Ein Schrei durchzog das Zimmer. Unaufhaltsam, unüberhörbar. Die roten Ziffern der Uhr zeigten 1 Uhr in der Nacht. Wie jedes Mal. Quälend erhob sich ein zierliches, blondes Mädchen. Wie jedes Mal. Sie seufzte und schlurfte ans andere Ende des Zimmers. Die kleinen Lippen des Babys zitterten. Die kurzen Arme streckten sich dem Mädchen entgegen. Sie hob das schreiende Baby aus dem Bettchen. Langsam beruhigte es sich. Das Mädchen trug die Kleine auf ihrem Arm mit zum Bett und gab ihr das Fläschchen. Das Kleine nuckelte mit großen Augen an dem Sauger und spielte mit ihren winzigen Fingern in den blonden, zerzausten Haaren ihrer Mutter. Sie hatte große Mühe ihre Augen offen zu halten. In drei Stunden musste sie ein weiteres Mal aufstehen. Wie jede Nacht. Sie kämpfte mit der Müdigkeit. Morgen verlangte man von ihre höchste Konzentration in der Schule. Wie jeden Tag. Als das kleine Mädchen satt war, schlief es rasch in seinem Bettchen wieder ein.
Der Wecker klingelte. Es war halb sechs. Das Mädchen war sofort wach. Durch ihren Kopf rauschte der Ablauf des Morgens. Erst jetzt merkte sie, dass kein Schrei aus dem Bettchen kam. Sie stand hektisch auf und lief ans Bett ihrer Tochter. Sie nahm die Kleine auf den Arm. Sie atmete nicht mehr. Die Lampe mit dem Namen des Babys, die über dem Bett hing und in der Nacht immer brannte, war erloschen. „Linnea“, flüsterte das Mädchen und Tränen rollten über ihre Wangen.