Haruki Murakami: Blinde Weide, schlafende Frau

  • Haruki Murakami: Blinde Weide, schlafende Frau HC, 409 Seiten, Dumont Verlag, 2006, 22,90 €


    Offizieller Text über das Buch:
    In seinen Erzählungen entfaltet sich Haruki Murakamis ganze Zauberkraft: Zwei verliebte Teenager betrachten im Zoo ein junges Känguruh und entdecken in dessen Jugend sich selbst. Auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch streitet ein Mann mit dem Türhüter über das Passwort. Ein Rollstuhlfahrer verwickelt einen Touristen in die verstörende Auseinandersetzung über Messer und die geheime Mechanik von Familien. Ein Nachtwächter entwickelt nach der Begegnung mit einem Geist Scheu vor Spiegeln. Die Geschichten von Haruki Murakami sind erfüllt von Wundern und Absurditäten, die nach dem Lesen nicht mehr aus dem Kopf verschwinden. Zwischen Geschichtenerzählern, Ehebrechern und menschenfressenden Katzen eröffnen sich verborgene Welten.
    Haruki Murakami, Kafka-Preisträger 2006, gewinnt aus scheinbar unbedeutenden, alltäglichen Winzigkeiten – geschmolzene Pralinen, ein Zootier, ein Ohrwurmwort – Einblicke in fremde Universen, die niemand kennt und die dennoch seltsam vertraut erscheinen.
    Wer Haruki Murakamis Storys liest, gleitet in rätselhafte, melancholische Träume, aus denen er verändert erwacht.
    Quelle: Dumont Verlag


    Über den Autor:
    Haruki Murakami, 1949 in Kyoto geboren, ist einer der wichtigsten Schriftsteller der Gegenwart. Sein Roman "Gefährliche Geliebte" entzweite das Literarische Quartett, mit "Mister Aufziehvogel" schrieb er das Kultbuch seiner Generation. Er lebte über längere Zeit in Europa und in den USA. Murakami ist der international gefeierte und mit den höchsten japanischen Literaturpreisen ausgezeichnete Autor zahlreicher Romane und Erzählungen. Er hat die Werke von Raymond Chandler, John Irving, Truman Capote und Raymond Carver ins Japanische übersetzt.
    Quelle: RandomHouse.de


    Meine Meinung:
    „Blinde Weide, schlafende Frau“ ist eine kunterbunte Sammlung aus alten und neuen Erzählungen. 24 Stück sind es, die sich auf 400 lesefreundlichen Seiten verteilen. Die Covergestaltung ist, wie bei Dumont gewohnt, ansprechend, ein (wie ich finde bei Kurzgeschichten überflüssiges) Lesebändchen rundet die Ausstattung ab.
    Zwei der Geschichten sind schon zuvor auf Deutsch erschienen: „Birthday Girl“ und „Tony Takitani“.


    Bei den alten Geschichten merkt man, warum sie bisher nicht den Weg zwischen zwei Buchdeckeln gefunden haben. Sie gehören zu den schwächeren Texten Murakamis (was sie trotzdem immer noch lesenswert macht). Mein Interesse konzentrierte sich dann auch schnell auf die letzten fünf Erzählungen, die in Japan als eigenständiges Buch mit dem Titel „Fünf seltsame Geschichten aus Tokyo“ erschienen sind. Sie knüpfen erzählerisch fast nahtlos an „Nach dem Beben“ an. Stilistisch hat sich Murakami weiter entwickelt. Seine Sprache wirkt distanzierter, geklärter, der Fokus ist genauer auf die Geschichte gelegt. Gleichzeitig verschwindet aber etwas, die Murakami-Magie entfaltet sich nur selten – vor allem in „Der Zufallsreisende“ und dem hinreissenden „Der Affe von Shinagawa“.


    Insgesamt bleibt ein zwiespältiger Eindruck, ähnlich wie in der letzten Erzählung „Afterdark“, die vom Verlag etwas großspurig als Roman angeboten wird.


    Für Leserinnen, die alles von Murakami verschlingen, ist „Blinde Weide, schlafende Frauen“ trotzdem eine Empfehlung wert, gerade wegen der letzten Erzählungen, die den Kosmos des Autors sanft erweitern.

  • Zitat

    Original von Nudelsuppe


    Für Leserinnen, die alles von Murakami verschlingen, ist „Blinde Weide, schlafende Frauen“ trotzdem eine Empfehlung wert, gerade wegen der letzten Erzählungen, die den Kosmos des Autors sanft erweitern.


    Für Leserinnen? :wow

  • Mein erster Murakami, den ich nur aus der Bibliothek entliehen habe, weil Afterdark nicht da war und ich einen Einstieg finden wollte. Nun bin ich zweigespalten.


    Einerseits lassen sie die Texte Murakamis hier sehr gut lesen, seine klare und irgendwie kühle Sprache. Das gefällt mir. Es ist spannend, seinen Geschichten zu folgen und hier und da einen fantasievollen Schlenker in fremde Gedanken zu machen. Murakami hat eine interessante Beobachtungsgabe und ein Händchen für Stimmungen.


    Aber andererseits sind eine Menge Geschichten dabei, die eine enorme Spannung aufbauen und einem am Ende im Nichts stehen lassen. Es liegt einem Fad auf der Zunge, wenn man einem Protagonisten folgt und der letzte Satz dann lapidar endet und man das Gefühl hat, im fünften von zwölf Stockwerken stecken geblieben zu sein. Das ist schade. Manche der Geschichten kommen mir ausserdem reichlich banal vor. Man erwartet das Besondere und trifft auf das, was man schon oft gehört, gelesen, gesehen hat.


    Über die Skurilitäten kann ich nichts schreiben, als sehr rationaler Mensch nehme ich sie im Text einfach als gegeben hin.


    Das alles hält mich natürlich nicht davon ab, Afterdark trotzdem zu lesen. :-)

  • Zunächst war ich überrascht, wie viele Kurzgeschichten in dieser Sammlung enthalten sind und aus welch großem Entstehungszeitraum sie stammen. Dies schlägt sich selbstverständlich auch qualitativ nieder, einige wenige gefielen mir gar nicht (vor allem diejenigen, die nur ein paar Seiten umfaßten), die meisten fand ich gut und wiederum einige großartig.
    Viele Elemente in Murakamis Kurzgeschichten wiederholen sich, allerdings ohne daß man das Gefühl hat, immer und immer wieder dasselbe zu lesen. Oft gibt es ein offenes Ende, das vor allem für jene Leser unbefriedigend ist, für die es den Erstkontakt mit Murakamis Werk ausmacht (mir ging es zumindest seinerzeit so mit "Der Elefant verschwindet", heute würde ich diese Kurzgeschichtensammlung sicherlich wesentlich positiver bewerten).


    Skurriles und Rätselhaftes spielt oft eine Rolle, vor allem aber Zwischenmenschliches, auch ein wenig Mystik, gepaart mit Alltagsbeobachtungen, die in meinen Augen allerdings nie ins Banale abdriften. Aus einer der hier enthaltenen Stories dürfte "Naokos Lächeln" entstanden sein, zumindest fühlte ich mich stark an diesen wunderbaren Roman erinnert.
    Ich habe für diesen Band meine Sonntagsplanung über den Haufen geworfen und mich den ganzen Tag nicht aus dem Haus gerührt - kurzum, mir hat´s gefallen, wie eigentlich (fast) alles von diesem begnadeten Erzähler.

  • Hallo,
    ich suche nach einem Buch mit Kurzgeschichten aus Japan.
    Das Buch behauptet dass jeder Mensch einen Wunsch im Leben frei hat, und man ihn nicht verschwenden soll. Eine Geschichte spielt in der Stadt Lucca.
    Das Buch sagt dazu: Jeder Mensch ist entweder Prophet oder er kann Geister sehen.Eine Geschichte handelt von einer alten Frau die stirbt und anschließend von ihren eigenen Katzen aufgefressen wird. Einem Mann blüht ein ähnliches Schicksal, jedoch auf metaphysischer Ebene.
    Könnte es sich um Blinde Weide, schlafende Frau handeln?