Heute vor 17 Jahren

  • Zitat

    Original von Tom
    Klar, dachte ich mir, verarschen kann ich mich alleine. .

    So ungefähr dachte ich damals auch. :lache


    Ich hatte die Kinder im Bett, der Mann war auch müde, ich räumte noch auf und nebenher lief irgendein Sender wo gerade der Schabowsky (war der das? ) irgendwas von Reisefreiheit und Grenzen faselte. Ich war auch müde und machte den Fernseher aus. Das politische Gelaber ging mir auf den Senkel. Sicher gings nur wieder darum, dass so viel "unvernünftige" gen Ungarn oder Prag abzischten, dass die Grenze unser "Schutzwall vor dem imperialistischen Feind" sei, Arbeitkräfte verloren gingen und die Betriebe langsam Probleme bekamen... :rolleyes Nee, das wollte ich mir als Gute-Nacht-Geschichte nicht antun und ging ins Bett. :grin


    Am nächsten Morgen, als ich die Kinder für die Kita und Krippe fertig machte, mich selbst auch, lief der TV um nach dem Wetterbericht zu gucken und da sah ich...... :wow :wow :wow was ich nicht für möglich gehalten habe. Ich habs glatt verpennt! :grin


    Als ich zur Arbeit ging waren kaum Kinder da. Wir waren mit denen noch morgens im Garten und Eltern kamen mit ihren Kindern am Zaun vorbei und riefen uns in Volksfeststimmung zu: "Hee, morjen! Wir kommen heute nich, wir fahn inn Westen!" :lache


    Nach Feierabend guckte ich wieder auf die Bilder dieser Menschenmassen, die mit Apfelsinenbeuteln, Sekt, wedelnden Westgeldscheinen vor den Mc Doofs gefilmt wurden, die irritierten Grenzer, die Mauerspechte....


    Mir war das echt zu stressig. Ich hatte ja nie wirklichen Mangel, auch immer mal ne Westmark in der Tasche und so nicht DIE große Eile wie manch anderer. ;-) Ausserdem traute ich dem ganzen nicht!
    Am ersten WE wollten wir dann zur Familie in Westberlin. Wir standen mit Kinderwagen und Zwerg an der Hand stundenlang am Übergang. Ich traute dem immernochnicht! Selbst, als wir kurz vorm kontrollierenden Vopo am Tränenpalast stande, hatte ich ein mulmiges Gefühl und dachte: "Pass uff, kurz vor dir machen die det Ding wieder zu, weil kaum noch eener zum arbeiten da is und denen ihr Sozialismus jänzlich den Bach runter jeht!". Aber wir kamen durch. Und erst da begann ich vollends zu realisieren wat Phase war.
    Und wir kauften natürlich ooch ein....... Apfelsinen. :lache
    Nicht weil wir nie welche hatten (wir hatten immer welche ;-) ) aber ich wusste gar nicht was ich kaufen soll, für uns war wenig fremd und für große Dinge war ja nicht genug Geld da. ;-)


    Ja, ich bekomme noch heute glasige Augen und ne Gänsehaut wenn ich die Bilder von damals sehe und kanns kaum glauben das dies wirklich passiert ist.


    Im Net gibts eine HP wo man gucken kann was manche mit ihren ersten 100 Westmark anstellten. Interessant. :grin



    Ich freue mich, dass es so gekommen ist wie es ist. So habe ich viele nette "Wessis" kennengelernt. Und gelegentlich feiere ich mit Mr. Heaven die Wiedervereinigung :grin, der ist gebürtiger Insulaner. ;-)


    Was die Ostalgie betrifft. Klar gibts immer mal Leute die dann was bejammern wenns nicht so läuft wie sie es gern hätten. Kürzlich meinte ein "Insulaner", man solle doch ruhig die Mauer wieder hochziehen. Aber aus Glas, damit die Ossis gucken können wie gut es ihnen geht. ;-)
    Aber ging es den "Wessis" wirklich nur gut? Haben die "Ossis" wirklich nur gelitten? Ich denke, beide Seiten haben Vor- und Nachteile einstecken müssen.


    Die symbolische Ostalgie wird allerdings (nach meiner Beobachtung) eher gern von Leuten aus den "gebrauchten" Bundesländern :grin betrieben. Die finden das witzig und die Neubürger sind da eher genervt. ;-)


    Aber...jedem Tierchen sein Pläsierchen und ich finds gut, dass man heute über viele Dinge lachen kann, dass es nur noch "Geschichten" sind. :-)

    _______________________
    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Hallöchen!


    Ich denke mal, ich habe den Fall der Mauer "verschlafen", denn ich war erst 2 Jahre alt. Meine Eltern erzählten mir, dass sie an diesem Abend auch mit Freundin weg waren und es entweder am späten Abend oder am nächsten Tag erfahen haben. Meine Mutter konnte es gar nicht glauben, sie ist ein Jahr zuvor ausgereist, mein Vater hat sie und mich in den Westen geholt. Da war sie erst mal baff, dass dann auf einmal alle "einfach so" ausreisen durften :wow.

  • Also ich war damals noch nicht mal eine kleinste, winzigste Zelle! Aber ich hab schon viel vom Mauerfall gehört und für mich ist es ein sehr interessantes Thema!


    Eure geschichten zu lesen ist auch zu schön.. *soifz*.. Ihr könntet ein Buch schreiben.. "Schicksaltag Mauerfall" oder irgendwie so..!


    Ich würde sofort darin versinken! Und vielleicht ist dann auch die ein oder andere bewegende Lebensgeschichte dabei, bei der sogar ich zum Taschentuch greifen muss.. obwohl ich so gut wie gar nichts vom Mauerfall mitbekommen habe!

  • @ Bella: Und weil ich da zwar schon auf der Welt war, aber nicht wirklich davon etwas mitbekommen habe, möchte ich heute natürlich umso mehr darüber erfahren. Deswegen habe ich alle möglichen Filme über das Thema schon gesehen und auch einige Bücher darüber gelesen. Ich möchte mich da so gern hineinversetzen, ich kann es mir einfach nicht vorstellen, wie man in der DDR leben konnte, wie man auf vieles verzichten musste und nicht mal in irgendeinem Land der Wahl Urlaub machen durfte. Ziemlicher Mist, was die damals veranstaltet haben! :fetch


    Gruß :wave

  • Politisch, menschlich, menschenrechtlich und rechtstaatlich war die DDR alles andere als optimal. Warum die Menschen trotzdem dort lebten? Vielleicht weil sie dort geboren wurden, lebten, liebten, Familie hatten. Der selbe Grund vermutlich, warum heute alle Welt eben trotz des vermeintlichen Unbill trotzdem Staatsbürger in Deutschland bleibt. Das kann doch nicht alles nur Bequemlichkeit sein. Es muss an den vielen Kleinigkeiten liegen und an den Facetten, die das Leben eines Menschen, gestern und heute, ausmachen.


    Und eine dieser Facetten ist der Verzicht, der meiner Meinung nach, im Kontext zur DDR ein klein wenig überbewertet wird. Vielleicht hatte man in der DDR nicht alles. Sicherlich. Aber man hatte auch nicht Nichts. Es gab Anderes (was im Übrigen noch heute für Erheiterung sorgt: Trabbi, Schwibbbögen ...). Vor allem aber hatten viele die Begabung des "Selbermachens" und "Umnutzens". Kreativität. Das kommt mir zum Beispiel heute noch manchmal entgegen, wo andere wegwerfen und neukaufen.


    Ich kann die Leute nicht verstehen, die sagen, früher war alles besser. Aber auch nicht ganz die, welche meinen, früher war alles schlechter.


    Ohne also irgendetwas rechtfertigen zu wollen oder einseitig in gut und schlecht zu sortieren - dies möge jeder individuell entscheiden - möchte ich zumindest meinen Eltern und Großeltern wenigstens im privaten Leben auch ein wenig "Schönheit" zugestehen. Schließlich hätten sie sich für einen Haufen reinen Mists nicht so friedlich eingesetzt. Das sie heute froh sind, in einer neuen Gesellschaft leben zu können und ihnen die Freiheiten lieb und wichtig geworden sind, das macht mich froh und ja, auch ein wenig stolz.


    Plädoyer Ende


    Liesbett

  • Zitat

    Original von Majorana
    @ Bella: Und weil ich da zwar schon auf der Welt war, aber nicht wirklich davon etwas mitbekommen habe, möchte ich heute natürlich umso mehr darüber erfahren. Deswegen habe ich alle möglichen Filme über das Thema schon gesehen und auch einige Bücher darüber gelesen. Ich möchte mich da so gern hineinversetzen, ich kann es mir einfach nicht vorstellen, wie man in der DDR leben konnte, wie man auf vieles verzichten musste und nicht mal in irgendeinem Land der Wahl Urlaub machen durfte. Ziemlicher Mist, was die damals veranstaltet haben! :fetch


    Gruß :wave


    Da wirst du aber nur einseitig informiert. Meist wird in Büchern über "Damals" nur abgerechnet. Wie Waldläufer schon schrieb, es gab auch eine Art von Zufriedenheit. Für die, die nur über die schlimme Seite informiert sind, unverständlich. ;-)

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Doch - ich kann mich noch erinnern. Recht gut sogar, da es ein bewegender Moment war.


    Bis dato ein ganz normaler Abend, irgendwann klingelte das Telefon. Mein Onkel Gert aus Berlin. Er informierte uns kurz und knapp über das "Wunder von Berlin" und wir schalteten den Fernseher an. Die gesehenen Bilder gehörten de facto zur Kategorie "Die brennen sich ein!", man vergißt sie nicht wieder. Anschließend kamen meine Großeltern zu uns, um zu feiern. Warum? Naja, war nicht meine "echte" Oma, war die zweite Ehe meines Großvaters. Und sie hatte eine Schwester "drüben".
    Von daher war das Thema DDR bei uns immer ein aktuelles. Klar, die waren bereits im Rentenalter, konnten also hin- und wieder gegenseitige Besuche starten.
    Meine Mutter, damals noch einfache Sicherheitsfachkraft in DEM westdeutschen Rüstungskonzern (MBB), hatte sowieso striktes verbot, durfte nichmal in Westberlin Urlaub machen. Heftig, heftig...im Nachhinein betrachtet, durch diese familiäre Bindung in den Osten und Berlin in dem Job meiner Mutter kann man davon ausgehen, unter regelmäßiger Überwachung gestanden zu haben. Naja, was Stasi-Artiges haben die Wessis nämlich auch, nur nennt dieser sich Millitärischer Abwehrdienst (MAD).
    Der Mauerfall war toll und beeindruckend, aber "lustig" wurde es erst danach. Dazu könnte ich Geschichten erzählen...nunja, fairerweise sollte man erwähnen, es sind die Geschichten meiner Mutter :lache
    Mach ich vielleicht noch. Wäre vielleicht ein nettes Thema für nen Schreibwettbewerb. Dann wäre ich auch mal wieder dabei :-]

  • Irgendwo habe ich auch mal gelesen, dass eine Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte für die Betroffenen im Moment, literarisch (belletristisch) und filmisch gesehen, nur auf der humorischen Ebene möglich ist, bzw. geschieht. Als Beispiele wurde Sonnenallee, Goodbye Lenin, Brussig, Zonenkinder und ähnliches genannt. Habt ihr auch den Eindruck?
    Das war allerdings um 2003. Mittlerweile gibt es ja die Schleife an Stalins Bart und Filme wie das Leben der Anderen und der rote Kakadu.
    Ich habe mir zu dem Thema eine Reihe Bücher aus der Bundeszentrale für politische Bildung besorgt, in der Hoffnung auf halbwechs neutrale Berichterstattung.


    Liesbett

  • Zitat

    Original von Heaven


    Da wirst du aber nur einseitig informiert. Meist wird in Büchern über "Damals" nur abgerechnet. Wie Waldläufer schon schrieb, es gab auch eine Art von Zufriedenheit. Für die, die nur über die schlimme Seite informiert sind, unverständlich. ;-)


    Das habe ich auch schon gehört! Immerhin gab es ja auch viele Leute die mit der Situation ganz zufrieden waren! Ich hab da diesen Film "Good bye Lenin" gesehen! Und da kommt das ja ganz gut rüber!

  • Zitat

    Original von Heaven
    ...und nebenher lief irgendein Sender wo gerade der Schabowsky (war der das? ) irgendwas von Reisefreiheit und Grenzen faselte...


    War Günther Schabowsky nicht irgendwie ein Mitglied im höchsten Dingenskirchens der DDR? (Zentralrat in der SED oder wie das hieß?) Ich kann mich noch vage an die damalige Pressekonferenz erinnern. Der Gute (?) hat da was vorgelesen und erst unter dem Vorlesen gerafft, WAS er da eben vorgelesen hatte. Er sass danach leicht ratlos da...


    Mein Bruder hat am 10.11. Geburtstag und fand das damals ein feines Geburtstagsgeschenk. :-)

  • Ich habe wenig von dem Ganzen mitbekommen, aus einem Grund: ich lag zu diesem Zeitpunkt gerade frisch in der Kinderwiege. ;-)
    Die Mauer fiel etwa 1 1/2 Monate nach meiner Geburt; wow, denke ich heute, was ich schon damals alles bezwecken konnte. *g* ;-)

    Aktuelles Buch


    "Berlin Alexanderplatz" von Alexander Döblin


    "Goethe - Dichtung und Leben" von Curt Hohoff

  • Zitat

    Original von Heaven


    Da wirst du aber nur einseitig informiert. Meist wird in Büchern über "Damals" nur abgerechnet. Wie Waldläufer schon schrieb, es gab auch eine Art von Zufriedenheit. Für die, die nur über die schlimme Seite informiert sind, unverständlich. ;-)


    Okay, das sehe ich natürlich ein, meine Familie mütterlicherseits waren auch zufrieden, größtenteils.


    Aber die Menschen, die nicht auf dem Land sondern in der Stadt, beispielsweise in Berlin gelebt haben, ich denke diese Menschen waren nicht wirklich glücklich und lebten bestimmt sehr eingeschränkt. Dieses ganze drumherum mit der Mauer und den Bespitzelungen haben die bestimmt sehr viel intensiver miterlebt.
    In Dokus oder von mehreren Personen in meinem Umkreis höre ich ja so manches realistische, was auch gut war.

  • Zitat

    Original von Sisi
    Ich dachte, dieses Ereignis ist mal einen Fred wert:
    Heute vor 17 Jahren geschah etwas, womit ich bis dahin nie gerechnet hatte:
    Die Mauer in Berlin wurde geöffnet....
    Wie habt ihr diesen Tag in Erinnerung? Erzählt mal, was ihr da so getrieben, gefühlt und gedacht habt!


    Hier meine Erinnerung daran:


    Eine seeeehr interessante Frage:


    Bei mir war es so:


    Im Fernsehen hatte ich diese Pressekonferenz mit Schabowski sehr gespannt verfolgt.


    Dann wartete ich auch neue Nachrichten!


    Aber lange Zeit gab es nichts Neues .....


    Erst am nächsten Morgen habe ich dann von der sensationellen Mauer-Öffnung erfahren!


    Es waren aufregende Tage damals!

  • Zitat

    Original von Bella



    Immerhin gab es ja auch viele Leute die mit der Situation ganz zufrieden waren! Ich hab da diesen Film "Good bye Lenin" gesehen! Und da kommt das ja ganz gut rüber!


    Hmmm......


    Zwischen 1933 und 1945 gab es ja auch viele Leute, die mit allem seeeehr zufrieden waren ....


    Oder?


  • Nicht vergleichbares oder nur schwer vergleichbares sollte man mit Vorsicht vergleichen. Täter und Opferperspektive sind meist von aussen betrachtet eindeutig. Schwieriger sind die Normalos, die Mitläufer, die Nischenzurückzieher, die Desillusionierten und die Desinteressierten. Es hat immer Menschen gegeben, die nach dem Motto Laß mir mein Bier, Laß mir meine Ruh, in jedem System vor sich hinleben. Es hat immer Leute gegeben die sich berechnend oder instinktiv auf die Seite der Stärkeren gestellt haben und der Begriff des Wendehalses wurde nicht erst 1989 erfunden, wenn auch vorübergehend sehr populär. Genauso gibt es Leute, die leisten Widerstand aus einem Bedürfnis nach der ideallen Welt und zerbrechen an jeder Welt, wie viele ehemalige Regimekritiker der DDR, die nach dem unerwarteten und so nie gewollten "Sieg" vor den Trümmern staunend standen und am vorgefundenen neuen alten System der Bundesrepublik ebenso scheitern. So wie auch viele Nazigegner an der Bundesrepublik und ihren Unzulänglichkeiten gescheitert sind, wiel es eben d i e Stunde Null nie gibt, wohin immer du gehst- du nimmst stets dich selbst mit- heißt der alte Spruch zur Flucht oder Trennung.


    Good bye Lenin zeigt m.E. im übrigen eine Figur, die sich arrangiert hat und die bestimmt, wäre es nicht die Krankheitsproblematik gewesen, die jede Aufregung verbot problemlos geschafft hätte in der SPD eine glänzende Karriere zu machen. Im Prinzip angepasst aber mit eigenem Kopf. Der Film zeigt jemand der das was da ist als das beste empfindet, weil es eben da ist und man muß versuchen das noch bessere daraus zu machen- nicht generell unsympatisch, aber auch nicht vorbildhaft. Die Überhöhung durch die dackelhafte Sohnesliebe verzerrt die Situation der Mutter.