Titelhelden - Henner Kotte

  • Das Buch


    Der zweite Fall der Leipziger Mordkommission II um Hauptkommissar Lars Kohlund.


    Zwei Tankstellen liegen rechts und links der Straßenbahngleise an einer stillgelegten Zubringerstraße zur Autobahn. Die Besitzer waren seit ihrer Schulzeit befreundet, nun sind sie zu erbitterten Konkurrenten um die wenigen Kunden geworden. An einem ganz normalen Montagmorgen wird Bernd Kretschmann, der Chef der einen Tankstelle, tot im Wagen in der Autowaschanlage gefunden. Er wurde mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe brutal ermordet.


    Lars Kohlund von der zweiten Leipziger Mordkommission ermittelt, doch er kommt auf keine heiße Spur. Vielmehr tun sich zu viele Spuren auf für den bedächtigen Kommissar: Kretschmann war ein Rechter, der sich lautstark in die Leipziger Lokalpolitik einmischte. In der Buchführung der Tankstelle gibt es Unregelmäßigkeiten, die auch die Witwe Änne nicht erklären kann. Und was lief zwischen Bernd Kretschmann und Pia, der Frau seines Konkurrenten von der gegenüberliegenden Straßenseite?
    Dann erscheint auf Seite eins der Zeitung ein Tatortfoto mit dem grausam zugerichteten Toten und der schockierten Witwe. Allen in der Mordkommission ist klar, dass es eine undichte Stelle geben muss. Kohlund kann seinen eigenen Leuten nicht mehr trauen.


    Autor


    Henner Kotte wurde 1963 in Wolgast geboren, wuchs in Dresden auf und lebt seit 1984 in Leipzig. Er hat ein Germanistikstudium in Leipzig, Moskau, Stuttgart und Dresden hinter sich, arbeitete als wissenschaftlicher Assistent, als Dozent für Deutsch als Fremdsprache, war Arbeitsloser, ABMler und ist heute Kulturredakteur beim Stadtmagazin BLITZ!.


    Quelle: Henner-Kotte.de


    Meine Meinung


    Was habe ich mich gefreut, als ich vor ein paar Tagen beim Buchhändler meines Vertrauens den zweiten Teil von Kottes Krimireihe entdeckte. Schließlich hatte mir das erste Buch Abriss Leipzig sehr gut gefallen. Mit einjähriger Verspätung wegen Verlagswechels ist nun die Fortsetzung in den Regalen der Leipziger Buchläden gelandet - und ich muss sagen: das Warten hat sich gelohnt!


    Gewohnt heftig geht es los, und genauso schonungslos endet dieser Roman wieder. Da steht er seinem Vorgänger in nichts nach. Aber die Erzählweise ist flüssiger geworden, leichter.
    Was man von dem Thema nicht sagen kann. Vorher war es die Tristesse der Vorort-Plattenbausiedlungen, die Perspektivlosigkeit der Jugend. Nun wendet sich der Autor der rechten Szene zu - eine konsequente Weiterentwicklung. Und da geht es auch brutal zur Sache. Aber im Vordergrund stehen persönliche Schicksale. Menschen, die nach dem Systemsturz '89 versuchen, eine neue Existenz aufzubauen, die nach jahrzehntelanger Freundschaft zu Feinden werden. Kinder, die den Erwartungen der Eltern nicht gerecht werden. Mitarbeiter der Mordkommission mit ihren Familienproblemen. Kollegen, die immer noch die Mauer im Kopf haben - und überall das latente rechte Gedankengut, was erst bei politischen Diskussionen aufgrund der Ermittlungen zu Tage tritt oder sich ganz banal dadurch äußert, dass einer nicht damit klar kommt, dass die Exfrau nun mit einem Ausländer zusammen ist.


    Ein lesenswerter Krimi, der einige Nebelbomben wirft, um es dem Leser nicht zu leicht zu machen. Manchmal verkommt die Politik aber zu reiner Kulisse, manchmal gibt es für meinen Geschmack einen Tick zu viel Lokalkolorit. Überall, wo es gerade passt, finden sich Randbemerkungen zu Machenschaften von Leipziger Politikern oder Gesellschaften, mit denen ein Außenstehender wenig anfangen kann. Ist halt ein echter Leipzig-Krimi!


    Aber dennoch: uneingeschränkte Empfehlung - 9 Punkte!


    Bo :-)

    Es gibt nur einen Weg das herauszufinden...

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  • Ich habe auch erst überlegt zu schreiben - eigentlich nur etwas für Leipziger- auch wenn unser Ex- OB und jetztiger Bundesverkehrsminister Cello und nicht Gitarre spielt- aber damit täte man dem Autor unrecht. Ein sehr schöner Krimi für die Liebhaber der (wie ich das nenne)"langsamen " Krimis. Keine sich überschlagende Aktion, sondern beharrliche Ermittlung mit Rückschlägen und Fehlern, auch Polizisten sind eben Meschen mit all ihren Fehlern.



    Die Auflösung des Mordfalles ist dann doch furios - und das Ende des Romans erschreckend vieldeutig. Daher ein volles empfehlenswert.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • So, jetzt habe ich es auch durch. Wie der erste Teil hat mir auch dieser sehr gut gefallen. Allerdings war ich mit dem Ende nicht so richtig zufrieden. Irgendwie war mir das zu abrupt. Außerdem haben mich die vielen Rechtschreib- und Druckfehler massiv gestört. Das müsste nicht sein. Aber ansonsten ist das Buch empfehlenswert.

  • Nachdem ich schon mit dem ersten Buch von Henner Kotte so meine Schwierigkeiten hatte, konnte mich auch dieser Nachfolgeband nicht wirklich überzeugen.


    Da ist zunächst einmal die Sprache: wohl so gewählt, um sich vom üblichen Einheitsregionalkrimi abzusetzen, kommt sie mir einfach zu pathetisch daher. Das Stilmittel der Wiederholung soll den Roman wohl existentialistisch "verbrämen", wirkte für mich aber in erster Linie aufgesetzt. Wie auch schon beim "Abriss Leipzig" soll hier "Sprache dem Inhalt" folgen, das klappt aber nur bedingt. Zudem strotzt das Buch wirklich vor Fehlern, wie Kyara schon bemerkte.


    Zur Geschichte an sich:
    Kotte behandelt ein angebliches Tabuthema: den braunen Sumpf. Und man spürt die gute Absicht, er versucht Schwarzweißmalerei zu vermeiden und tappt doch in die „die meisten Ossis sind Nazis“-Falle. Das permanente Gezetere über Leipziger Politik und Leipziger Verhältnisse wirkt für Einheimische abgedroschen und für Auswärtige überflüssig. Hier will Kotte sich offensichtlich als „kritischer Geist“ profilieren, allerdings klingt es eher nach Tetzlaffschem Genöle.
    Auch die verschiedenen Handlungsstränge sind eigentlich keine „Stränge“ sondern eher „Spotlights“, die trotz der finalen Verknüpfung irgendwie zusammenhangslos wirken.
    Und wie schon in „Abriss Leipzig“ stochern die Kommissare auch hier im Nebel, sie ermitteln nicht, sondern lassen sich von Verdacht zu Verdacht treiben, um zielsicher den falschen zu schnappen. Folgerichtigerweise löst der Fall sich dann auch wieder eher von selbst als durch professionelles Zutun der Polizei.


    Insgesamt also ein mäßiger Krimi, nicht gerade Zeitverschwendung, aber auch kein Geniestreich

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)