Chuck Klosterman - Eine zu 85 % wahre Geschichte

  • Titel: Eine zu 85 % wahre Geschichte
    Originaltitel: Killing Yourself To Live 85 % Of A True Story
    Autor: Chuck Klosterman
    Seitenzahl: 284
    Verlag: S. Fischer
    Erschienen: August 2006
    ISBN: 3100382102
    Preis: 18.90 EUR


    Inhalt:
    Chuck ist in Diane verliebt, aber auch in Quincy und Lenore. Die Liebe ist das größte Problem in Chucks Leben. Zum Glück hat der Musikjournalist einen Auftrag - der allerdings scheint noch absurder als sein momentanes Lebensgefühl zu sein. Quer durch die USA fährt er nach Missoula, Ithaca und Rhode Island, an die Orte, an denen Rock-Heroen den Tod fanden. Vom Sumpf, in dem Lynyrd Skynyrds Flugzeug abstürzte bis zum Bungalow, wo sich Kurt Cobain mit einer Schrotflinte das Leben wegschoss. Rockstars sterben exzentrisch - und werden so unsterblich. Ein witzig makabrer Roadmovie durch das Herz der Musik, die an den Sehnsüchten unserer Seele kratzt. Schließlich kehrt Chuck in die Welt der Lebenden zurück. Was er vom Tod halten soll, weiß er immer noch nicht - nur dass er verliebt ist wie zu Beginn seiner Reise - in Diane, Quincy und Lenore.


    Autor:
    Chuck Klosterman ist Musikjournalist und Kultbuchautor. Er schreibt für das „New York Time Magazin“, die „Washington Post“ und die Musikzeitschrift „Spin“.


    Meine Meinung:
    Ist das jetzt eigentlich ein Roman und haben wir es hier mit einem autobiographischen Bericht zu tun. Ehrlich, ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem, wozu man dann allerdings sagen muss, eine sehr gelungene Mischung. Es ist darüber hinaus ein sehr schöner und informativer Ausflug in die Rock- und Popgeschichte. Man trifft auf so gute alte Bekannte wie „Tesla“ und „Hüsker Dü“ – Gelegenheit, sofort an den alten Venylschrank zu gehen und die schwarzen Scheiben nach langer Abstinenz auf den völlig verstaubten Plattenteller zu legen. Glücklicherweise machte es die Nadel noch. Ja, es gab auch eine „Vor-CD-Zeit“. So manches Mal verklärt sich so schon der Blick in der Rückschau, gegen die man sich beim Lesen dieses Buches kaum wehren kann. Es ist auch eine Reise der Wiedererkennung mit Dingen, die leider im Laufe der Zeit zugeschüttet worden sind.


    Wunderbar ist seine Darstellung wie die Popkultur funktioniert:


    Aber so funktioniert die Popkultur. Man redet sich ein, man würde mit anderen eine Realität teilen, die es gar nicht gibt. Jeden Sommer reden die Filmstudios in Hollywood Millionen von Menschen ein, sie sollen sich Blockbuster ansehen, von denen sie im Voraus wissen, dass sie sie nicht ausstehen können.


    Wir begegnen Gruppen wie Queensryche, Oasis (mich graust!), Pearl Jam, Talking Heads, ZZ Top (der Wahnsinn schlechthin!) u.v.a.m. – manchmal auch nur in einem Nebensatz, aber genug, um sich zurück zu erinnern.


    Dieses Buch ist vielleicht ein echtes Roadmovie, echter zumindest als „Easy Rider“ – eigentlich die Mutter aller Roadmovies – es jemals war. Mich hat dieses Buch fasziniert und vielleicht muss man es ein zweites Mal lesen, um nicht dauernd durch die eigene Reise in die Vergangenheit vom Thema ein wenig abgelenkt zu werden. Seine Sprache ist direkt, dabei aber nie verletzend und man merkt eigentlich in jedem Satz deutlich die Liebe Klostermans zur Rock- und Popmusik. Ein sehr lesenswertes Buch!

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Danke für die Rezi, Voltaire! Mich reizte dieses Buch ja auch, aber ich hole es mir höchstens als TB. Ich habe allerdings auch eine völlig vernichtende Kritik in der Zeit gelesen... Somit also gibt es nur eins: eigene Meinung bilden...

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Ich habe das Buch jetzt auch zu Ende gelesen.
    Ein bißchen zwiespältig bin ich nun.
    Die Handlung ist bei diesem Buch eindeutig im Hintergrund. Viel interessanter sind die Gedankengänge, die von philosophisch bis bizarr reichen, und die Geschichten und Episoden, die Chuck Klosterman so nebenher erzählt. Ich kannte längst nicht jede einzelne Band und jeder Song, der in diesem Buch Erwähnung findet, aber das ist auch nicht weiter schlimm. Das Buch bleibt trotzdem interessant.
    Es sind so einige wirklich schöne Gedanken und Sätze in dem Buch verborgen. Und das Buch liest sich sehr kurzweilig.
    Allerdings muß ich sagen, daß es mir nach 200 Seiten dann auch gereicht hat. Mir persönlich wurde es dann irgendwie zuviel. Genau wie bei einem Song, von dem man erst mal nicht genug kriegt und ihn pausenlos hören kann, der einem dann aber auch irgendwann nervt.
    Mich hat auch Chuck und seine egozentrischen Gedankengänge irgendwann genervt...


    Achja, am 17.11. liest Chuck Klosterman auch noch in Frankfurt in der Batschkapp. Im Moment noch leicht genervt, weiß ich nicht, ob ich mir das dann auch nochmal anhören möchte.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Lost in Music

    Der ich-erzählende Musikjournalist Chuck wird von seinem Magazin "Spin" auf eine Reise quer durch die USA geschickt. 600 CDs liegen auf der Rückbank des Ford Taurus, den er "Tautan" nennt. Die Tour soll an Orte führen, an denen Rockmusiker gestorben sind, denn Chuck soll darüber schreiben, welche Bedeutung der Tod von Rockstars für die Musik und das Leben der Fans hat.


    Der erste Halt ist West Warwick, Rhode Island, wo vor kurzem - das Buch stammt aus dem Jahr 2003 - hundert Zuschauer der Band Great White gestorben sind, bei einem Brand, der durch die Pyrotechnik auf der Bühne ausgelöst wurde. Auch der Great White-Gitarrist Ty Longley kam ums Leben. Andere Stopps sind die Absturzstelle des Flugzeugs, in dem Richie Valens und Buddy Holly saßen, die Tour führt u.a. über Memphis und endet zwei Wochen später in Seattle, wo Kurt Cobain mit seinem Selbstmord die Rockgeschichte und das Leben vieler seiner Anhänger (von denen die meisten Nirvana vorher überhaupt nicht mochten, wie Chuck diagnostiziert) veränderte.


    Dieser Roman ist insofern ein Reisebericht, der von langen Essays durchsetzt ist, in denen es zum Beispiel um die Bedeutung des Albums "Kid A" von Radiohead, die Soloplatten der KISS-Musiker, die (durch Cobains Tod nachträglich verfälschte) Geschichte des Grunge und vieles mehr geht - und, natürlich, ums Sterben. Aber hauptsächlich ist Rockmusik das Thema, denn Chuck ist jemand, dem Musik so viel bedeutet, dass er sein ganzes Leben daran ausrichtet und misst. Die Mitglieder der von ihm sehr verehrten Kapelle KISS beispielsweise stehen als Synonyme für verflossene, vergeigte und verpasste Beziehungen. Denn Chuck ist auch verliebt, in Quincy, Diane und Leonore. Aber das mit Leonore ist längst - und immer wieder - vorbei, Quincy wird schließlich heiraten, und Diana ist eigentlich auch nicht die richtige. Vielleicht ist es Lucy, die "Spin"-Reakteurin - der einzige Mensch, der Chuck zu vermissen scheint.


    Also kein Roman, sondern eine wissensreiche Geschichte über Rockmusik, das Verhältnis zwischen Fans und Künstlern, aber auch über Filme, Literatur, Einsamkeit und die seltsamen Menschen, denen Chuck begegnet, etwa eine über Kafka schwadronierende Kellnerin in einem Diner, in die er sich ein ganz klein wenig verliebt. Von sich selbst und über die (Musik-)Welt parlierend, führt uns Chuck eine liebenswerte Daseinsform vor, in deren Zentrum ein Fetisch steht, den viele verstehen dürften, die ihre Plattensammlungen wie Säuglinge hegen, vergilbte Konzerttickets sammeln und für enorme Summen minderwertige Bootlegs kaufen.


    Das Buch ist kurzweilig, häufig enorm lustig, sehr klug und wirklich interessant, aber auch ein wenig konzeptlos, weil die Mischung aus einer Einführung in die Rockgeschichte, Albumrezensionen (die den Eindruck erwecken, überhaupt nicht während dieser Fahrt entstanden zu sein), persönlichen Erlebnissen, Liebesgeschichten und Begegnungen häufig keiner eindeutigen Richtung zu folgen scheint. Das ganze endet mehr oder weniger im Nichts, woran auch die kurz vor Schluss hastig gereichten Enden der skizzierten Liebeleien nichts ändern. Bis dahin erfährt man allerdings eine Menge, und Chuck Klostermans Art, zu erzählen, ist sehr vereinnahmend. Er ist ein Wahnsinniger und ein sehr empathischer Liebhaber, und ein bisschen auch jemand, der eine Ahnung davon hat, warum sein Leben nicht funktioniert, der aber um keinen Preis etwas an der Ursache ändern würde.


    Übrigens bin ich sicher, dass die Geschichte zu mindestens 88 % wahr ist.

  • Danke für die Rezi, Voltaire, danke fürs Ausgraben, Tom.


    Ich habe vor Längerem "Fargo Rock City" von Klosterman gelesen (geniales Cover übrigens :anbet), ein sehr lustiges, aber auch nachdenkliches, auf jeden Fall aber kenntnisreiches Buch über Glamrock bzw. wie ein Bursche aus der amerikanischen Provinz zum leidenschaftlichen Headbanger wird:


    Kurzbeschreibung
    Chuck Klosterman, Vertreter einer neuen Form von Rockjournalismus zeigt in "Fargo Rock City", wie man zum absoluten Musikliebhaber werden kann - selbst, wenn man weitab vom Schuss in der Provinz, in Wyndmere, North Dakota (498 Einwohner) aufwachsen muss. Nebenbei beweist er empirisch, dass weltweit nur eines zählt: Der Rock! Lautstark wie ein Riff aus einer E-Gitarre, hämmert sich Klosterman durch die Geschichte des Hair-Metal. Bei ihm begann alles an einem schicksalhaften Tag im Jahre 1983, als sein älterer Bruder Mötley Crües "Shout at the Devil" mitbrachte. Der junge Chuck war noch nicht ganz "rockbar" - sein Haupthaar war zu kurz - aber dennoch fand er Mittel und Wege, zum Headbangen. Bald tanzte er Klammerblues zu Poison, schlief unschuldig unter Pentagrammen, verzehrte sich nach Metal-Starlet Lita Ford und wurde mit "Fargo Rock City" zum großen Intellektuellen, der sich mit der Philosophie von Guns N' Roses und dem Phänomen Hard N' Heavy auseinandersetzte.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • DraperDoyle
    Das Buch habe ich dann mal sofort bestellt. Lita Ford, Mötley Crue und Hardrock/Heavy Metall sind halt die Dinge die bei mir zum Leben dazu gehören. Joan Jett und Lita Ford spielten doch weiland gemeinsam in einer Band - waren das nicht die Runaways (?). Aber ich mag mich auch täuschen...
    In jedem Falle herzlichen Dank für diesen Buchtip. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Aus Versehen habe ich mir dieses Buch vor einigen Wochen gekauft: ein Bücherstapel bei Lehmanns hat leider mal wieder mein Großhirn ausgeschaltet, mein Kaufreflex erledigte den Rest.
    Zuhause, mein Großhirn arbeitete wieder, habe ich dann festgestellt, dass ich keineswegs "Nachteulen" gekauft habe :pille


    Ich habe nicht viel Interesse an und noch viel weniger Ahnung von Musik und Filmen, trotzdem nahm ich es jetzt zur Hand und muss sagen, obwohl es in diesem Buch vordergründig hauptsächlich um Musik und Filme geht, macht es mal wieder Riesenspaß, Klosterman zu lesen.
    Ich bin noch nicht sehr weit gekommen, abe es lässt sich schon mal sehr gut an :-]


    Ich melde Vollzug! Wie Janda erwähnte, war dieses Buch mir auch streckenweise zu speziell. Den Ausführungen, wie die Bandkarriere und Diskographie von KISS haargenau zu seinen bisherigen Bezieungen passt, konnte ich nicht so ganz, d.h. überhaupt nicht folgen, viele seiner Helden kenne ich überhaupt nicht und von den Baseballspielern und US-Serien wollen wir gar nicht erst anfangen.
    Umso faszinierender, dass mich dieses Buch insgesamt doch gefesselt, die Gedanken, die Klosterman sich macht, fand ich, soweit ich folgen konnte, keineswegs oberflächlich, und wenn auch seine Selbstironie manchmal hart an der Selbstzerfleischung vorbeischrammte, musste ich doch immer mal wieder Grinsen über diesen sympathischen Kerl.


    Beim nächsten Bücherkauf werde ich mein Großhirn mitnehmen, und hoffe, mir dann tatsächlich noch die Nachteulen anzuschaffen.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

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