Die Erstausgaben der Gefühle – Paul Nizon

  • Journal 1961-1072


    Klappentext:
    1961. Ein junger Mann Anfang 30. Sein erstes Buch, ein Erzählband, hatte Aufsehen erregt, die Kritik bescheinigte ihm Talent. Nun schreibt er an einem Rom-Buch. Es wird mit viel Vorschußlorbeeren bedacht, und ein bedeutender Literaturverlag will es herausbringen. Der Autor, der Beruf und Familie hinter sich läßt, um ganz im Schreiben aufzugehen, wähnt sich auf dem Olymp der deutschsprachigen Literatur. Als jedoch sein Buch 1963 erscheint, stößt es auf völliges Unverständnis. Den Autor, Paul Nizon, stürzt die Ablehnung seines furiosen Sprachkunstwerks Canto in eine Krise. Wie er sich daraus langsam wieder herauskämpft und in die deutsche Literatur zurückschreibt, davon handelt dieser Journalband. Das Tagebuch aus den Jahren 1961 bis 1972 – der erste einer auf vier Bände angelegten Journalreihe – erzählt von den Versuchen Paul Nizons, sich gegen alle Widerstände seiner Identität als Schriftsteller zu vergewissern und diese Identität in der eigenen Existenz zu begründen. Vor dem Hintergrund der sechziger Jahre entfaltet es zudem die Stoffwelten und Formideen seiner Bücher von Canto bis Untertauchen. Aus diesem »Rohmaterial« seines gelebten Lebens, aus diesem »Stoff- und Gedankenspeicher«, der Werkstattbericht und Alltagsprotokoll in sich vereint, hat Paul Nizon nichts weniger erschaffen als einen Roman: den Roman seiner künstlerischen Heraufkunft.


    Zum Autor siehe Suhrkamp: http://www.suhrkamp.de/autoren/autor.cfm?id=3518



    Meine Meinung:
    Das Urgestein der deutschsprachigen Literatur, der aus der Schweiz stammende und in Paris lebende Autor Paul Nizon, legte 2002 ein tagebuchartiges Journal vor, in das ich auch heute noch gerne ab und zu hineinlese.
    Lange habe ich überlegt, ob diese Rezension in Autobiographisches gehört, aber ich denke, dies ist in erster Linie zeitgenössische Literatur.
    „Die Innenseite des Mantels“ von 2000 war der erste Schritt. Weitere sollen folgen.
    Der Titel „Die Erstausgaben der Gefühle“ leitet sich aus Nizons berühmtesten Buch Canto ab. Betrachtet werden die Literatur, Sprache und die Zeit und die Umstände in denen Literatur entsteht, aber mehr noch Nizons Selbstinzenierung seines persönlichen Leben und seiner Gedanken, die einzig im Mittelpunkt steht.
    Auf Handlung wird weitgehend verzichtet, wie schon in den Romanen und Erzählungen Nizons. Es sind Prosaskizzen, die trotzdem Emotionen wecken, z.B. die Skizzen aus dem Rom-Jahr: Venedig und Fahrt auf die Insel Giglio.
    Sehr interessiert hat mich ein Briefwechsel und Begegnung Paul Nizons mit Max Frisch, der gleich in den ersten Kapiteln thematisiert wird. Eine latente Rivalität, aber auch Gemeinsamkeiten meine ich zu spüren. Später folgen noch Nizons gedankliche Reflexionen zu Max Frisch Stiller.
    Mein absolutes Lieblingskapitel, das Paul Nizon auch bei einer Lesung bei den Literaturtagen in Heidelberg vortrug, ist Hundeleben (Projekt Das Zimmer). Sehr mag ich auch den Brief, den Nizon an die Universität Bern wegen seinen Studiendarlehen schrieb. In den sechziger Jahren konnte Nizon von seiner Literatur noch nicht so recht leben, aber das Zeitgefühl der sehcziger Jahre wird transportiert.


    Sehr aufschlussreich ist auch das Nachwort vom Herausgeber Wend Kässens, in denen Paul Nizon in die Nähe von Robert Walser, Walter Benjamin und Elias Canetti gestellt wird.


    Die schonungslose, nackte Ehrlichkeit ohne jegliche Beischmückungen oder Verzierungen machen Nizons Prosa aus. Das imponiert und gefällt mir, deshalb ist diese Literatur nicht so schnell vergänglich.


    Weitere Journale des Autors:
    Das Drehbuch der Liebe (1973-1979)
    Die Innenseite des Mantels


    Weitere Romane, die ich empfehle:
    Das Jahr der Liebe
    Das Fell der Forelle
    Hund. Beichte am Mittag
    Taubenfrass


    ASIN/ISBN: 3518413600