Alles was wir geben mussten - Kazuo Ishiguro

  • Titel der englischen Originalausgabe: "Never let me go"


    Zum Buch


    Kathy ist 31 Jahre alt und arbeitet als Betreuerin. Wann immer sie durch England fährt und hinter Pappeln ein halb verborgenes Herrenhaus erspäht, wandern ihre Gedanken zurück nach Hailsham, zu jenem sonderbaren Schulheim, in dem sie ihre Kindheit verbrachte. Unwillkürlich steigen dann Erinnerungen an Tommy in ihr auf, der sich mit trotzigen Wutanfällen gegen die Ausgrenzung durch die Mitschüler wehrte, denen er nicht kreativ genug war. Seine geheimsten Ängste und Wünsche vertraute Tommy ihr, Kathy an, aber eine Liebesbeziehung ging er mit ihrer besten Freundin Ruth ein. Sie alle wurden damals gut behütet in Hailsham, aber auch vollständig von der Außenwelt abgeschirmt. Die Aufseher erzählten den Kindern, dass sie später “spenden” und “betreuen“ würden, aber was sich hinter diesen Begriffen verbarg verriet ihnen niemand.


    In der Form einer klassischen Internatsgeschichte erzählt Kazuo Ishiguro von Menschen, die um die Unbeschwertheit ihrer Kindheit betrogen wurden. Feinfühlig zeichnete er die Seelenlandschaften von Kindern und Jugendlichen, die auf ihre Fremdbestimmtheit reagieren, indem sie im Kleinen aufbegehren und sich im Großen fügen. Er wirft bohrende Fragen nach der Moral in unserer Zeit auf und fesselt die Leser durch die Tragik unheimlicher, aber realistischer Geschehnisse, für die es scheinbar keine Verantwortlichen gab.


    Über den Autor


    Kazuo Ishiguro, 1954 in Nagasaki geboren, kam 1960 nach London, wo er Englisch und Philosophie studierte. Schon sein Erstling "Damals in Nagasaki" wurde mit dem Winifred-Holtby-Award der Royal Society of Literature ausgezeichnet. Es folgten zahlreiche weitere Preise und Auszeichnungen: u.a. der Whitbread Award und der Cheltenham Prize. 1989 erhielt er für seinen Weltbestseller "Was vom Tage übrigblieb", der von James Ivory verfilmt wurde, den Booker Prize. Kazuo Ishiguros Werk wurde bisher in 28 Sprachen übersetzt. Der Autor lebt mit Frau und Kind in London.


    Meine Meinung


    Huh? Ich wollte gerade meine Meinung in den Rezensionsthread zu diesem Buch schreiben und dann gibt es noch gar keinen. :wow


    Ich habe das Buch gestern in einem Rutsch durchgelesen weil ich irgendwie immer weiter lesen musste.


    In mehreren Amazon-Rezensionen wird leider schon ein Teil der Auflösung verraten und ich wusste daher leider schon, worum es geht. Das war dann aber doch nicht so schlimm, da dieser Teil der Auflösung sowieso schon im ersten Drittel des Buches verraten wird, und danach geht es dann noch weiter und das ganze Ausmaß wird erst auf den letzten Seiten klar. Trotzdem fand ich, dass der Autor einen Teil der Auflösung eigentlich zu früh präsentiert hat.


    Die Charaktere fand ich etwas flach und leblos und mir fehlte irgendwie die tiefere Auseinandesetzung mit der Gefühlswelt der Aufseher, Betreuer und Spender. Andererseits ist vielleicht gerade der unterkühlte und ein bisschen naive Ton das, was es dann am Ende so schlimm für mich gemacht hat, dass mich das Buch sicher noch eine Weile beschäftigen wird.


    Ich bedaure ein wenig, dass ich das Buch nicht auf Englisch gelesen habe, ich hatte das deutsche HC günstig im Oxfam-Shop gekauft. Ich hätte oft gerne gewusst, was da wirklich gestanden hat und ich hab „Remains of the day“ auf Englisch gelesen und weiß daher, wie Ishiguro schreiben kann.
    .

    ASIN/ISBN: 345342154X

  • Ich fand das Buch einfach fantastisch und nicht an einer einzigen Stelle fad oder langatmig. Kath erzählt insofern distanziert, als man merkt, sie erinnert sich Jahre später an die Ereignisse in Hailsham, und ich denke, dass gerade diese zeitliche und auch erzählerische Distanz dem Buch sehr gut tut. Denn dadurch schildert die Hauptperson die Begebenheiten ja auch mit dem Wissen, welche Auswirkungen sie auf ihre Zukunft hatten. Ich konnte mir die Personen ebenso wie Hailsham gut vorstellen, hatte während der Geschichte immer genaue Bilder vor Augen. Inhaltlich fand ich den Roman ebenfalls sehr fesselnd, weil er interessante Themenkomplexe (die Seele, "Anderssein", Freundschaften,..) und dadurch auch viele Fragen aufwirft. Dies alles jedoch, ohne irgendwie belehrend wirken zu wollen. Und das Ende hat mich wirklich tief berührt.
    Ein wunderschönes Buch, das mir so nahe ging, dass ich es sicher zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal lesen werden.

  • Zitat

    Original von Azrael
    Inhaltlich fand ich den Roman ebenfalls sehr fesselnd, weil er interessante Themenkomplexe (die Seele, "Anderssein", Freundschaften,..) und dadurch auch viele Fragen aufwirft. Dies alles jedoch, ohne irgendwie belehrend wirken zu wollen. Und das Ende hat mich wirklich tief berührt.


    Ja, das ging mir auch so. :cry


    Zitat

    Ein wunderschönes Buch, das mir so nahe ging, dass ich es sicher zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal lesen werden.


    Ich glaube, ich werde es irgendwann noch mal auf Englisch lesen.

  • um das Buch schleiche ich auch schon eine Weile herum, leider gehöre ich auch zu denjenigen, die dank der amazon rezensionen schon einen Teil der Auflösung kennen, aber es steht definitiv auf meiner Wunschliste

  • Zitat

    Original von Rosenstolz
    Auf meine Wunschliste kommt es nun auch............ :-)


    Jajajajaaaaa ich gebe mich geschlagen :lache :write


    P.S.: Danke für den Hinweis mit amazon, ich hätte die Rezis dort sonst sicher auch gelesen - ich würde die glatt als unzumutbar bewerten, weil ich das Auflösung-Verraten oberfrech finde :fetch

  • Zitat

    Original von milla
    P.S.: Danke für den Hinweis mit amazon, ich hätte die Rezis dort sonst sicher auch gelesen - ich würde die glatt als unzumutbar bewerten, weil ich das Auflösung-Verraten oberfrech finde :fetch


    Als der Roman damals erschien wurde viel darüber berichtet, zum Beispiel auf Deutschlandfunk wurde über 20 Minuten von Denis Scheck über das Buch gesprochen.
    Seit dem denke ich manchmal versehentlich ich hätte das Buch schon gelesen. :lache

  • Ich hab das Buch lange im RUB gehabt, weil ich dachte, ich wüsste die Auflösung ja sowieso schon, aber wie gesagt, das was ich wusste, wird sowieso schon auf den ersten 100 Seiten verraten und danach kam dann noch so einiges. Es hat sich trotzdem gelohnt, es zu lesen.

  • Ich habe selten ein so intensives Buch gelesen, wie dieses. Trotz distanzierter und fast emotionsloser Sprache und einer äußerst knappen Handlung habe ich dieses Buch verschlungen.
    Anfänglich vermutet man nur, um was es geht, die Vermutung steigert sich im Lauf des Leses zu einer grauenhaften Gewissheit, die man eigentlich nicht wahrhaben will. Am Ende des Buches stehen viele offene Fragen zur Diskussion, ein wahrhaft nachhaltiges Buch!
    Ich bin immer noch im Bann dieses Romans, auch mich wird diese Geschichte noch länger beschäftigen - das geht sogar bis hin zu ausgesprochen unangenehmen körperlichen Empfindungen.
    Die Spannung wird ausschließlich im Kopf des Lesers erzeugt, nichts von dem Grauen steht geschrieben, das ist Kino im Kopf par excellence!

  • Zitat

    Original von Eli
    Die Spannung wird ausschließlich im Kopf des Lesers erzeugt, nichts von dem Grauen steht geschrieben, das ist Kino im Kopf par excellence!


    Ja stimmt. Am schlimmsten fand ich ja, als ich erfahren habe, dass...



    Das ist eins von diesen Büchern, die mich mit etwas Abstand sogar noch mehr beschäftigen als beim direkten Lesen. Ich glaub, ich kaufe mir das nochmal auf Englisch und lese es nochmal.


    :wow

  • Gerade vorhin hab ich das Buch auch fertig gelesen. :-)


    Es hat mir wirklich gefallen, allerdings hat es mich nicht so in denn Bann gezogen wie andere hier. Es könnte vor allem an der Übersetzung gelegen haben, die mir mehrmals negativ aufgefallen ist. Da gab es einige Stellen, die waren sprachlich irgendwie holprig, der Stil ist aus der Reihe gefallen oder man konnte genau erraten, wie das englische Original hieß, weil zu wörtlich übersetzt wurde. ('Dann hätte es ja überall Paare geben müssen, links, rechts und in der Mitte' - um mal ein Beispiel zu nennen. Hä?)


    Etwas hätte ich gern genauer erfahren:

  • Zitat

    Original von Feawen
    Gerade vorhin hab ich das Buch auch fertig gelesen. :-)


    Es hat mir wirklich gefallen, allerdings hat es mich nicht so in denn Bann gezogen wie andere hier. Es könnte vor allem an der Übersetzung gelegen haben, die mir mehrmals negativ aufgefallen ist. Da gab es einige Stellen, die waren sprachlich irgendwie holprig, der Stil ist aus der Reihe gefallen oder man konnte genau erraten, wie das englische Original hieß, weil zu wörtlich übersetzt wurde. ('Dann hätte es ja überall Paare geben müssen, links, rechts und in der Mitte' - um mal ein Beispiel zu nennen. Hä?)


    Das ging mir auch so. Ich hab es deswegen gerade noch mal auf Englisch gelesen.


    Zitat

    Etwas hätte ich gern genauer erfahren:


    Ich finde gerade gut, dass es nicht beschrieben wurde, weil dadurch wie Eli schon sagte, das Grauen nur im Kopf entsteht.


  • Ich habe das Buch auf Englisch gelesen und fand es auch sehr eindrucksvoll. Ich habe alle Bücher von Ishiguro gelesen, und am meisten fasziniert mich der Kontrast zwischen der vollendeten Sprache und den teils ungeheuerlichen Ereignissen, von denen er erzählt.


    Zu den Übersetzungen kann ich - obwohl selbst Übersetzerin - leider nichts sagen, da ich alle Bücher im Original gelesen habe.


    Mir gefällt auch das Rätselhafte an ihm. Ich habe immer den Eindruck, dass nicht alles gesagt und viele nur angedeutet wird. Am stärksten in "Die Ungetrösteten", das mich sehr an Kafka erinnert hat. Man weiß nicht genau, was vorgeht, aber es fasziniert dennoch.


    Viele Grüße,
    Bücherfrau


    :-)

  • Ich finde das Buch genial, da es mich lange nach dem Lesen noch beschäftigt hat. Sicher ist die Handlung nicht immer unbedingt spannend, aber am Schluß fügt sich Alles zusammen und ergibt auch einen Sinn. Ich denke auch, daß gerade in den unausgesprochenen Dingen der Reiz liegt, denn dadurch macht man sich eine Menge Gedanken. Ich finde, es ist ein sehr wichtiges Buch mit sehr aktuellem Bezug, und daher auch z.B. für den Schulunterricht empfehlenswert.

  • Heute damit angefangen, heute fertig geworden... es war irgendwie so, dass ich mich immer wieder gezwungen fühlte, weiterzulesen.
    Obwohl ich natürlich die Spoiler schon gelesen hatte (bringen bei mir gar nichts) hatte ich nicht den Eindruck, zu viel gewusst zu haben... wie gesagt, das meiste weiß - oder ahnt man zumindest - ziemlich früh.
    Besonders die distanzierte Sprache geht unter die Haut, die Art, wie besonders zu Anfang so sorglos erzählt wird, sodass man jedes Mal ein paar Sekunden braucht, um alles zu erfassen.
    Oberflächlich fand ich es niemals, im Gegenteil... alles schien ziemlich intensiv, auf jedes einzelne Wort folgte sekundenlange Gänsehaut.
    Das Ende ist für mich vollkommen, diese letzte Szene, sanft, und doch so wahnsinnig nah... unheimlich berührend.

  • ich habe das Buch letzte Woche fertig gelesen, und war danach irgendwie nicht in der Lage, direkt etwas zu schreiben. Das Buch war absolutr faszinierend. Leider gehörte ich auch zu denjenigen, die durch die amazon rezensionen schon wussten, worum es geht. Das hat den Lesegenuss nicht wirklich geschmälert, obwohl mich schon interessieren, würde, wie schnell ich gemerkt hätte, worum es eigentlich geht. Besonders faszinierend fand ich, wie nah einem das Buch trotz der distanzierten Erzählweise gegangen ist. Ein wahnsinnig tolles Buch!

  • Mich hat das Buch ebenso fasziniert.


    Einzig alleine die etwas holpirge, ja beinahe kindlich wirkende Sprache hat mich ein wenig gestört. Auch werden wahnsinnig oft Wiederholungen verwendet, sehr oft auch mit dem gleichen Wortlaut, das mich fast dazu getrieben hätte, schnell mal einen halbem Absatz zu überspringen. Schade eigentlich.


    Der Inhalt steckt hier eindeutig zwischen den Zeilen und im Kopf des Lesers. Anfangs hätte mich der nähere Ablauf des Spendes auch sehr interessiert, kam aber davon ab. Denn darum geht es ja eigentlich gar nicht in dem Buch, das Wesentliche steckt im nachträglichen Erleben der Erzählerin und ich denke, da wollte der Autor auch hin.