewußt, was. Dieser Makel, der sich nach und nach zum Problem steigert, wird durch wenig subtilen Haudrauf-Humor auszugleichen versucht, was darin gipfelt, daß die Gründungsversammlung einer Ost-Protest-Partei in der Kotze der Teilnehmer ertrinkt. Bruhaha.


    Immerhin, und das muß man Schmitt zugute halten, ist der an viel Altbekanntes erinnernde Patchworkroman zwar weitgehend handlungs- und irgendwie auch sinnfrei, aber gelegentlich durchaus pfiffig im Detail. Manch eine Wort- oder szenische Schöpfung hat ihre Qualitäten, und auch der gegen wachsenden Unwillen ankämpfende, anfangs durchaus geneigte Leser amüsiert sich hier und da. Aber die - zuweilen durchaus als brillant zu bezeichnenden - sprachlichen Fähigkeiten des ehemaligen "Titanic"-Chefredakteurs gleichen nicht aus, was gegen Ende überhand nimmt: Langeweile. Die beim Showdown in Verärgerung umschlägt.


    Und was bleibt? Ein epigonenhaftes, nur selten amüsantes Buch, das an seine Vorbilder nicht heranreicht, rund um eine Thematik, die andere weitaus besser, einfühlsamer, echter bearbeitet haben.