'Werte' - Wissen und Phantasie

  • Ein wunderbares Thema, ein interessantes Kapitel, eine perfekte Einleitung!


    "Wer Phantasie ohne Kenntnisse besitzt, hat Flügel aber keine Füsse"
    Wenn wir diese Aussage umdrehen, heißt es dann:
    Wer Kenntnisse ohne Phantasie hat, der hat Füsse aber kommt nicht vom Fleck!
    Erinnert das nicht irgendwie an die Geschichte von der Henne und dem Ei?


    Die ersten drei Texte von Philostratos, Hildegard von Bingen und Meister Eckhart muß ich unkommentiert lassen, die sagen mir nichts bzw. gefallen mir einfach nicht (Meister Eckhart).


    Sehr interessant dafür wieder Leonardo da Vinci, der dazu auffordert, zuerst die Theorie und dann erst die Praxis zu beschreiben.


    Dazu ist mir eine vor längerer Zeit mit einem Romanisten geführte Diskussion eingefallen.
    Viele vertreten die Meinung, eine Sprache läßt sich nur so erlernen, indem man sich zuerst eine solide Basis an Grammatik und Vokabeln erarbeitet. Dann erst macht es Sinn, ins Ausland zu gehen. Meiner Meinung nach geht es umgekehrt genau so gut, wenn nicht noch besser und wesentlich schneller. Ich halte es für nicht ganz unwesentlich, auch ein Gefühl dafür zu entwickeln, die Sprache im Land zu "erleben", denn dann bin ich ja schon mitten in meinem theoretischen Studien angelangt, nur mit dem Unterschied, daß ich die Sprache spüre und meiner Phantasie freien Lauf lassen kann.
    Augenommen die Sprachen der arabischen Welt, da würde selbst ich ein paar theoretische Kenntnisse vorab empfehlen. :grin

  • Zitat

    Original von Eli
    Ein wunderbares Thema, ein interessantes Kapitel, eine perfekte Einleitung!


    Finde ich auch! :write


    Besonders gut gefallen hat mir in diesem Kapitel, dass es sowohl Texte ÜBER Wissen und Phantasie enthält, als auch Beispiele für Phantasie (Ariosto & Carroll)!


    Insgesamt ist auch dieses Wortpaar für mich kein Gegensatz, denn Wissen und Phantasie ergänzen sich einfach perfekt! Und ist es nicht so, dass Phantasie sogar die Grundlage für Wissen darstellt? Dass überhaupt erst Überlegungen und Visionen zur Forschung beigetragen haben, die wiederum zu vermehrtem Wissen führt? :-]


    Wissen selbst ist natürlich an sich schon ein wankelmütiger Begriff, denn was heute gewusst wird, kann sich morgen schon als falsch herausstellen. Dies gilt zum einen für die allgemeinen Wissenschaften und zum anderen natürlich in der subjektiven Wahrnehmung von so genannten Fakten, wie auch in der Einleitung beschrieben wird (S. 173 oben).


    da Vinci
    Seine Ausführungen gelten auch heute noch, eine gute Wissenschaft basiert auf Theorien, die zu bestätigen oder zu widerlegen sind, um aus diesen Erkenntnissen weitere Schritte zu planen. Und auch hier wieder der Hinweis, dass "die Wahrheit" veränderlich ist.


    Ariosto
    Der Rasende Roland hat mir gut gefallen, vor allem die Idee, dass der Verstand der Menschen in Krügen zu finden ist, die entsprechend unterschiedlich gefüllt sind :lache


    Descartes
    Denken zeichnet den Menschen aus :anbet (Leider scheinen das viele allzu oft zu vergessen....)


    Rousseau
    Schön zu sehen, wie hier die Phantasie um der Phantasie willen geliebt und als wichtig erachtet wird, ohne Ziel und ohne Zweck, ja sogar als notwendig zum Wohlbefinden! Einfach mal die Gedanken schweifen lassen und abheben aus der Realität und träumen... haaach :-]


    Mozart
    Das Genie findet Auftragsarbeit lästig und würde am liebsten selbst und ohne Vorgaben seiner Kreativität freien Lauf lassen - wen wundert's! Übrigens das erste, was ich von Mozart selbst lese und ich muss sagen - äußerst sympathisch! :grin


    von Humboldt
    Die Parallele zu Descartes: der Wissensdurst als Kennzeichen des Menschen. Außerdem nennt er drei Werkzeuge, mit denen man zur Erkenntnis gelangen kann, Verstand, Phantasie und Sinneswahrnehmung schließen sich hierbei nicht aus, sondern ergänzen sich und tragen ihren Teil zur Erkenntnis bei :anbet


    Carroll
    Alice rückt direkt mal ganz weit nach vorne auf meinem SUB - da liegt sie schon viel zu lange :write


    Bohr
    Auch er sieht in Wissenschaft und Kunst keinen Widerspruch, sondern verschiedene Herangehensweisen mit unterschiedlichem Ziel.

  • Wissen und Phantasie fand ich ein wirklich schönes Kapitel.
    Der rasende Roland von Ludovico Ariosto war mir bis auf den Titel bisher unbekannt. Aber die Idee, dass krügeweise verloren gegangener Verstand der Menschen auf dem Mond gelagert wird klingt logisch und absolut glaubwürdig. Es erklärt einiges. Die Größe meines Kruges würde mich interessieren. Zu klein wird er nicht sein, fürchte ich. :lache


    Sowohl Hugo von Hofmannsthals Brief des Lord Chandos als auch Jean-Jacques Rousseaus Brief an M. De Malesherbes haben mich eigentlich überzeugt, wie wichtig es wäre, sich für eine gewisse Zeit zurückzuziehen, um innovative Gedanken und Phantasie freizusetzen. Aber das ist bei kurzem Urlaub leider kaum umzusetzen. :-(


    Schade, dass Hildegard von Bingens Beitrag Vision so kurz geraten ist. Ich kann daher kaum etwas zum Text sagen, obwohl ich das Gefühl habe, dass Hildegard von Bingen viele Potentiale hatte.


    Mozarts Brief an den Baron hat mich durch seine Lebhaftigkeit und Humor positiv überrascht. Dadurch wurde ich angeregt, mal wieder eine Sinfonie von ihm aufzulegen (Jupiter). :-]


    Lewis Carrolls Alice hinter dem Spiegel gefiel mir richtig gut. Er ist mein literarischer Favorit dieses Kapitels. Die Beschreibungen der Details sind sehr gelungen. Ich glaube die vielen Filme und Texte, die von Lewis Carrolls Themen beeinflusst sind oder auf sie anspielen, vernachlässigen den Blick auf Carrolls literarisch hohen Qualitäten.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    wie wichtig es wäre, sich für eine gewisse Zeit zurückzuziehen, um innovative Gedanken und Phantasie freizusetzen. Aber das ist bei kurzem Urlaub leider kaum umzusetzen. :-(


    Und genau deswegen habe ich kein Auto, sondern fahre gerne Bus & Bahn :-] (Zumindest ein kleines bisschen Gedanken-Schweifen-und-Phantasie-loslassen-Zeit ;-))

  • Zitat

    Original von milla


    Und genau deswegen habe ich kein Auto, sondern fahre gerne Bus & Bahn :-] (Zumindest ein kleines bisschen Gedanken-Schweifen-und-Phantasie-loslassen-Zeit ;-))


    Besonders bei Stunden Verspätungen der Bahn :lache
    Ist mir Freitag und heute passiert!

  • Die deutsche Sprache ist manchmal wortarm. Was meint ihr von was spricht Peters literarischer Freund Wolfgang, wenn er sagt, dass man vor lauter Wissen den Himmel nicht mehr sieht? Heaven oder sky?

  • Der Einstieg mit Robert und Wolfgang ist zwar ein wenig schwarzweiß, aber dennoch gar nicht so unrealistisch. Wer hat diese Varianten nicht in seinem Umfeld: Die einen zwar sehr intelligent, dabei aber oft zu verkopft und dadurch ein wenig dröge. Und dann die lustigen, interessanten Quirls, die aber nicht allzu viel auf der Platte haben. Sicher ein Klischee, aber eines, das man in der Realität oft antrifft. Menschen, auf die BEIDES zutrifft, also Intelligenz UND Esprit.... die gibt es nicht SO oft. Eulen latürnich ausgeschlossen. Wir sind hier ja ein Sammelbecken für solche Existenzen. :grin


    Mit den Texten selbst habe ich mich dieses Mal eher schwergetan, ich habe mit Ausnahme von da Vinci und Carroll keinen rechten Zugang dazu gefunden, dafür aber umso interessierter Eure Statements dazu gelesen.


    Macht aber auch nix: Bei so einem Schinken sind immer wieder auch mal Abschnitte dabei, mit denen man mal nicht so viel anfangen kann. bzw. das Thema an und für sich finde ich schon sehr interessant... nur die ausgewählten Texte waren diesmal eher nicht so mein Ding. Egal. Der nächste Abschnitt wartet schon ;-).

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Mit den Texten selbst habe ich mich dieses Mal eher schwergetan, ich habe mit Ausnahme von da Vinci und Carroll keinen rechten Zugang dazu gefunden, dafür aber umso interessierter Eure Statements dazu gelesen.


    Da schließe ich mich ohne Einschränkungen an...
    Dazu kommt, daß ich von der manchmal doch recht theologischen Sicht der Texte total angenervt bin.
    Es gibt keinen Gott oder ich glaub zumindest an keinen, da stören mich die oft doch sehr "gläubigen" Texte total... :cry

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Dazu kommt, daß ich von der manchmal doch recht theologischen Sicht der Texte total angenervt bin.
    Es gibt keinen Gott oder ich glaub zumindest an keinen, da stören mich die oft doch sehr "gläubigen" Texte total... :cry


    Naja, aber unsere Werte und unsere Kultur sind nun mal christlich geprägt, da kommt man um "theologische Sichten" nicht wirklich herum ;-) :grin

  • Batcat
    Es geht dabei nicht um Toleranz, sondern einfach darum, daß mir der Text überhaupt nichts gibt und ich ihn mit meinen Werten nicht vereinbaren kann.
    Es geht dabei nicht um Toleranz einer anderen Weltsicht, sondern darum, daß ich mit diesen Texten einfach nicht konform gehe und sie mich schlichtweg nicht interessieren. :grin

  • Och, ich bin immer daran interessiert, über meinen Tellerrand zu gucken und mir auch mal andere Ansichten durchzulesen. Spannende Sache - auch wenn ich einiges danach abhake. Aber ich liebe es, meinen Horizont in alle mögliche Richtungen zu erweitern. Wissen kann mich nicht nerven.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Heute habe ich endlich wieder einmal die Muse gefunden ein paar Texte weiterzulesen. Die "kleine" Pause hat gut getan, jetzt bin ich wieder mit neuem Elan dabei.


    Der erste Text "Das Leben des Apollonios von Tyana" hat mir gut gefallen. Einerseits hab ich dabei eine neue Methode des Lesens entdeckt, bei der ich mir leichter tue in die Texte hineinzufinden, da ich sie mir selbst laut vorlese und dadurch auch etwas besser über den Sinn nachdenken kann.


    Dazu ist mir auch ein ähnliches Beispiel eingefallen. Als ich den Herr der Ringe gelesen hatte (vor dem Film) spuckte in meinem Kopf während dem Lesen ein eigener Film durch den Kopf, der mir sehr gut gefallen hat. Zwischen Teil 1 und 2 des Buches, hab ich Teil 1 des Filmes gesehen und aufeinmal war mein schöner eigener Kopffilm weg und wurde durch die Filmfiguren verdrängt. Leider ist die Kopffassung nie mehr zurückgekommen.


    Der Text von Hildegard von Bingen ist mir auch zu kurz geraten. Hat mich aber vor allem wegen seiner modernen Sprache überrascht.


    Lange aufgehalten hat mich Das Aug und das Holz von Meister Eckhart. Der Sinn dieses Textes will sich mir einfach nicht erschließen. Nachdem ich den Text unzählige Male durchgelesen hatte, verstand ich bei dem Aug und Holz Beispiel immer noch nur Bahnhof.
    Der Vergleich vom Verhältnis Erde:Himmel zu Mensch:Gott, ist für mich noch nachvollziehbar, auch wenn ich selber das nicht glaub, aber das würde zu weit gehen. Aber wie das Aug und Holz eins sei, geht nicht. Oder muss man den Text wortwörtlich lesen und der wirft das Aug wirklich gegen das Holz :grin


    Der Text von Da Vinci war zwar sehr mühsam zu lesen, weil er in einer sehr holprigen und verschachtelten Sprache vorzufinden ist, aber der Inhalt ist eine gute Verschrenkung von Wissen und Phantasie. Zuerst muss man mit dem Vorstellungsvermögen theoretisch nachdenken und neue Wege ersinnen und die dann durch die Erfahrung zu verifizieren versuchen.

  • Nun habe ich auch die restlichen Texte von dem Kapitel gelesen und habe zu ihnen auch wenig Zugang gefunden.


    Interessant war einmal die Herleitung von Decartes Cogito, ergo sum im Original zu lesen. Obwohl es für mich einen Denkfehler enthält, weil er ja auch nicht wissen kann, ob man selber wirklich ist bzw. so ist wie man ist.
    Ich hab schon einmal gedacht, ob es nicht möglich wäre, dass wir alle nur Figuren in einem Art Computerspiel wie Sims etc. von höheren Wesen sind. Wenn würden wir es ja auch nicht wissen.
    Andererseits könnten die dann wieder das Wesen = Gott sein, dass uns die Wirklichkeit vorgibt.

  • Zitat

    Original von taciturus
    Ich hab schon einmal gedacht, ob es nicht möglich wäre, dass wir alle nur Figuren in einem Art Computerspiel wie Sims etc. von höheren Wesen sind.


    Ganz so habe ich mir das nicht gedacht. Aber gefragt habe ich mich zumindest schon mal, ob wir letztendlich nicht auch nur ein Staubkorn in einem unendlich viel größeren Kosmos sind. ;-)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)