Heute vor 17 Jahren

  • Ich dachte, dieses Ereignis ist mal einen Fred wert:
    Heute vor 17 Jahren geschah etwas, womit ich bis dahin nie gerechnet hatte:
    Die Mauer in Berlin wurde geöffnet....
    Wie habt ihr diesen Tag in Erinnerung? Erzählt mal, was ihr da so getrieben, gefühlt und gedacht habt!


    Hier meine Erinnerung daran:


    Ich hab damals im Taunus gewohnt und habe es am Abend gar nicht mitbekommen, da wir mit Freunden Bowlen waren. Erst beim Zähneputzen am nächsten Morgen (10.11) hab ich im Radio was von "die Mauer ist offen" vernommen. Zuerst glaubte ich, ich hätte mich verhört und habe das Fernsehen eingeschaltet. Auf RTL, SAT etc. : NULL - aber auf ARD und ZDF wurden die Bilder eingespielt.
    Da wurden die Kniee weich und fassungslos starrte ich auf den Fernseher...
    Ich rief dann meinen Arbeitgeber an und hab mir einen Tag Urlaub genommen. Und starrte weiter auf den Fernseher....
    Zum Nikolaus bin ich dann durchs Brandenburger Tor gegangen. Das war der helle Wahnsinn. Im Hotel "Stadt Berlin" am Alex habe ich dann in der Disco mit anderen "Wessis" gefeiert. Einer meiner glücklichsten Tage im Leben. Ohne Frage. *tiefseufz*

  • Ich hatte an diesem Tag meine Motorradführerscheinprüfung. Ich war sehr spät an der Reihe, und mit all dem Prüfstreß, Feiern und dann noch knapp 100 km zu meinem Freund fahren und stolz sein auf meinen frischerworbenen Führerschein, habe ich erst mal gar nichts von der Vorgeschichte mitbekommen.
    Ich weiß noch, daß ich im Auto saß und ein Radiosprecher was von neuen Reiseregelungen in der DDR sprach und darüber munter spekulierte, was das jetzt für Auswirkungen haben wird.
    Irgendwie erfahre ich solche Ereignissen, die ja wirklich prägend sind für Generationen (wie auch z.b. 9-11) immer aus dem Autoradio? Ich fahre zu viel, eindeutig.


    Aber zurück ins Jahr 1989. Abends haben wir dann die Zeit vor dem Fernseher verbracht und die Berichte gesehen und Livebilder aus Berlin. Von den ersten, die über die Grenze kamen, den hilflosen Grenzbeamten, von der Freude und Partystimmung auf beiden Seiten Berlins. Und ich weiß noch, daß wir für einen kurzen Moment gesagt haben: eigentlich müssten wir jetzt nach Berlin fahren und dabei sein.
    Aber am nächsten Tag war Arbeitstag für mich und so blieb das ganze einfach nur ein Gedanke.
    Ich habe geheult, das weiß ich noch. Und ich heule auch heute noch, wenn ich die Bilder im Fernsehen sehe, obwohl seither viel passiert ist.
    In den Folgetagen habe ich im TV alles aufgesogen, was es dazu gab. Und es gibt Geschichten, die ich dort gesehen habe, die ich nie vergessen werde. Die Menschen, die auf der Mauer gefeiert haben. Die Frau, die die Grenzbeamten angefleht hat, daß sie einmal unter dem Brandenburger Tor durchgehen möchte und ein Grenzbeamter ist mir ihr dann durch das Tor gegangen. All die kleinen menschlichen Geschichten. Die haben mich bewegt und bewegen mich heute noch.



    Für mich greifbar wurde es erst im Frühjahr 1990. Da sind wir mit einer katholischen Jugendgruppe nach Erfurt gefahren um uns dort mit Jugendlichen zu einem Austausch zu treffen.
    Das war sehr interessant und sehr spannend. Auch die Meinung der Jugendlichen und die Diskussion.
    Ich weiß noch, daß ich schockiert war, welchen Anblick die Stadt vom Domberg aus geboten hat, wie kaputt die eigentlich schöne Altstadt war. Und als ich 2000, zehn Jahre später, beruflich wieder nach Erfurt kam, konnte ich sehen, wie sehr sich die Stadt verändert hat und wie schön sie geworden ist. Da habe ich mich über jeden Pfennig Steuer, den ich dafür gezahlt haben mag, einfach nur gefreut.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

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  • Also ich saß auch vor dem Fernseher gehockt und gelacht und geweint zugleich.
    Und ich kam aus dem Staunen nicht herraus.


    Das Beste allerdings war, als ich zu meiner Omi gefahren bin und mit ihr nach Wetsberlin wollte:"Bärbelchen hat sie gesagt du kommst doch da garnicht hin." Doch Omi hab ich gesagt seit gestern schon. Und dann hat sie mir die Orte gezeigt die sie schon soooooooo lange besuchen durfte. :grin

  • Es war schon recht spät am Abend, ich habe auf dem Fußboden gesessen, Wein getrunken, an irgendeiner Geschichte rumgedoktort. Wenn ich mich recht erinnere, lief ein Album von Roxy Music. Der Fernseher war eingeschaltet, aber der Ton abgedreht - CNN. Irgendwann sah ich hoch, da waren lauter Trabbis. Unmengen Trabbis. Und Leute mit Deutschlandfahnen, und Menschen, die sich umarmten, und solche, die seltsame Siebziger-Jahre-Klamotten anhatten und in Kameras weinten. Ich dachte erst, da liefe eine Doku, dann klingelte mein Telefon. Ein Kumpel stand in einer Telefonzelle und brüllte irgendwas, gegen unglaublichen Hintergrundlärm. Er schrie: "Mauer". Dann legte er auf oder ihm wurde der Hörer weggerissen, da habe ich den Ton angedreht. Mauerfall. Grenzen offen. Klar, dachte ich mir, verarschen kann ich mich alleine. Ich habe umgeschaltet, auf allen Kanälen dasselbe. Dann bin ich in meine Klamotten gesprungen, habe mir auf der Marienfelder Chaussee ein Taxi gefangen und versucht, zum Brandenburger Tor zu kommen. Das Radio war voll aufgedreht, der türkische Taxifahrer wollte es auch nicht glauben. Eine Stunde später stand ich auf der niedrigen, äußeren Begrenzungsmauer am Pariser Platz. Himmel und Menschen. Ich habe Sekt getrunken, bin durchs Brandenburger Tor spaziert, nur ein paar Meter, schließlich standen auf der anderen Seite immer noch Soldaten mit Kalschnikows.


    Ich habe drei Tage nicht geschlafen. Irgendwann hatte ich eine etwa zwanzigköpfige Gruppe Ossis um mich herum, ein paar Freunde waren dazugestoßen, und wir sind gemeinsam durch Discos, auf deren Tanzflächen weinende Ostberliner standen, durch Pornokinos, die aus allen Nähten platzten, durch Kneipen, Kinos, Kaufhäuser und Banken. Sie wollten alles auf einmal sehen, und wir taumelten voller Stolz, Rührung und grenzenloser Fassungslosigkeit vorweg oder hintendrein. Am 13. November bin ich dann ins Bett gegangen, und als ich zwanzig Stunden später erwachte, dachte ich, es wäre nur ein Traum gewesen. War es aber nicht, glücklicherweise. Ich bin sehr froh, daß das passiert ist, auch wenn man rückblickend vieles hätte besser machen können, in den Jahren danach. Später hätte man immer alles besser machen können. Aber das Wort "Ostalgie", das finde ich zum Kotzen.


    Ich gehe nachher mit einem gebürtigen Leipziger ein Bier trinken. Wir sind gute Freunde. Alleine das ist es wert, egal, was es insgesamt "gekostet" hat. Und meine Frau stammt übrigens aus Potsdam.

  • Ach Mensch, Tommilein - ich hätte was darum gegeben, wenn ich damals nicht soweit wech jewesen wär.... *schnief* - Du bist der Einzige, den ich kenne, der da wirklich dabei gewesen ist. *Naseschnaub*
    Meine besten Freunde wohnen in Friedrichshagen. Ohne den Mauerfall hätte ich die niiiieee kennengelernt!


    Im Februar, flüchtend vor unserem Faschingsgedöns, waren wir das erste mal in der "Zone"... - im Thüringer Wald. Und natürlich in Erfurt. Du meine Güte, was haben meine Kinder geglotzt und gestaunt. Vor allem, als sie mit nem Trabbi mitfahren durften.
    Quartier gabs damals nur "privat" - der Leiter des "Erholungsheimes für Volksarmisten" hat sich nicht getraut uns ein Zimmer zu geben.. Ein Jahr später wärs gegangen. Und ich durfte endlich mal einen Broiler kosten.
    Um uns herum war die Luft nebelig und stank durch 2-Takt-Gemisch und Hausbrand (haben die damals mit Plastik geheizt?) zum Himmel und lächelnd fragte uns die Gastwirtin: " Nä wahr? Ihr kommt ooch wejen der guten Luft zu uns?" :lache

  • Zu dem Zeitpunkt, als die Nachricht des Mauerfalls durch die Medien ging, war ich noch ein kleiner Stift. Alle um mich herum haben sich tierisch gefreut und gelacht, und Oma ist in den Keller gestürzt und hat eine Flasche "guten" russischen Sekt geholt, dem sie sicher 20 Jahren da unten liegen hatte. Ich konnte das nicht so verstehen. Ich hab die Bilder von tanzenden Menschen auf einer Mauer gesehen und mich gefragt, was die alle nur haben. Meine Mutter hat's mir dann kindgerecht erklärt. Am nächsten Tag hatte ich Schule. Das weiß ich noch. Nachdem zwei weitere Schüler und ich zwei Stunden vergeblich auf den Rest der Klasse und die Lehrerin gewartet hatten, sind wir nach Hause. ;-)
    Da war selbst den Arbeitern nicht mehr zum Arbeiten zumute.


    An eine Sache kann ich mich auch noch erinnern. Wir haben so eine richtig "rote Socke" in der Familie. Er hat sich damals mit seinen Parteigenossen mit Polizeischutz im Parteihaus verschanzt, weil sie Angst hatten, dass die jubelnde Menge sie lynchen würde. Anscheinend haben sie krampfhaft überlegt, wie man die Mauer doch noch retten könnte.


    Die Tage danach waren allerdings sehr merkwürdig. Wir sind dann von einer Bekannten nach Sontra gefahren wurden (wir selber hatten kein Auto) wegen irgendsoeinem Begrüßungsgeld. Wir standen dann in einem riesigen Gang, der vollgestopft war mit Menschen. Menschen, die kleine Kinder auf dem Arm hatten, die ununterbrochen geschrien haben. Das war echt schrecklich. Meine Mutter hat sich angestellt und gewartet, während mein Vater mit mir durch Sontra spaziert ist. Dann ist eine alte Omi an uns vorbei gelaufen, die uns gefragt hat: "Sind sie aus dem Osten?" Meinem Vater schien irgendetwas peinlich zu sein, als ich strahlend und laut. "Ja!" gerufen hab. Dann hat die nette Omi mir eine Tüte Goldbären geschenkt. Einfach so. Naja, die Tüte hat den Nachmittag nicht überlebt. :-)

  • Ich hab das als Invasion von Ausserirdischen empfunden..echt.
    Als Kind wohnte ich fast im Zonenrandgebiet, die DDR war Feindgebiet, durch meinen Vater hab ich kaum was erfahren darüber, war bei der Bundeswehr, für ihn war das der Feind und fertig.
    Während des Erwachsenwerdesn hab ich mich so gar nicht für die Brüder und Schwestern im Osten interessiert, war einfach ein fremdes Land, mit eigenartigen befremdlichen Sitten und Gesetzen, irgendwie war es Russland mit deutschsprechenden Einwohnern.
    Mehr wollte ich als junger Mensch gar nicht wissen.


    Am Rande mitbekommen, dass Menschen an der Grenze erschossen wurden, dass Geld floß, wenn Leute ausreisen durften.
    Rentner durften eh gehen, das wusste man, einreisen wollte freiwillig eh keiner. Verwandtschaft hatten wir keine, die uns da irgendetwas näher bringen konnten.
    So, nun beginnt diese fremde Land sich zu öffen..begann ja schon früher, mit den Montagsdemos u.s.w., jeder wartete..gleich kommen die Panzer und machen alles platt, aber nichts ist passiert....Wunder!!
    da wurde ich auf einmal hellhörig, guck an da wohnen ja Menschen mit Bedürfnissen, war mir vorher nie sooo klar..ehrlich und peinlich.


    Dann Flüchtlinge, Ungarn..Mauerfall..ich saß vor der Glotz wie gelähmt und hab mir die Menschen betrachtet, die mit wehenden Fahnen aus der DDR kamen..die selbst kaum glaubten was sie da taten.
    Für mich sehr, sehr befremdlich und spannend und sehr rührend.


    Als ich mit Mariegod durch die neuen Bundesländer fuhr,Richtung Berlin(übrigens das erste Mal..denn ich hatte da nie was zu suchen oder so, war, bzw. ist es immer noch befremdlich für mich..komisch, ist aber so.


    Nun sind sie unter uns..ganz normal, keiner wundert sich wenn er neben sich sächsisch oder thüringisch hört...schön und so normal.
    Man kennt die Wort Plaste und Broiler


    Danke nochmal an Heaven, die mir in Berlin sooviel erklärte!!

  • Tja Alex - so sieht man doch den Unterschied. Ich denke, die meisten "Westdeutschen" hatten zur DDR keinen Bezug oder sehr wenig.
    Meine Großeltern sind im Oktober 1960 von Ostberlin "rübergemacht" nach Westberlin.
    Dadurch dass die im Osten lebten, waren sie für die Vorgesetzen meines amerikanischen Vaters "Spione" und somit wurde ihm die Hochzeit mit meiner Mutter untersagt und er von Landsberg/Lech nach Indochina versetzt. Sämtliche Briefe hin- und retour wurden vom Militärgeheimdienst abgefangen. usw usw.
    Und die liebe Sisi durfte nicht mehr bei Oma und Opa wohnen, sondern musste in die Fremde nach Ingelheim..
    Als dann meine Großeltern im Westen wohnten, durfte ich dann endlich wieder zu ihnen...
    So war das bei mir. Mein Schicksal ist also ganz eng mit der Mauer und dem kalten Krieg verbunden. Ach ja: Tanten und Onkel hatte ich natürlich da auch noch.

  • Ach ja. Ich heule, wenn ich es im Radio höre, wenn ich alte Bilder, vor allem bewegte, sehe und wenn ich eure Beiträge lese. Immer noch.


    Eigentlich war ich damals noch nicht voll dabei, dritte Klasse, aber die Fernsehberichte sind nicht an mir vorbei gegangen, der Jubel der Erwachsenen erst recht nicht. Die Spannung davor, das Drama, ob man gefahrlos an Demonstrationen teilnehmen konnte oder nicht, dass wurde mir erst später bewusst.
    Aber das erste Mal im Westen, in irgend einem kleinen bayerischer Ort, das war schon was. Allein die vollen Züge in Plauen, Menschen über Menschen, auf dem Weg zum Bahnhof, auf dem Bahnsteig, den Gleisen und vor allem vor, hinter und halb aus den Fenstern. Heute weiß ich, die Angst vorm schnellen Ende des Neunanfangs, der Unglaube, das es tatsächlich wahr ist und Bestand hat, das hat die Menschen getrieben.
    Und dann die erste sich von allein öffnende Glastür einer Bank. Wow. Meine Schwester hat gebrüllt wie am Spieß und wir sind alle mehrere Schritte zurück gesprungen. Zauberei? Im Supermarkt haben wir uns für ganz wenig Geld (sollte ja länger reichen) mit Schaumküssen beruhigt und erfreut wohlmeinende Geschenke entgegen genommen.
    Die paar unschönen Erlebnisse, Zusammenstöße mit genervten Bayern, oder besser Oberfranken, die zähle ich nicht mit. Die haben andere "Wessis" in anderen Bundesländern schon lange wett gemacht.
    Heute liebe ich meine Freiheit, meine Wahlmöglichkeiten, meine internationalen Kontakte. Manchmal denke ich daran, was alles nicht möglich gewesen wäre. Da wird man dann schon mal nostalgisch, oder besser gerührt, und wirft sich eine Ladung Zettis Knusperflocken rein.


    Was ich lustig finde: es gibt ein paar Leute, die sich krampfhaft bemühen, das Wort Ostdeutschland nicht zu benutzen, sondern suchen nach verschraubten Wendungen, stammeln, straucheln. Ich lache dann. Ostdeutschland, oder? frage ich oft und ein erleichtertes Nicken ist der Lohn. Kein Problem, finde ich. Ostdeutschland liegt ziemlich genau im Osten Deutschlands und ist, meiner Meinung nach der treffendste Begriff. Wenn es einen negativen Klang haben sollte dann doch nur in unseren Köpfen, oder?


    Ich bin dankbar für das, was passiert ist. Ich habe ein die Geschichte prägendes Erlebnis der friedlichen Art erleben dürfen, lebe heute dort, wo mich mein Kopf und mein Wunsch hingeführt hat, nicht die eingeschränkt freundschaftlichen Beziehungen eines Staates und fühle mich langsam langsam gesamtdeutsch mit Hang zur sächsisch-vogtländischen Region. Es gibt vielleicht keinen goldenen Westen mehr, aber ein buntes Deutschland.


    Liesbett


    PS.: Auf der Frankfurter Buchmesse fand ich mal eine schöne Postkarte. Ihr Aufdruck: Nordi, Ossi, Südi, Wessi. :grin
    PPS.: Steuern zahlen wir alle und Berlin ändert sich nicht weniger rasend schnell wie die ostdeutschen Stadtansichten. Ich mag es, wenn alles schöner wird. Lieber das Geld hierfür ausgeben, als in teuren Luxus für Staatsdiener stecken.

  • In der heutigen "Abendschau" auf dem rbb haben sie wieder die alten Bilder gezeigt.


    Auch das wo sich die beiden Polizisten(ost und west)oben an der Mauer die Hand reichen.


    Wie viele andere sehe ich die Bilder jedes Jahr aber irgendwie sind die Gefühle immer noch die selben wie damals und dabei ist das jetzt schon 17 Jahre her.

  • @ Tom


    Zitat

    Aber das Wort "Ostalgie", das finde ich zum Kotzen.


    Endlich mal jemand!


    Woanders im net schreibe ich mir seit Jahren die Finger wund gegen die elenden Jammerer, die nur das Negative der deutschen Einheit sehen und nur gegen die neue Zeit meckern können, die "Mauer wiederhaben wollen".


    Wessis, die "alles" zahlen müssen, Ossis, für die "früher alles besser" war...


    Klar, als allergrößten Nachteil der Wiedervereinigung kann man die Erfolge von PDS und NPD verbuchen, aber das Gejammere um den Rest steht nicht im Geringsten im Verhältnis zu den Errungenschaften.


    Allein die außenpolitische, globale Dimension: Das Ende das kalten Krieges. Allein das war mehrere Millionen Arbeitslose, NPD, PDS und Hartz IV wert.
    Wer das verkennt scheint mir naiv, weil er offenbar nicht ansatzweise begriffen hat, welche Bedrohung jahrzehntelang allgegenwärtig war.


    Und dann gibt es (zumindest als Beitragsschreiber in anderen Foren) zuhauf Deutsche aus den "neuen" Bundesländern, die sich offenar lieber von der Stasi großbrudern lassen und auf eine alte stinkene Klapperkiste 17 Jahre warten würden, anstatt sich selbst und frei ums eigene Fortkommen beruflicher Natur zu kümmern.
    Das ist kein pauschaler Vorwurf, sondern gilt eben jenen, die trotz ihrer "perspektivenlosen" Lage nur Energie in ostalgisches Gejammer investieren, anstatt sich eigenständig zu kümmern.


    Sich die DDR zurückzuwünschen, die heutige Situation als schlechter darzustellen, halte ich für eine extrem radikale und destruktive Einstellung, wahrscheinlich von ausufernden Egoismus geprägt.


    Gut ist aber, dass der "Ostalgie" inzwischen wirklich immer weniger Menschen frönen, inwischen lieber in die Zukunft schauen, um zu sehen, wo sie bleiben. Ausserdem darf man ja (nicht zuletzt durch die WM) beobachten, wie die Deutschen Ost wie West mittlerweile ein viel gesünderes und normales Verhältnis zur eigenen Nation entwickeln, als es früher denkbar war.

    Wer viel schmeißt hat bald nichts mehr!

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  • Ich selbst war noch recht jung.


    Wir waren bei Onkel und Tante zu Besuch und abends sagte jemand, man müsse unbedingt den Fernseher einschalten. Das wunderte mich sehr, weil bei Familientreffen ein laufender Fernseher bei uns sehr unüblich war.


    Ich war schwer beeindruckt und hatte Angst vor zornigen Russen, die sich das nicht gefallen lassen würden....

    Wer viel schmeißt hat bald nichts mehr!

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  • Ich war ja noch recht jung damals (8 Jahre gerade mal). Eigentlich wusste ich gar überhaupt nichts über dieses Thema.


    Ich kann mich allerdings daran erinnern, dass ich am nächsten Tag einen Fernsehbericht gesehen habe, bei dem mich einerseits die Bilder beeindruckt haben und andererseits der Satz eines Mannes, der im Studio (?) interviewt wurde: "Wer heute Nacht geschlafen hat, war tot." Da hab ich mir gedacht: Himmel, da ist irgend etwas Großes passiert! Etwas ganz Großes!


    Heute kommen mir immer wieder fast die Tränen, wenn ich die Bilder sehe. Ich finde das so absolut unglaublich, was damals passiert ist und vor allem wie! Mir fehlen da gerade etwas die Worte. Wenn ich jetzt sprechen würde, dann würde ich sprudeln und alles doppelt und dreifach sagen. So viel so intensiv betonen. (Die, die mich kennen, wissen was mich meine. :grin)


    Höchst interessant finde ich die Erfahrungen, die ich damals mit Ausstausch-Schülern unserer Schule gemacht habe. Und die Geschichten, die mir von Freunden erzählt wurden, die direkt mit der ehem. DDR, mit einem versteckten Mann im Wohnwagen der Eltern, mit Verwandten-Besuchen etc. zu tun haben.

  • Zitat

    Ick war darfür zu klein, um überhaupt was zu raffen....


    Hm... also ich war ja noch ein Jahr jünger als du, also fast 8.
    Ich hab das schon gerafft.
    Ich fand die Bilder im Fernsehen total bewegend. Erinnert sich eigentlich noch wer an David Hasselhoff, wie auf diesem Kran steht und "Looking for Freedom" über die Mauer gröhlt? Das lief tagelang im TV.


    Ein paar Wochen später haben wir dann einen Ossi in die Klasse bekommen und ich hab erstmal eine dicke Prügelei angezettelt, weil ich in irgendeiner Ecke stand und von meinem Onkel Ossi erzählt hab. Der Neu-Ossi aus der Klasse dachte, ich läster über ihn und hat mir erstmal ein paar auf die Nase gegeben, dabei heißt mein Onkel doch bloß Oswald und abgekürzt halt Ossi... seufz. :lache


    Vor dem Fall der Mauer waren meine Eltern irgendwann mal bei entfernten Verwandten da drüben und da war man da wohl, weiß der Geier wo, auf Bärenjagd gewesen, als sie mir das erzählt haben, da war die DDR für mich so eine Art großer Zoo, man bedenke, echte Bären... :lache

  • Ich war an diesem Wochenende in Hamburg, und irgendwann nachts fuhren Trabbi-Kolonnen über die Straßen. Es wurde gehupt, gelacht, geweint, Sekt wurde rüber- und reingereicht, die Stimmung ähnelte dem ausgelassenen WM-Dauerfeiern, das wir in diesem Sommer erlebt haben. Ich weiß noch, dass ich gleichermaßen ungläubig wie überrascht war: Kein Krieg, kein politisches Handeln war notwendig gewesen, diese Maueröffnung zu erreichen, es war tatsächlich das Volk, das hartnäckig-fröhlich plötzlich in Hamburg auftauchte.


    Ziemlich schnell wurde normal, was vorher nicht möglich gewesen wäre: Die Tagesmutter meiner Tochter kam aus Bautzen und redete auch so, meine Mutter-Kind-Kur fand in Thüringen statt und wir Ost-West-Mütter haben unsere Erfahrungen, unsere Lieder und unsere Haushaltsgewohnheiten miteinander verglichen - und mit nach Hause genommen habe ich die Liebe zum Goldmännchen-Tee, zum Rennsteig und zum sächsischen Dialekt.
    Mein Sohn musste in der Schule sämtliche Bundesländer nebst Hauptstadt auswendig lernen, und als ich ihn beim Abfragen aufforderte, die fünf neuen Länder aufzuzählen, guckte er irritiert: Welche neuen??


    Neulich, in Berlin, bin ich ein Stück Mauer entlanggelaufen, der Verlauf ist innerhalb der Gehwegplatten markiert, ich habe mir das Museum beim Checkpoint Charlie angesehen, und dann habe ich mich gefragt, ob das tastächlich schon alles Geschichte ist. Unglaublich.


    Und ich will immer mal ins Elbsandsteingebirge und zur Mecklenburger Seenplatte und auf Rügen war ich auch noch nie. Gut, dass mich keine Mauer daran hindert, solche Pläne in die Tat umzusetzen!



    Lieben Gruß


    polli

  • Ich gehöre auch zu den "Wessies", die zu der DDR keinerlei Bezug hatten. Für mich war das Ausland. Wie Polen eben oder auch die UDSSR.
    Ich war als junger Mensch ziemlich unpolitisch. Natürlich sind die Meldungen von den Demos auch an mir nicht vorbei gegangen, aber ich habe das nur mit neugierigem Staunen betrachtet.


    Während des Mauerfalls war ich in Australien. Ich habe die Stimmung in Deutschland deswegen garnicht mitbekommen und weiß auch nicht, was genau ich an dem Abend gemacht habe, weil ich es etwas zeitverzögert erfahren hab. Die australischen Zeitungen berichteten davon, allerdings dachte ich, die Australier hätten da was falsch verstanden. Die Mauer offen? Niemals, oder?


    Eines Abends saßen wir in einem Restaurant, und eine Australierin vom Nebentisch, die uns als Deutsche erkannt hatte, kam auf uns zu und sprach uns ihre Freude über die Maueröffnung aus. Ich glaube, da hab ich zum ersten Mal das Ausmaß erkannt, naiv wie ich war.

  • Zitat

    Ich fand die Bilder im Fernsehen total bewegend. Erinnert sich eigentlich noch wer an David Hasselhoff, wie auf diesem Kran steht und "Looking for Freedom" über die Mauer gröhlt? Das lief tagelang im TV.


    Ich hab immer gedacht ich hätte alles dazu gesehen. :gruebel
    Das gehörte definitiv nicht dazu, komisch. :grin:gruebel