Tod einer roten Heldin - Qiu Xiaolong

  • OT: Death of a Red Heroine
    1. Band der Inspektor Chen-Reihe


    Kurzbeschreibung:
    Shanghai 1990, eine Stadt an der Schwelle zwischen Kommunismus und Kapitalismus: Oberinspektor Chen ermittelt in einem mysteriösen Mordfall: Das Opfer, Guan Hongyign, war Leiterin einer Kosmetikabteilung und Modellarbeiterin - als Heldin der Arbeit ein politisches Vorbild. In ihrem Wäscheschrank findet Chen bürgerlich-dekadente Reizwäsche und ein Bündel erotischer Fotos. Keine Frage: ein brisanter Fall, der bis in die höchsten Kreise führt.


    Über den Autor:
    Qiu Xiaolong, 1953 in Shanghai geboren, arbeitete als Übersetzer und veröffentlichte Lyrik. 1989 reiste er in die USA und beschloss nach dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens, nicht nach China zurückzukehren. Seit 1994 lehrt er an der Washington University St. Louis Chinesische Literatur und Sprache. „Tod einer roten Heldin“ wurde mit dem begehrten Anthony Award für den besten Debütroman ausgezeichnet.


    Alle bisher erschienen Chen-Romane findet ihr in unserer Serienrubrik hier:



    Meine Meinung:
    Der Tod der roten Heldin zeichnet sich vor allem durch seine Einsicht in die politische Situation Chinas Anfang der 90er Jahre aus. Die Kulturrevolution steckt immer noch in den Köpfen der Chinesen und seit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens ein Jahr zuvor ist die politische Führung mehr denn je darauf bedacht, ihre Weste rein zu halten. Für Inspektor Chen bedeutet dies einen wahren Drahtseilakt, denn sein Hauptverdächtiger ist Sohn eines hohen Parteikaders und das gefällt der Parteiführung selbst natürlich gar nicht. Beeindruckend erschreckend und realistisch beschreibt Xiaolong die Zustände, denen die Bevölkerung Chinas ausgesetzt war und ist. Mir selbst war z.B. nicht bewusst, dass Berufe und Arbeitsplätze zugeteilt werden und nur wer Glück oder eine hohe Position inne hat, ein kleines Appartement zugesprochen bekommen kann. Xiaolong schafft die Balance zwischen Krimi und Zustandsbeschreibung sehr gut, seine Figur des dichtenden und an die Gerechtigkeit glaubenden, aber manchmal etwas naiv erscheinenden Chen ist sympathisch und der Fall interessant, wenn auf ihm auch manchmal mehr Gewicht hätte liegen können. Für alle, die gerne mal einen anderen Krimi der Gegenwart lesen wollen, und die mit Begriffen wie Kulturrevolution oder Kader etwas anfangen wissen, ein interessanter Ausflug ins heutige China!

  • Ich würde bezweifeln, das die Zeit 1990 in Shanghai noch den heutigen Realitäten entspricht.


    Schon im zweiten Band werden die Entwicklungen aufgezeigt die rasant sich vollziehen und an denen Inspector Chen seine Reibungspunkte hat- nicht alles was Fortschritt im Sinne von uns Langnasen ist, findet seinen Beifall, nicht alles was Fortschritt sein sollte, schreitet wirklich fort.


    Eine wirklich interessante Reihe der von mir so bevorzugten langsamen Krimis.


    Ich freue mich schon auf die TB- Ausgabe des dritten Bandes.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Ich habe auch beide Bände als TB schon gelesen und warte ebenfalls gespannt, daß der 3. Band als TB erscheint. Ich finde es "erfrischend" einmal einen anderen Schauplatz als das übliche USA oder Europa zu haben und einen kleinen Einblick in eine andere Kultur zu bekommen.


    ciao Richie

  • Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die Figuren sind sympathisch, nicht nur die Hauptfigur Chen, sondern auch eine ganze Reihe der Nebenfiguren und ich mag es, wenn der Ermittler in einem Krimi eine Vergangenheit hat und eine Entwicklung durchmacht. Ausserdem finde ich den politischen und kulturellen Hintergrund sehr spannend, das ist mir eigentlich wichtiger als der Fall selbst.


    Der Fall selbst ist eigentlich nicht der Reisser, also, es ist kein Fall, bei dem man groß mitknobeln kann, wer es war und man am Ende noch durch unerwartete Wendungen überrascht wird, er wird aber wieder dadurch interessant, dass die Ermittlungsarbeit durch parteipolitische Überlegungen beeinflusst und behindert wird.


    Ansonsten fand ich das Buch ziemlich appetitanregend. Ständig sind die Figuren dabei, irgendwelche chinesischen Leckereien zu futtern und ich mag Chinesisch doch so gern. Ich muss heute mittag erstmal chinesische Nudelsuppe kochen. :lache


    Das Buch gefiel mir so gut, dass ich mir Band 2 und 3 auch schon gekauft habe.


    Ich habe die englische Ausgabe gelesen:
    .

  • Ich ahb auch die beiden ersten Bände gelesen und mir haben sie besonders gut gefallen. man lernt viel über die politische Wirren in China und die Zusammenhänge zw Politik und Polizei.


    Die Handlung ist schlüssig und spannend und es wird seeehr viel über das Essen dort geschrieben :-)


    Freu mich auch auf den 3. Band


    LG Luthien

  • literarische Weltreise: China


    Zitat

    Original von Delphin
    Der Fall selbst ist eigentlich nicht der Reisser, also, es ist kein Fall, bei dem man groß mitknobeln kann, wer es war und man am Ende noch durch unerwartete Wendungen überrascht wird, er wird aber wieder dadurch interessant, dass die Ermittlungsarbeit durch parteipolitische Überlegungen beeinflusst und behindert wird.


    Ansonsten fand ich das Buch ziemlich appetitanregend. Ständig sind die Figuren dabei, irgendwelche chinesischen Leckereien zu futtern und ich mag Chinesisch doch so gern. Ich muss heute mittag erstmal chinesische Nudelsuppe kochen. :lache
    .


    Dem kann ich eigentlich nur zustimmen, allerdings haben mir die chinesischen Leckereien eher einen Würgereiz in den Hals getrieben. Ich esse wirklich gerne Fleisch, aber offensichtlich essen Chinesen alles, was Augen hat und auf ein Hunderagout oder Affenhirnsüppchen habe ich nun wirklich keinerlei Appetit.


    Keine Beziehung konnte ich allerdings zur Lyrik in diesem Buch aufbauen.
    Als überzeugte Altlinke bin ich natürlich im Besitz einer Mao-Bibel, deren Lektüre mir schon so manche Sitzung auf dem Klo verkürzt hat. Auffallend dabei war vor allem eines: die unglaubliche Plattheit der Worte des großen Vorsitzenden (gibt es keine Volksarmee, dann gibt es nichts für das Volk). Nun musste ich feststellen, dass die im Roman zitierten Sprüche des Konfuzius auch nicht viel tiefgreifender sind (die Zeit fließt wie ein Fluss) und auch die vielen chinesischen Gedichte mir entweder belanglos oder aber vollkommen unverständlich erschienen (was gehen will, das geht / Was bleiben will, das bleibt / Schmück ich mein Haar mit den Blumen der Berge, / dann frag mich nicht / wo mein Heim sein wird.). Aber in dieser Beziehung bin ich freilich ein Banause.


    Was mir aber noch auffiel: an manchen Stellen wird offenbar, dass dieser Roman erst zehn Jahre nach der Zeit, in der er spielt, geschrieben wurde. In einer Szene hat Chen plötzlich ein Handy, über das er benachrichtigt werden will, ich bezweifle, dass es 1990 in Kanton schon Internetcafés gab, und auch die Bibliothek wird wohl nicht mit Computern, sondern mit dem guten, alten Zettelkasten gearbeitet haben. Das fand ich allerdings nicht weiter schlimm, sondern eher amüsant, macht es doch deutlich, wie schnelllebig unsere heutige Zeit ist.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)