Leo Berlin - Susanne Goga

  • Bei diesem Roman kann ich mich den positiven Rezensionen nur voll anschließen.
    Fern vom abgedroschenem Krimisumpf, der das Genre diktiert, sind hier eine interessante Zeit und Ort ausgewählt und die Figuren sind menschlich und realistisch geschildert.
    Obwohl das Buch gut durchgearbeitet ist, spürt man nichts verkrampftes und das Buch besitzt eine Leichtigkeit, die das Lesen sehr angenehm macht.
    Die Krimihandlung wird so eingebracht, dass sie die besonderen, privaten Umstände der Hauptfigur Leo Berlin eher begleiten als im Vordergrund zu stehen.
    Der übliche Ermittler von Mordfällen in Krimis ist so abgenutzt und abgenagt bis zum Skelett, dass das Lesen fast schmerzt. Deshalb bin ich so froh über Leo. Er ist im Polizeidienst und Gesellschaft in einer Außenseiterposition, die sich aus seiner familiären Situation ergibt. Nach dem Tod seiner Frau ist er als Alleinerziehender Vater auf die Hilfe seiner Schwägerin angewiesen und steht kontinuierlich im Konflikt zwischen Beruf und Familie.
    Er ist ein Protagonist, mit dem man mitfühlen kann und der einem ans Herz wächst.


    Noch ein paar Worte zu der äußeren Erscheinung:
    Mit dem atmosphärischen Cover und dem komfortablen Format hat der Verlag gute Arbeit geleistet, die ein positives Lesegefühl vermittelt.
    Durchaus ein literarischer Leckerbissen!

  • Wenn das Buch nicht so gelobt worden wäre, hätte ich aufgrund des Covers wohl einen großen Bogen drum gemacht, aber nun bin ich froh, dass ich es gelesen habe, denn es war mal ein ganz anderer Krimi. Zum einen ist die Zeit, in der "Leo Berlin" spielt, eine besondere, denn über die 20er Jahre habe ich bisher kaum etwas gelesen, aber dann noch ein Krimi, das gefiel mir besonders gut. Und dazu noch das Berlin der 20er Jahre, dass die Autorin so lebendig geschildert hat, dass es mir deutlich vor Augen stand, was auch immer wieder durch aktuelle Geschehnisse gefördert wurde, die jedoch nicht beliebig aufgezählt wurden, sondern wunderbar in die Geschichte eingebunden waren.


    Mit dem Protagonisten Leo Wechsler habe ich mich schnell angefreundet, er ist menschlich und hat auch so ein paar Macken, dabei ermittelt er zielstrebig und ist korrekt, gerade in den Zeiten des Umbruchs war das etwas Besonderes, da es zuviele Mitläufer gab, die sich den Nationalsozialisten anschlossen.


    Die Art des Kriminalfalls hat mich ebenfalls begeistert, alles war ein wenig rätselhaft, aber nicht blutig und sensationslüstern. Dass ich als Leser den Täter bereits vor der Polizei kannte, fand ich spannend, denn so konnte ich mitfiebern, ob der Kommissar die Spuren richtig zu deuten wusste.


    Ich kann "Leo Berlin" wärmstens empfehlen und freue mich schon auf den Nachfolgeband "Tod in Blau", der schon bestellt ist. Das gibt 10 Punkte von mir.

  • Wow, so viel Lob. :wow Als Berlin-Krimi-Fan habe ich es natürlich auch schon auf dem SUB und werde es heute von dort befreien. :grin Bin gespannt. :wave

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Ich habe es soeben beendet. Ein feiner Krimi. Sehr ruhig und bedächtig, ohne viel Hektik. Halt so langsam wie damals noch die Uhren tickten. :-)


    Die Fehler sind mir auch aufgefallen, die Dyke nannte. ;-)
    Das mit der Hose fand ich auch sonderbar und musste doch glatt googeln. Und richtig vermutet! Der Reißverschluss war zwar schon erfunden, wurde aber erst ab 1923 als Patent für Europa erworben. Und der Herr Edel hätte doch eh nie so modernes Zeugs getragen. :grin


    Die Personen waren alle zumeist sympathisch gezeichnet. Nur das wirkliche Flair dieser Zeit kam nicht immer recht durch. Manche Szenen hätte man auch wesentlich moderneren Zeiten zuordnen können. Ich denke, da hätte es noch Potential gegeben um die Zeit besser herauszuarbeiten.


    Aber alles in allem einen schönes Leseerlebnis und ich habe dabei auch wieder einiges über Berlin erfahren.
    Ich habe doch wie immer die Strassen und Gebäude auf dem Stadtplan gesucht. Vieles gibt es heute noch, anderes ist verschwunden oder umbenannt.
    "Die Fabrik" hat mich immerzu beschäftigt. Ein rotes Backsteingebäude am Alex mit Türmchen??? :gruebel Ich dachte immer ans Rathaus, konnte mir das aber irgendwie nicht recht vorstellen, dass es damals so verwendet wurde. Und richtig! Die "Fabrik" gibts gar nicht mehr, ist im 2. Weltkrieg zerbombt worden. In der Dirksenstrasse gibts zwar noch immer ein Polizeirevier, aber ein modernes. Danke für die Reise in die Vergangenheit meiner Lieblingsstadt. :wave


    Ich hoffe, im 2. Teil gibt es weitere interessante Dinge zu erfahren. :-)

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Heaven ()

  • Franzl hat auch das Buch heute beendet und war sehr angetan - vom Schreibstil, von der atmosphärischen Dichte der Beschreibung über die damaligen "goldenen Zwanziger" und auch von den Charakteren.
    Er wartet jetzt darauf, dass ich den Folgeband bestelle *lol*

  • Habt ihr auch beide die Wege im inneren Auge verfolgt? Wie Leo mit dem Fahrrad von Moabit mal eben zum Alex gefahren ist....das musste ich mir direkt angucken. :grin

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Zitat

    Original von Heaven
    Habt ihr auch beide die Wege im inneren Auge verfolgt? Wie Leo mit dem Fahrrad von Moabit mal eben zum Alex gefahren ist....das musste ich mir direkt angucken. :grin


    Ist der Weg sehr lang? Da ich mich in Berlin nicht auskenne, hielt ich den Weg für machbar.....

    Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht. (Abraham Lincoln, 12.02.1809 - 15.04.1865)

  • Hallo,


    Zitat

    Original von Tjorvensmum


    Ist der Weg sehr lang? Da ich mich in Berlin nicht auskenne, hielt ich den Weg für machbar.....


    Ja, der Weg ist machbar, und die Strecke vom Schrebergarten bis zum Alex auch, wenn man einigermaßen Kondition hat. Die Strecke, die er nach dem Attentat fährt, habe ich nachgemessen, das sind etwa 20 km. Ein einigermaßen trainierter Mann, für den ich Leo halte, schafft das :-)

  • Klar! Ich hab den Stadtplan von Berlin doch ständig im Kopf! :lache
    Nee aber ich weiß auch, dass man früher so einiges gegangen ist. Meine Mutter ist oft von Weißensee in den äussersten Westen vom Wedding gelatscht - und zurück. Heute könnte das kaum einer noch ;-)

  • Zitat

    Original von Tjorvensmum


    Ist der Weg sehr lang? Da ich mich in Berlin nicht auskenne, hielt ich den Weg für machbar.....


    Wie Bücherfrau schon schreibt, mit viel Kondition. Aber ich glaube auch, dass die damals besser zu Fuss waren als wir heute. ;-)

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Ja, im Zeitalter des für - noch - erschwinglichen Automobils sind wir wohl etwas verweichlicht, was solche Strecken angeht. Wenn ich lese oder höre, welche Wege Kinder früher bei jeder Witterung zur Schule zurücklegen mussten ... Respekt!


    Viele Grüße,
    Bücherfrau (die immerhin täglich 10 km Rad fährt) :-)

  • Hallo zusammen!


    Ich empfand den Krimi auch als sehr gelungen.
    Nach dem Cover hätte ich das Buch nie gekauft oder auch gelesen.


    Durchwegs positive Meinung zu diesem historischen Kriminalroman haben mich überzeugt und ich habe es nicht bereut, das Buch gelesen zu haben.


    Die Familie um Leo Wechsler und seine Kollegen sind alle sehr sympatisch und menschlich dargestellt.


    Toll war beschrieben wie die Menschen zur Zeit der Wirtschaftkrise gelebt haben oder leben mußten, aber die anfänglichen bildlichen Beschreibungen auch der Häuser und der Wohngegend hätte ich mir noch bis zum Ende des Buches gewünscht. Ich fand das hatte nachgelassen.


    Durch die kursiven Zwischenpassagen aus Sicht des Mörders ist man zum Mitraten eingeladen und es wird einem leicht gemacht auf den Täter zu kommen. Trotz allem ist die Auflösung ein wenig anders als man denkt und macht sie zu was Besonderen.
    Auch empfand ich das Mordmotiv als sehr stimmig und passend zu der damaligen Zeit und der Stimmung des Buches.


    Ich freue mich schon auf Teil 2: Tod in Blau!


    Gruß Janina

  • Ich habe "Leo Berlin" gestern beendet und schliesse mich allen positiven Beiträgen hier uneingeschränkt an.
    Ein wirklich sehr lesenswerter, sehr unterhaltsamer, sehr beeindruckender Roman. :anbet
    Vor allem fand ich es klasse, dass der Roman in den 20er Jahren spielt. Ein Zeitraum, über den ich bis jetzt fast noch keinen Roman gelesen habe.
    Die damaligen Verhältnisse wurden sehr gelungen mit in die Geschichte rund um den 1. Fall von Leo Wechsler eingebaut.


    Ich freue mich jetzt auf den 2. Fall ( den ich auch bald lesen werde ) und hoffe, dass die Reihe fortgesetzt wird. :-)


    Das Buch bekommt von mir 9 von 10 Punkten.

  • Zitat

    Original von Rosenstolz
    Ich freue mich jetzt auf den 2. Fall ( den ich auch bald lesen werde ) und hoffe, dass die Reihe fortgesetzt wird. :-)


    Das Buch bekommt von mir 9 von 10 Punkten.


    Zu 1: Das hoffe ich auch :-).
    Zu 2: Danke. Freut mich sehr, dass Leo dir gefallen hat.


    Viele Grüße,
    Bücherfrau

  • Ist das ein Krimi? Ehrlich? Für mich ist das ein toller historischer Roman über eine Zeit über die sich heute keiner traut historische Roman zu schreiben ohne gaanz bösen Tiefgang hineinzulegen und einen steil emporgehobenen Zeigefinger in die Luft zu strecken. Moral, Moral ihr hättet alles noch verhindern können.... Das vermeidet die Autorin glücklicherweise. Sie schildert die Zeit, die Umstände des Lebens eines alleinerziehenden Vaters mit zwei Kindern in seinem Umfeld und seine Probleme bei der Arbeit- und die ist eben zufällig Kriminaler und da gibt es zwei Morde zu lösen. Aber für mich ist dies keiner der Krimis im historischen Milieu, bei dem einzig die Athmosphäre der Hintergrundmusik nicht von Fanta 4 und Fifty Cent kommt, sondern von Tanzkapellen. Der Krimi spielt nicht vor dem Hintergrund einer historischen Situation, er spielt im Mittelgrund einer historischen Alltagssituation. Ein sehr schönes Buch, da ich diesen Monat Gablé gelesen habe nicht mein Monatshighlight, aber bleiben wir bei der Eingruppierung Krimi sicherlich mit Chancen für das Treppchen zum Jahresende.


    Klare 9/10.

  • Es ist eben so grenzwertig, dass der große Aufdruck Kriminalroman eher verschleiert als erhellt. Die von mir fast komplett rezensierte Reihe SPQR hat ganz klar ihren Platz in diesem Fred- Decius Caecilius Mettelus ermittelt zwar um 50 vor Christus- aber er ermittelt nicht in - sondern vor historischem Umfeld. Leo Wechsler lebt in seiner Zeit und arbeitet in ihr.