Zweiter Band der „House of Niccolò“-Serie. Originaltitel: Spring of the ram
Inhalt:
1461
Nachdem für Nicholas durch die Ereignisse in Band 1 der Boden in Brügge zu heiß geworden ist, geht er nach Trapezunt, um dort eine Handelsniederlassung zu gründen. Eine erfolgreiche Mission könnte aus ihm einen reichen Mann machen, ein Fehlschlag würde das Haus Charetty, das Unternehmen seiner geliebten Gattin Marian, zugrunderichten. Doch auch die Venezianer und Florentiner haben großes Interesse an diesem Vorhaben.
Noch in Italien erwächst Nicholas in Pagano Doria, der das gleiche Unternehmen im Auftrag Genuas plant, ein gefährlicher Rivale, der vorgibt, nur einen fairen Wettkampf durchführen zu wollen. Auf der Reise wird Nicholas bald erkennen, was davon zu halten ist. Doch sind er und Doria wirklich so unterschiedlich?
In Trapezunt angekommen muß sich Nicholas nicht nur gegen Paganos Intrigen wehren, sondern auch seine kapriziösen Kollegen, allen voran Julius, Tobie und Gottschalk, davon überzeugen, daß er mehr sein will, als nur ihr nomineller Führer.
Und am Horizont lauern die osmanischen Schiffe.
Meinung:
Dieses Buch ist mein Lieblingsband aus der Serie. Der Hauptgrund dafür sind Nicholas’ Gefährten, ihre Interaktionen untereinander und mit ihm und die Konflikte. Hier nun formiert sich mit der Ankunft John le Grants langsam das endgültige Team, das ihn mehr oder weniger in der gleichen Zusammensetzung alle folgenden Bücher lang begleiten wird – oder auch nicht.
Mir gefällt, daß jeder einzelne von ihnen ein eigenständiger, voll ausgeformter Charakter ist, was das Leben für Nicholas nicht einfach macht.
Wer sind diese Männer?
Julius (mein Liebling), der Notar, der Nicholas am längsten kennt, aber am wenigsten versteht, der Probleme damit hat, einen Mann als Herrn zu akzeptieren, der einst nicht mehr war als ein Diener.
Tobie, der Arzt, der Nicholas so gerne studiert, aber dann immer wieder zurückschreckt, wenn er mehr sieht, als er eigentlich sehen will.
Gottschalk (Godscalc im englischen Original), der Priester, der als ihrer aller manchmal allzu strenges Gewissen agieren will.
Gregorio, der Anwalt, daheim in Brügge, der tapferer ist, als es den Anschein hat und der noch am weitesten in Nicholas’ Vertrauen steht, vielleicht, weil er am wenigsten dazu tendiert, schnell über ihn zu urteilen.
John le Grant (historische Fußnote), der Neuzugang, der sich noch nicht sicher ist, ob er dazugehören möchte, der aber sehr klar erkennt, was sie an Nicholas haben.
Astorre, der Söldnerführer, dem Fragen der Moral grundsätzlich egal sind, solange er kämpfen kann und der Nicholas noch immer als „seinen Jungen“ betrachtet.
Und Loppe, der afrikanische Ex-Sklave, der wahrscheinlich mehr mit Nicholas gemeinsam hat, als alle anderen.
Jeder von ihnen ist aus anderen Gründen bei Nicholas, aber was sie gemeinsam haben ist, daß sie ihn brauchen, so wie er sie und nicht allein aus wirtschaftlichen Erwägungen. Doch in diesem Buch ist dies noch ein Lernprozeß, der auf wunderbare Art geschildert wird, denn auch Nicholas’ Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen.
Doch ist dies nur ein Aspekt an diesem schönen Buch. Die Reise nach Trapezunt, stets unter der Bedrohung von Dorias Fallstricken, ist für mich ein weiteres Highlight.
Das exotische Trapezunt, der letzte Überrest des einst so großen und mächtigen byzantinischen Reichs, tritt plastisch zwischen den Zeilen hervor, in all seiner Pracht und Dekadenz. Dazu haben wir die üblichen Intrigen und Politik, wobei Nicholas hier noch mehr als zuvor eingebunden wird, nicht immer unbedingt zu seinem Vorteil und nicht ohne Folgen für sein Seelenheil.
Neben den oben erwähnten Charakteren brauchen sich auch Marian, Nicholas’ Gattin und seine schwierigen Stieftöchter Tilde und Catherine nicht zu verstecken. Der Gegenspieler Doria scheint ein würdiger Gegner zu sein und es ist besonders interessant zu untersuchen, wie ähnlich Nicholas und er sich sind, und warum sie dennoch grundverschieden sind.
Und wer waren noch mal Simon, Katelina und Ribérac?
Während „Niccolòs Aufstieg“ noch so etwas wie ein langer Prolog war, geht es hier nun richtig los. Die Grundsteine sind gelegt und Trapezunt war nur Nicholas’ erster Schritt auf dem Weg in ein faszinierendes und spannendes Leben als Geschäftsmann, Abenteurer und Mensch.
Informationen über die deutschsprachige Neuauflage und jede Menge Zusatzinformation zu den Büchern finden sich hier:
http://www.dorothydunnett.de/