Einer, der bleibt – Annette Herzog (ab ca. 7 J.)

  • Einer, der bleibt – Annette Herzog


    Geschichten vom Krieg werden eher selten für kleinere Kinder geschrieben. Annette Herzog (geb. 1960 in Berlin) hat sich an das Thema gewagt. Die Autorin schreibt nach einigen Berufsjahren als Dolmetscherin und Übersetzerin inzwischen hauptberuflich Kindergeschichten vor allem fürs Radio und auch Noras Geschichte wurde zuerst im Radio gesendet. Annette Herzog lebt seit 1991 in Dänemark.
    „Der Krieg war über die Stadt getobt wie ein wütender Drache, der Feuer spuckt...“, so beginnt es eindrücklich genug und eindrücklich bleibt es auch. Die kleine Nora erwacht in einer Trümmerwelt, alles ist anders, verbrannt, zerstört. Vor allem aber ist sie allein. Ihr Leben vor dem Drachen ist verschwunden und mit ihm ihre Stimme, sie kann nicht mehr sprechen. Vor der Angst und der Einsamkeit aber regiert der Hunger. Die ersten Stunden vergehen mit der Suche nach etwas Eßbarem. Ein wenig außerhalb der Stadt findet sie Mandarinenbäume und einen Hund. Er ist groß und schwarz und macht Nora zunächst nur Angst, dann aber stellt sich heraus, daß er mit dem Kriegsdrachen nichts zu tun hat. Langsam freunden sich die beiden an, unterstützen sich im Drang nach purem Überleben. Nicht nur Nahrung fehlt, sondern auch Wasser, erst ein Regenguß rettet sie vor dem Verdursten. Noch immer gibt es keine Worte, es gibt nur Blicke und Gesten. Und die Erinnerung an ein Früher, das in Noras Träumen auftaucht.
    Als schließlich Menschen kommen, kann ihnen Nora zunächst nicht trauen. Der Drache regiert noch in ihr. Es ist der Hund, der dafür sorgt, daß Nora schließlich doch gerettet wird.


    Das Ganze ist knapp und sparsam erzählt, mit einem hervorragenden Verständnis für die Bedürfnisse einer sehr jungen Zuhörerschaft, ohne daß es aber für Erwachsenen langweilig würde. Die Angst, die Einsamkeit und Fremdheit, die eine verwüstete Umgebung in einem auslösen, sind realistisch beschrieben und atmosphärisch dicht. Ebenso die Ausbrüche schieren Glücks beim Regen etwa oder wenn der Hund am Morgen fieberfrei aufwacht.
    Sparsam eingesetzt sind auch die Bilder von Gretje Witt, es sind nur sieben auf den 62 Seiten, fünf davon ganzseitig, schwarz-weiß, wie Bleistiftzeichnungen, vorgeblich einfach wie die ganze Geschichte und in Wahrheit sehr durchdacht und überzeugend.
    Ein Büchlein also über Angst und Mut, über Einsamkeit und Vertrauen, dessen Inhalt nicht nur für eine sehr junge LeserInnenschaft interessant und spannend ist.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus