Rückentext
Während die Menschenmassen andächtig dem Prolog des Christkinds lauschen, stürzt ein dicker Mann von der Fleischbrücke und ertrinkt in der Pegnitz. Der erste einer Serie mysteriöser Unfälle, die sich im vorweihnachtlichen Nürnberg ereignen und alle eines gemeinsam haben: Die Opfer haben vor ihrem Tod ein ungewöhnlich ausgeprägtes Interesse an dem großen Sohn der Stadt gezeigt: Albrecht Dürer.
Autor
Jan Beinßen, Jahrgang 1965, kam 1993 von Hameln nach Nürnberg, wo er seitdem als Journalist tätig ist. 1997 erschien sein erster Roman "Zwei Frauen gegen die Zeit", 1998 folgte der Thriller "Die Genfalle", 2001 der Kriminalroman "Messers Schneide".
Meine Meinung
Paul Flemming ist freischaffender Fotograph um die 40, am liebsten als Akt-Künstler aber sonst auch gerne gegen Geld für das Fremdenverkehrsamt oder andere Werbeaufnahmen. Dabei sieht es augenblicklich finanziell etwas Mau aus, abgesehen von seinem Exklusiv-Auftrag, Aufnahmen während des Eröffnungsprologs des Nürnberger Christkinds von der Brüstung der Frauenkirche aus zu schießen. Dummerweise wird sein Auftraggeber Helmut Densdorf, der Chef des Tourismusamtes, nur wenige Augenblicke später tot aus der Pegnitz gezogen. Dieser hatte zuletzt mit Feuereifer am Projekt der Dürer-Haus-Restaurierung gearbeitet. Auf dieser Baustelle ist einige Tage zuvor ein Handwerker, vermeintlich bei einem Unfall, ums Leben gekommen.
Da der Vertrag zwischen Paul und dem Tourismusamtsleider nur mündlich bestand, sitzt er also wieder ohne Geld da und versucht sich durch die Fotoaufnahmen und Recherchen über die Unfälle zu verdingen. Im Laufe dieser Recherchen entdeckt er immer mehr Zusammenhänge und findet heraus, dass es sich ganz offenbar nicht um Unfälle handelte. Auf Fotoaufnahmen die er kurz vor dem Tod von Densdorf schoß, ist hinter Densdorf eindeutig der Umriss einer weiteren Person zu erkennen. Kurze Zeit später, wird in Pauls Loft eingebrochen und alles durchwühlt...
Soweit so gut. Ich bin auf dieses Buch durch die Lesung des Nachfolgers ("Sieben Zentimeter") in einer Buchhandlung in meiner näheren Umgebung aufmerksam geworden, habe an dieser allerdings nicht teilgenommen. Nachdem der Krimi in Nürnberg spielt und auch noch in der winterlichen Jahreszeit habe ich ihn mir also mal zur Brust genommen.
Das Ergebnis ist mehr oder weniger Durchwachsen. Es handelt sich um einen ganz gewöhnlichen Durchschnittskrimi der sich den gängisten Klischees bedient (Beamte sind dröge, Polizisten sind entweder doof oder sonst irgendwie inkompetent, Politiker oder sonstige haben alle irgendwie Dreck am Stecken, Reporter sind schmierig). Der Ermittler Paul Flemming ist zwar auf seine Art sehr charmant, dennoch hätte der ständige Vergleich mit George Clooney nicht sein müssen. Spätestens nach der vierten Anspielung dieser Art wäre es auch dem Dümmsten klar: Dieser Mann sieht ganz offenbar sehr gut aus (zumindest wenn man auf Clooney steht). Danke. Jetzt wissen wirs.
Der Handlungsort Nürnberg hat natürlich für Ortskundige seine Reize, aber leider muss ich auch hier feststellen: Die Geschichte wäre ohne allzuviele Umschreibarbeiten auch in jeder anderen Großstadt möglich gewesen. Dann wäre es z.B. eben nicht Dürer sondern irgendein anderer Künstler. Mir hat ein bisschen das eigentliche Wesen von Nürnberg und seinen Bewohnern gefehlt. Das gewisse etwas, das mir ohne Ortsnamen sagt: Jawohll, ich bin in Mittelfranken. Mumpflig aber herzlich, streitsüchtig aber maulfaul, etc. Außer einem gelegentlichen Hinweis, dass sowohl Christkind als auch Bratwurst und Dürer unantastbar sind, fiel mir diesbezüglich zumindest nichts auf (okay, der Bäcker kommt vielleicht noch hin).
Kommen wir zur eigentlichen Geschichte. Spannung baute sich für mich nur im Hinblick auf den genauen Tathergang auf, da mir der Täter sofort bei seinem ersten Auftauchen als solcher auffiel und bewußt war. Ich hab mir während des Lesens nebenher Fragen notiert, die sich mir stellten. Auf einige dieser Fragen gibt es leider keine oder zumindest keine ausreichenden Antworten. Da wäre u.a. das manchmal nicht nachzuvollziehende Handeln der Figuren. Als Beispiel Paul: In seine Wohnung wurde zwei Mal eingebrochen und er wurde einmal in einer dunklen Gasse überfallen. Also ich an seiner Stelle hätte mir da mindestens ein Pfefferspray wenn nicht sogar eine Schreckschusspistole zugelegt (zumal er mehrfach erwähnt welche Angst er jetzt hat), aber nichts dergleichen. Immer wieder redet er davon, wie unsicher er sich seitdem in seiner Wohnung fühlt, wie angreifbar und verletzlich. Ein paar Tage später schläft er nachts mit weit geöffneten Fensterluken, obwohl die Polizei vermutete, dass durch eine solche der Einbrecher in die Wohnung kam. Für meine Begriffe wirklich nicht nachvollziehbar. Auch nach der eigentlichen Auflösung der Geschichte gab es leider, zumindest in meinen Augen, noch immer Ungereimtheiten.
Der berühmteste Sohn der Stadt muß sich im Laufe der Geschichte auch so einiges heißen lassen. Es wird unter anderem die Vermutung geäußert, die meisten Gemälde Albrecht Dürers wären, mit seinem Wissen, von anderen Malern geschaffen und dann einfach mit seinem Monogramm versehen worden. Er war schwul oder mindestens bisexuell und außerdem hat er gekifft (ja, und die letzte Behauptung, Achtung jetzt kommts, stammt vom Pfarrer). Ich hab mal etwas oberflächlich mit google und bei wikipedia gesucht, konnte aber keine der 3 Angaben irgendwo erwähnt finden. Aber vielleicht müsste ich dazu tiefer buddeln, oder es ist eben einfach der Phantasie des Autors entsprungen.
Als Charakter mochte ich Paul ganz gern (aber auch erst ab ca. der Hälfte des Buches), außerdem seinen Kumpel, Pfarrer Hannes Fink, der merkwürdigste katholische Geistliche der mir bis jetzt in Büchern untergekommen ist. Ich denke, ich werde den Beiden noch eine Chance geben. Soooo schlecht wars dann ja auch wieder nicht. Ich gebe mal 6 von 10 Punkten und werde bei Gelegenheit mal die Fortsetzung erwerben.