Besessen - Antonia S. Byatt

  • Antonia S. Byatt: Besessen (Possession. A Romance)


    Inhalt


    Der junge Literaturwissenschaftler Roland Michell gerät in den Besitz eines bislang unbekannten Dokuments: den Entwurf eines Briefes, den der berühmte viktorianische Dichter Randolph Henry Ash an eine Dame zu schreiben beabsichtigte. Roland beginnt Nachforschungen anzustellen. Es gelingt ihm, herauszufinden, wer die geheimnisvolle Adressatin war, nämlich die Lyrikerin Christabel LaMotte, und so sieht er sich gezwungen, die Wissenschaftlerin Maud Bailey, die deren Nachlaß betreut, in sein Geheimnis einzuweihen. Gemeinsam machen sie eine aufsehenerregende Entdeckung: Im Sterbezimmer der Christabel LaMotte finden sie ein Bündel Liebesbriefe - Briefe, die beweisen, daß R. H. Ash, der weltgewandte Literat und vorbildliche Ehemann, und die exzentrische Dichterin, die als alte Jungfer starb, eine leidenschaftliche Beziehung unterhalten haben, aber nicht nur das ...


    Autorin
    A.S. Byatt ist 1936 in Yorkshire geboren und besuchte dort eine Quäker-Schule. Ihr Vater war zuerst Anwalt, später Richter. Sie studierte in Cambridge und am Bryn Mawr College. A.S. Byatt hat an der London University gelehrt, an der Central School of Art and Design und seit 1972 am University College in London. Seit 1983 hat sie das Lehramt aufgegeben, um sich ganz dem Schreiben zu widmen.
    A.S. Byatts erster Roman, Shadow of Sun, erschien 1964; ihm folgten die Romane The Game (1967), The Virgin in the Garden (1978) und Still Life (1985) sowie der Erzählband Sugar and Other Stories (1985). Für ihren Roman Possession (Besessen) erhielt sie 1990 den Booker-Preis und den Irish-Times/Aer Lingus International Fiction Prize. Zu ihren wissenschaftlichen Veröffentlichungen zählen der Band Unruly Times: Wordsworth an Coleridge in Their Times (1970) und Passions of the Mind (1991). Die Novellen Angels and Insects erschienen 1992.
    A.S. Byatt war Mitglied verschiedener literarischer Jurys, darunter der, die den Booker-Preis bestimmt. Sie ist eine bekannte Literaturkritikerin, die regelmäßig für das Times Literary Supplement, die Sunday Times und die BBC schreibt. A.S. Byatt war Vorsitzende der Society of Authors und Mitglied des Kingman Committee on the teaching of English Language. Sie ist Fellow der Royal Society of Literature und wurde für ihre schriftstellerische Tätigkeit 1999 zur >Dame Commander of the British Empire< ernannt. 2002 erhielt sie den Shakespeare-Preis der Hamburger Alfred Toepfer Stiftung.
    A.S. Byatt hat drei Töchter und lebt in London.



    Meine Meinung


    Der Roman erzählt von Roland und Maud, die gemeinsam herausfinden wollen, welche Verbindung zwischen dem bekannten Literaten R.H. Ash und der Lyrikerin Christabel LaMotte bestand.
    Sie finden Briefe (und wir lesen den gesamten Briefwechsel), sie beschäftigen sich mit dem Werk der beiden Dichter (und wir lesen teilweise komplette poetische Werke), sie ziehen Tagebücher zu Rate (und wir lesen über Seiten hinweg die Tagebucheintragungen von Ashs Ehefrau z.B.).
    Man beachte: Auch wenn Byatt ihrem Roman durch die Einbindung vieler scheinbar authentischer Dokumente den Anschein der historischen Nachprüfbarkeit gibt, sind die Charaktere fiktiv.


    Für mich war die Lektüre dieses Romans harte Arbeit. Aber es hat auch Spaß gemacht, gemeinsam mit Roland und Maud die Puzzleteile aus einer Unmasse von Text herauszufiltern und zusammenzusetzen.
    Wer sich in der engl. Literatur des 19. Jh. auskennt, wird sicher einiges in Byatts Roman als Persiflage lesen; wer sich mit der engl. Lyrik der Romantik beschäftigt hat, wird sicher mit den eingeschobenen Versepen mehr anfangen können (als ich z.B. :-()


    Ich gebe Marcel Reich-Ranicki Recht, der über diesen Roman sagt:


    "Wir haben das Recht und die Pflicht, dieses Buch nachdrücklich zu empfehlen ... Dies ist ein geistreicher Unterhaltungsroman für gebildete Leser"


    Da ich leider nicht so gebildet bin, hoffe ich auf weitere "Erfahrungsberichte" zu diesem Buch. Ich fühle mich eigentlich gar nicht in der Lage, es zu rezensieren und wollte nur mal den Anfang machen :-)

  • Hallo,
    leider kann ich dir nicht soooo viel dazu sagen, es ist schon Jahre her, daß ich das Buch gelesen habe.
    Aber es ist hängen geblieben als eines, das ich sehr gerne gelesen habe und das mich beeindruckt hat. Allerdings würde ich es tatsächlich nur Literaturliebhabern empfehlen und sonst wäre ich wohl etwas vorsichtiger, da es je nach Lesetyp evt. ermüdend sein könnte.
    Schade daß die Erinnerung nicht mehr da ist, aber war es nicht eine oder vielleicht sogar zwei ineinander verwobene Liebesgeschichten? Wie auch immer, irgendwann hatte mich das Buch gefangen genommen.
    Außerdem hab ich danach sehr wohl registriert, wenn AS Byatt ein Buch veröffentlicht hatte, aber selbst nie wieder gelesen.
    Hat hier jemand vielleicht diese späteren Bücher gelesen (Stilleben, Jungfrau, "Turm zu Babel" und das letzte dieses Jahr "Frauen die pfeifen"), könnten diese Bücher genauso spannend sein?
    ...und der Film: leider nicht gesehen, könnte dies aber als Erinnerung nehmen, das endlich nachzuholen.
    VG

  • wie witzig: ich habe mir den Film gerade gestern nochmal auf Video angeschaut...


    Aaalso: "Besessen" / "Posession" ist wohl das Grösste, was A.S. Byatt je geschrieben hat. Sie versteht es, zwei viktorianische Autoren samt deren Werken und Briefen so gekonnt zu imitieren, dass man glaubt, die beiden seien real gewesen. Die viktorianische Ära, ihr Zeitgeist, die Konventionen werden erlebbar gemacht. Und auch die Jetzt-Zeit ist gekonnt geschildert. Die Spurensuche von Maud und Roland ist spannend, und wie sich die beiden über der Entdeckung der bislang unbekannten Liebe zwischen Christabel LaMotte und Randolph Ash näherkommen. Der Schluss ist überraschend und ging mir sehr unter die Haut. "Besessen" ist eines der wenigen Bücher, die ich mehrmals gelesen habe, sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch.
    Im Aufbau ist es komplex, mit zahlreichen Querverweisen auf Kunst und Literatur und Seitenhieben auf die literaturwissenschaftliche Forschung unserer Tage. Dass es sich trotzdem flüssig und spannend liest und nicht "schwierig" wirkt, ist wohl das Grösste daran. Ein absolutes Meisterwerk - gehört definitiv zu meinen Lieblings-Büchern EVER!


    Der Film ist für sich genommen gar nicht schlecht, aber an das Buch kommt er nicht heran. Mir haben sehr viele Details gefehlt, und er erreicht keineswegs die Tiefe des Romans, besonders was die Charaktere angeht. Eine Figur (Rolands Freundin und die Geschichte zwischen den beiden) fehlt ganz, worüber ich mich jedesmal aufs Neue ärgere. Nur eines ist gekonnt - die Szenen, in denen Maud und Roland auf den Spuren von Randolph und Christabel sind und sich am selben Ort die beiden Zeitebenen überschneiden. Das ist ganz einfach, aber wunderbar gelöst und macht mir jedesmal eine wunderbare Gänsehaut.


    Mein Tipp: Buch unbedingt lesen, Film danach angucken, wenn er mal wieder im TV kommt (oder man die DVD billig bekommt) - und keine zu hohen Erwartungen daran haben. Hübsch in Szene gesetzt ist er allemal. Aaron Eckhart als Roland ist nett anzugucken, aber wird dem Roman-Roland nicht gerecht, ebensowenig wie Gwyneth Paltrow als Maud. Jennifer Ehle ("Lizzie Bennett" in der BBC-Mini-Serie "Pride and Prejudice") als Christabel laMotte ist definitiv der Star dieses Films!


    Grundsätzlich lohnt es sich immer, A.S. Byatt zu lesen, wie ich finde, weil sie einfach eine großartige Schriftstellerin ist und sehr viel zu sagen hat.


    In meinem Bestand habe ich noch "Geisterbeschwörung" ("The Conjugial Angel") - ist gut, fand ich aber nicht überwältigend.


    "Frauen, die pfeifen" habe ich erst kürzlich gelesen - das ist ja Teil einer Serie, was ich erst nach Kauf des Buchs festgestellt habe. Ging aber auch ohne die vorangegangenen Bände gut zu lesen. (die von ralle genannten gehören glaube ich dazu). Und das fand ich (obwohl "nur" in der Moderne spielend) auch ganz großartig. :-]

  • Ich hab das Buch zwei mal halb gelesen und zwei Mal abgebrochen. Einmal auf Englisch und einmal auf Deutsch. Irgendwie hab ich mich totgelesen an den endlosen Briefwechseln, den poetischen Werken und den Tagebuchausschnitten, ich dachte echt, ich komme nie weiter. Mir fehlt wahrscheinlich auch das Hintergrundwissen und das Interesse, etwas über literaturwissenschaftliche Forschung so detailliert zu lesen. Und dann hat auch noch irgendjemand in einer Amazon-Rezension das große Geheimnis verraten. :fetch

  • Zitat

    "Frauen, die pfeifen" habe ich erst kürzlich gelesen - das ist ja Teil einer Serie, was ich erst nach Kauf des Buchs festgestellt habe. Ging aber auch ohne die vorangegangenen Bände gut zu lesen. (die von ralle genannten gehören glaube ich dazu). Und das fand ich (obwohl "nur" in der Moderne spielend) auch ganz großartig


    ...ach das ist ja schön, daß dir das Buch gefallen hat. Die vier Bände gehören tatsächlich zusammen und die Reihe ist nun abgeschlossen. Drei davon subben schon lange vor sich hin. Könnte ein Schubs sein, sie nicht zu vergessen ;-)

  • Bei mir ist es auch schon ewig her, bestimmt 10 Jahre, das ich das Buch gelesen hab.
    Ich hab mich damals auch sehr schwer getan mit den Briefwechseln. Die waren mir damals zu schwülstig. Heute würde ich das Buch bestimmt anders lesen, auch wenn mir immer noch die nötige Kenntnis über englische Literatur aus der Zeit fehlt.


    Allerdings fällt mir beim Lesen eurer Postings auf, das ich ziemlich viel behalten habe aus dem Buch. Es hat also einen nachdrücklichen Eindruck hinterlassen, und das ist doch auf jeden Fall etwas positives.


    Den Film kenne ich leider nicht.

  • Ich habe das Buch irgendwann gelesen kurz nachdem es im "Literarischen Quartett" besprochen wurde; es muss Jahre und Jahre her sein. Ich erinnere mich jedenfalls, dass es mir sehr gefallen hat, obwohl ich einige der eingestreuten Versepen übersprungen oder allenfalls überflogen habe. Es ist wirklich keine leichte Kost.


    Den Film kenne ich nicht, wusste nicht mal, dass es einen gibt. Aber ich möchte noch auf ein (soweit ich sehe) bisher nicht erwähntes Werk hinweisen, nämlich "Morphus Eugenia", eine Ehe- und Liebesgeschichte - wesentlich kürzer und bedeutend weniger kompliziert als "Besessen", dabei einfühlsam und phantasievoll erzählt. Hat mir sehr gefallen. Nach diesem Buch gibt es übrigens auch einen Film, und den kenne ich sogar. Fand ihn nicht schlecht - Genaueres kann ich nicht mehr sagen.


    Wer Antonia Byatt grundsätzlich mag, aber vor dem enormen Umfang und der Intellektualität von "Besessen" zurückscheut, dem kann man "Morphus Eugenia" auf jeden Fall empfehlen.


    lG Zefira

  • Zitat

    Original von Nicole
    Aaalso: "Besessen" / "Posession" ist wohl das Grösste, was A.S. Byatt je geschrieben hat. Sie versteht es, zwei viktorianische Autoren samt deren Werken und Briefen so gekonnt zu imitieren, dass man glaubt, die beiden seien real gewesen. Die viktorianische Ära, ihr Zeitgeist, die Konventionen werden erlebbar gemacht.


    Ja, ich hab am Anfang auch erst mal nachgeschaut, wer der Dichter R.H. Ash eigentlich ist ... um dann festzustellen, dass er fiktiv ist.


    Ob die Imitation der viktorianischen Ära gelungen ist, kann natürlich nur der einschätzen, der sich in dieser Epoche auskennt, der schon Lese-Erfahrungen mit Original-Literatur gemacht hat.
    Ich fand das Buch wirklich gut und auch nicht schwierig (nur eben zwischendurch anstrengend :grin), aber mir fehlte zum uneingeschränkten Genuss dieses Romans, die "Vorbildung".

  • @ ralle


    Zitat

    Original von ralle
    ...ach das ist ja schön, daß dir das Buch gefallen hat. Die vier Bände gehören tatsächlich zusammen und die Reihe ist nun abgeschlossen. Drei davon subben schon lange vor sich hin. Könnte ein Schubs sein, sie nicht zu vergessen


    Sie stehen bei mir auf dem wunschzettel - aber ich will sie natürlich auf Englisch, und da sind die nicht soo günstig zu haben... :cry
    ausserdem: *wortlos auf die gigantesken SUBs ringsum deut* :lache

  • Im Großbritannien 1989 erforschen zwei Literaturwissenschaftler das Viktorianische Zeitalter: der schüchterne Roland Mitchell versucht, mehr über das Leben des berühmten Literaten Ash zu erfahren, während Maude sich mit der kaum bekannten Christabel LaMotte auseinandersetzt, die laut bisheriger Ergebnisse lesbisch war und mit der Malerin Blanche Glover zusammenlebte. In ihren Recherchen zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die beiden Dichter sich kannten. Während der Recherchen, die sich zu einer spannenden Kriminalstory entwickeln, entspannt sich eine Liebesgeschichte zwischen Roland und Maude, die beide von unglücklichen Beziehungen geprägt sind. Zugleich ist der amerikanische Ash-Forscher Mortimer Cropper mit Hilfe von Rolands Mitarbeiter und Gegener Fergus Wulff den beiden auf der Spur.


    Gleichzeitig erzählt der Roman die Geschichte von Ash und LaMotte, meist dargestellt in Briefwechseln und Tagebucheinträgen. Zur Darstellung dieser Ebene sind auch (fiktive) Werke dieser beiden (fiktiven) Schriftsteller eingefügt. Dominierende Themen sind hierbei zum einen die Bedeutung der Kunst und der (Literatur-)Wissenschaft, wobei vor allem die letztere in Frage gestellt wird, zum anderen wird die titelgebende Besessenheit durchgängig thematisiert. Vor allem die Besessenheit durch die Vergangenheit, wie sie die beiden Wissenschaftler erfahren, spielt eine große Rolle.


    Darüber hinaus sind auch Fragen des Feminismus immer präsent: Die selbstständige Christabel LaMotte hat im Europa des 19. Jahrhunderts ebenso zu kämpfen wie Maude im 20. Jahrhundert sich im männerdominierten Wissenschaftsbetrieb durchzusetzen hat.


    Durch die Verwendung der Tagebuch- und Briefform, die Einflechtung von kompletten poetischen Werken sowie (popular-)wissenschaftlichen Abhandlungen, die zudem jeweils aus zwei sehr unterschiedlichen Jahrhunderten stammen, ist die Struktur des Romanes sehr komplex, macht ihn aber zu einem wirklich postmodernen Werk.


    Meine Meinung:
    Ein guter Roman für lange Abende vor dem Kamin und mit viel Muse zu lesen. Da dort Themen angeschnitten werden, die man eben mit viel Zeit bedenken muss. Zum anderen ist es eine spannende Geschichte über zwei (fiktive) Literaten deren Beziehung nicht eindeutig ist, zum einen Liebe, zum andren Besessenheit und eine Beziehung die nur auf ein Paar Wochen bestehen konnte und über Jahre hinweg aber immer noch Gültigkeit behielt und beide bis zu ihrem Tod nicht freigibt.
    Zum anderen sind dort die modernen Figuren, Roland, ein schüchterner, wenig von sich überzeugter, junger Wissenschaftler, der aber mit großem Feingefühl seine Umwelt vesucht zu verstehen und die verbitterte Maud, die sich immer aufs neue Behaupten muss und zu viel Angst hat nähere Bindungen einzugehen.
    Fazit: Ein anspruchsvolles, postmodernes Werk

  • Ich kann mich der Rezi von Nicole nur anschließen. Ich finde "Besessen" auch phantastisch. Ich mochte das Ineinanderfließen der verschiedenen Geschichten.
    Außerdem konnte ich, da ich selber Literaturwissenschaften studiere, mit den Anspielungen auf den Wissenschaftsbetrieb viel anfangen, ziemlich genau und ziemlich böse...