Gurke - Schurke und ein Backhaus
Das war wohl etwas missverständlich gestern. Natürlich greife ich nicht täglich einen Fremden mit einer Gurke an. Das habe ich jetzt einmal gemacht, das war eine impulsive Eingebung und mit dem der Betreffenden ging das auch. Seine Reaktion war ein breites freches Grinsen und ein: „Ich bin unbewaffnet und das ist nicht fair!"
Da hatte er recht und ich meine Gurke wieder weggepackt, auch schon ziemlich erleichtert, denn sonst hätte ich ein Problem gehabt.
Niemals würde ich, mit einer Gurke in der Hand: „Wehr dich Schurke!", zu einem dicken, schnauzbärtigen, griesgrämigen Menschen sagen. Im besten Fall schaut er mich nur an verständnislos an, im schlimmsten haute er mir wirklich eine Gurke oder mehr über den Kopf.
Und falls gestern der Eindruck rübergekommen ist, das ich mich auf dem besten Weg zum Gedankengut von -Friede, Freude, Eierkuchen- befinde.... NOCH bin ich kilometerweit davon weg. Vielleicht in zehn Jahren, ich habe es als Ziel durchaus im Auge. Aber ich bin auch ganz gerne boshaft und pflege und genieße meinen Hang zur Gemeinheit und Spott.
Dazu ein Beispiel... und ich habe kein bisschen ein schlechtes Gewissen wegen folgender Geschichte:
Vor unserem Crash haben wir in einer Spielstrasse gelebt. Ein- und Zweifamilienhäuser, viele Kinder, keine Autos, Wald und Wiesen. Das war ein Paradies und der blanke Luxus für uns alle.
Unsere unmittelbaren Nachbarn.... sie waren unauffällig, perfekt, tüchtig und patent - haben richtig und falsch genau für sich definiert, auch buchstabengetreu danach gelebt und ihr ganzes Leben durchgeplant und mustergültig im Griff.
Wir waren das genaue Gegenteil davon.... da sind zwei Welten aufeinander gestoßen.
Man muss nicht mit jeden befreundet sein und jeden mögen. Aber eine unterschwellige und freundlich getarnte Feindseligkeit aus Nachbarsgarten ist trotzdem nicht schön.
Eines Tages ging er hin -der Nachbar ( ich hatte keinen Bedarf an calgonit wegen ihm)- und fing an, seinen Vorgarten auseinander zu nehmen. Aber gründlich. Eine fürchterliche schweißtreibende Schufterei am Wochenende und jeden Feierabend. Alle Bäume weg, Zaun weg, Steine weg, alles weg, bis auf den blanken Boden und dann ein tiefes Loch. Ein Betonfundament...
dagmar staunte, schaute zu, aber fragte nicht. Als dann langsam ein schmuckes kleines gemauertes Häuschen mit einem netten Ziegeldach entstand, staunte sie noch mehr. Für Mülleimer? Für Fahrräder? Im Vorgarten?
Niemals wäre ich auf ein Backhaus gekommen. Warum macht man das? Sich mit Freunden draußen hinzusetzten und miteinander Pizza backen, das ist sicherlich MAL ganz okay und macht auch Spaß. Aber dafür dieser Riesenaufwand?
Aber die Meinungen sind da unterschiedlich, das habe ich schon gemerkt, es gibt Menschen, die bekommen leuchtende Augen bei dem Gedanken an ein eigenes Backhaus. Mein Traum wäre es nicht.
Dann war Straßenfest, das haben wir dort einmal im Jahr gefeiert, mit allem was dazu gehört. Bierbänke und Bier, Würstchen und Fleisch, Salat und Leckerlis, Kuchen und Kaffee, inklusive einer lauen Sommernacht, ein Grill (natürlich! für los hombres), haufenweise Kinder, in allen Größen und Fanta und Cola, viele Leute und Scherze und Wein und andere Sorten Flaschen, und Gespräche und Bierbänkeplatzwechseln, Antimückenweihrauch, Kerzen, Musik, gute Stimmung, Spaß, schwedisches Feuer.....
Zufälligerweise befand sich der Festplatz genau vor dem Backhaus. Mit ganz GUTER Aussicht darauf. Dort waren die Nachbarn eifrig am werkeln und arbeiten und schüren: es sollte ja auch noch Pizza für alle geben. Das hat aber niemanden wirklich interessiert, bis es plötzlich lautlos durch die Menge raunte: „Das Backhaus brennt!"
Und indeed: Rauch und Qualm und Hektik.
....und jetzt... war ich betrübt? haben sie mir denn leid getan, meine armen Nachbarn? NEIN! Nicht die Spur. Ich konnte es erst gar nicht glauben, das war ZU schön.
„Oh, das Backhaus brennt, wie schade!", sagte ich in einem Ton, der das genaue Gegenteil bedeutete und mit einem hocherfreuten sonnigen Lächeln habe ich mich so hingedreht, das ich das Ganze auch gut beobachten konnte, ohne mich weiter bewegen zu müssen.
Jetzt konnte man uns Straßenfestler aufteilen in vier Gruppen. Diejenigen, die hin flitzten, um das Dilemma von dicht zu sehen. das waren -ALLE Kinder!- und ein paar Männer; und in
... diejenigen, die gerannt kamen, um zu helfen;
... diejenigen, die das ernsthaft bedauert haben;
....diejenigen, die sitzen geblieben und leicht gelächelt haben.
Sowas aber auch, ein brennendes Backhaus -das dürfte es eigentlich gar nicht geben- und das am Straßenfest, wenn wirklich jeder zuschaut?... zu dumm. EIN PECH!....
Es brannte aber nicht richtig, keine Flammen, sondern es schwellte nur so lautlos vor sich hin. Dicke graue Rauchwolken stiegen in den Nachthimmel, die Nachbarn waren am Arbeiten und am Löschen und wurden immer beunruhigter und nervöser.
Einer der Helfer -ein echter freiwilliger Feuerwehrmann- rannte von seinem Haus zum Backhaus. Beim ersten Mal kam er mit einem Feuerlöscher, beim zweiten Mal mit zweien (wir -die von der schadenfrohen und sensationslüsternen Truppe- waren am spekulieren, ob er wohl bald seine Uniform trägt) und beim dritten Mal kam er mit einem ganzen Auto voller Feuerlöscher. WIRKLICH WAHR!
Aber das Backhaus brannte und brannte und pustete und prustete Rauchwolken in allen Farben aus. Wie bei den drei kleinen Schweinchen, allerdings wolfsfrei. Desto mehr Chemie, desto besser wurde es, immer bunter, immer spektakulärer. Die Dachziegel wurden abgenommen, das Backhaus von außen und von innen eingesprüht. Das war dem Feuer aber vollkommen egal, es brannte seelenruhig weiter. Weit über zwei Stunden.
Dann war Ruhe irgendwann. Ende. Vorbei und Schluss. Ein paar letzte Qualmwölkchen pufften, die Feuerlöscher waren leer...... und die Nachbarn kamen, um sich noch ein wenig auf dem Fest zu tummeln, ein bisschen geschafft waren sie, haben aber sonst keine Miene verzogen.
Als dann -endlich!- lichterlohe Flammen mehrere Meter hoch aus ihrem Backhäuschen schossen, haben sie nur noch resigniert zugeschaut.
Das war ein nettes Straßenfest.