'Werte' - Fortschritt und Skepsis

  • In diesem Kapitel hat sich mir der Bezug einiger der ausgewählten Texte zu dem Thema leider nicht erschlossen, hierzu gehören vor allem die Texte von Lukrez, Bunyan, Kafka, Lundkvist und Beckett :-( Aber vielleicht ergibt sich das ja in der Diskussion!


    Ich sehe Fortschritt nicht als per se schlecht an, sondern nur den unverantwortlichen Umgang mit ihm. Doch kann man sich darauf verlassen, dass sich der Mensch verantwortlich verhält? Wohl kaum. Soll das aber das Ende des Fortschritts sein? Auch nicht. Ein schwieriges Thema und ein Balanceakt.


    de Montaigne
    Die Überlastung der Natur durch menschliche Erfindungen und das kindliche Staunen über die Schönheit und Wunder der Natur - absolut! :anbet Auch der Gedanke, dass die Arroganz oder Überheblichkeit des Menschen Anlass ist zu glauben, dass andere Lebewesen dümmer sind, sowie seine Argumentation, gefallen mir sehr.


    @ Peter:
    Könntest du die lateinischen Stellen bitte kurz übersetzen? Meine Latein-Kenntnisse sind doch arg eingerostet :help


    Voltaire
    Ein wirklich beeindruckender Text, aus dem seine Erschütterung sehr deutlich wird. Seine verbitterte Schlussfolgerung "Gott allein hat Vernunft, Schulweisheit ist Betrug" kommt glaube ich auch mehr aus der Verzweiflung und der Überraschung zustande als aus einer wirklichen Abkehr von Fortschritt und Aufklärung. Das Ziel, Katastrophen wie das Erdbeben von Lissabon vorherzusagen und so Menschenleben zu retten, ist man im Laufe der Zeit zwar etwas nähergekommen, aber verhindern kann man sie trotz aller Technik und Schulweisheit nicht. Ob das Voltaire schon genügen würde?


    Schiller
    Die Freiheit und Sicherheit des einzelnen, Grund- und Menschenrechte sind der wahre Fortschritt :anbet


    Eco
    Habe ich leider die entscheidenden Passagen nicht verstanden - ich warte auf die Diskussion.... :help


    Peccei & Siebker
    Ihren Gedanken kann ich nur zustimmen!!! :anbet Wie oben schon geschrieben, es fehlt oft an verantwortlichem Umgang mit Wissenschaft und Technik, oder gar an Wissen um einen solchen Umgang. Doch das Wissen alleine reicht nicht, man muss es auch umsetzen. Im Sinne der Technik und der Wissenschaft liegt genau hier jedoch auch ihre größte Gefahr: "Zum Wissensdurst trat bald genug das nunmehr ungehemmte Verlangen, das mögliche zu verwirklichen." Kein Forscher wird es lange ertragen, seine Überlegungen und Berechnungen nicht in der Praxis ausprobieren und so auf ihre Richtigkeit hin überprüfen zu dürfen. Was wäre, wenn Oppenheimer etc. nicht die Atombombe entwickelt hätten? Hätte es sie dann nie gegeben? Wohl kaum. Dann hätte jemand anderes den Schlüssel zu ihr entdeckt und irgendein Staat ebenfalls füher oder später ausprobiert. Irgendjemand sagte mal: "Alles, was denkbar ist, wird es auch irgendwann geben, denn irgendjemand wird herausfinden, wie es zu erreichen ist." - Eher erschreckend als beruhigend, denke ich manchmal...



    Das bringt mich direkt zum Kapitel "Wissen und Phantasie".

  • Zitat

    Original von milla


    @ Peter:
    Könntest du die lateinischen Stellen bitte kurz übersetzen? Meine Latein-Kenntnisse sind doch arg eingerostet :help


    Oh je, meine Lateinkenntnisse sind auch nicht besser. Doch zum Glück habe ich eine Ausgabe, die uns beiden helfen wird. Die Stellen bei Montaigne lauten auf Deutsch:


    - Der Efeu gedeiht besser aus eigenem Triebe, der Meerkirschbaum schöner in einsamen Grotten, und lieblicher ohne Abrichtung singen die Vögel (Zitat Properz)


    - Und noch das Schweigen allein vermag bittend und beredsam zu sein (Zitat Tasso)


    - Alles ist in den Ketten seines Schicksals verhaftet (Zitat Lukrez)


    - Jedes Ding folgt seinem Gesetz, und alle haben ihre verschiedene Gestalt nach natürlicher Bestimmung (Zitat Lukrez)

  • Oh, nur ein Vierteljahr nach milla bin ich auch bei diesem Kapitel angelangt. Aber milla schummelt ja und liest durcheinander statt nacheinander ;-)


    Auch dies wieder eine interessante Begriffspaarung. Wie ist dies zu verstehen? Als Gegensatz? Oder eher als „ohne Skepsis (in diesem Zusammenhang: ohne den Mut, Althergebrachtes anzuzweifeln und neue Wege zu gehen) kein Fortschritt? Wobei das Thema Fortschritt ja schon alleine für sich ja schon Zündstoff genug bietet (Stichwörter: Fortschritt um jeden Preis? Wie weit darf Forschung gehen?).


    Um bei den Eingangsbeispielen zu bleiben: Nicht alles, was neu ist, ist automatisch auch gut. So sind z.B. die Nyltesthemden zwar bügelfrei - aber in so einem Zeugs schwitzt man wie Sau und im Falle von Nyltest erzeugten sie wohl auch Allergien.


    Die Frage ist: Würde der Fortschritt uns am Ende alle ins Verderben stürzen? Man möchte es fast meinen. Denn der schlaue Kopf des Menschen ersinnt nicht nur so wunderbare Dinge wie Aspirin, Antibiotika und anderes, sondern auch Kampfstoffe, Bomben und andere schreckliche Vernichtungswaffen. Die Gefahr ist also sehr groß, daß die Menschheit sich eines Tages selbst auslöscht. Das muß noch nicht einmal absichtlich durch Kriege passieren, dazu reichen schon solche Katastrophen wie Tschernobyl in einem größeren Umfang.


    Luthers Ausspruch: Wenn ich wüsste, daß morgen der jüngste Tag ist, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen gefällt mir in diesem Zusammenhang ausgesprochen gut. Eigentlich ist er ein wunderbares Leitmotiv für das Leben: Niemals aufgeben, niemals den Mut verlieren – egal, wie aussichtslos alles aussehen mag.


    Hesiod
    Hesiod finde ich insofern interessant, als er das „goldene Zeitalter“ erwähnt, das sich ja immer wieder in der Literatur wiederfindet. Wann ist es? Wann war es? Oder wird es erst sein? Das finde ich in diesem Zusammenhang eine spannende Frage.


    Lukrez
    Hm.... ich denke mal, hier macht sich Lukrez seine skeptischen Gedanken zu Fortschritt und zur Entstehung all unseren Lebens. So abwegig und unpassend fand ich den Text in diesem Kapitel nicht einmal, wie milla das empfand.


    Sehr interessant und nachdenkenswert fand ich hier den Abschlußsatz „denn die Natur schafft eins aus dem andern und duldet kein Werden, wenn nichts des einen Geburt mit dem Tode des andern verknüpft wird“.


    Bunyan
    Hier würde mich eine Erklärung, den Text in dieses Kapitel aufzunehmen, auch sehr interessieren. Ich habe ihn zweimal gelesen und finde immer noch, er hätte besser in einen anderen Themenkatalog gepasst. :gruebel


    Voltaire
    In diesem Text tritt Voltaires Verzweiflung über die Opfer des Erbebens von Lissabon 1755 ganz deutlich zutage. Wieviel weiter sind wir heute in der Vorhersage von Naturkatastrophen und doch zeigt sich immer wieder (Tsunami, Stürme etc.), daß trotz all unseres Wissens die Natur dem Menschen doch haushoch überlegen ist. Der Fortschritt stößt auch heute noch immer wieder an Grenzen. Manche kann man überwinden – andere nicht oder zumindest jetzt noch nicht.


    Den letzten Absatz
    „Gut wird einst alles sein“ als Hoffnung man hört.
    „Alles ist heute gut“ Illusion und Unfug.
    Gott allein hat Vernunft, Schulweisheit ist Betrug.

    habe ich für mich so interpretiert, daß wir noch weit von „Alles ist gut“ entfernt sind. Vielleicht wird uns der Fortschritt dereinst einmal dort hinbringen. Doch der letzte Satz passt für mich so nicht so recht ins Bild – außer man schreibt ihn Voltaires Verbitterung über das verheerende Unglück zu. Denn wenn man so interpretieren will, hat Gott das Erdbeben ja zugelassen, und selbst die Schulweisheit konnte es nicht verhindern. Hmmm... hat da jemand eine andere Erklärung als Verbitterung dafür? Oder befinde ich mich, was ja durchaus sein kann, auf dem absoluten Holzweg?


    Schiller
    milla schrieb
    Die Freiheit und Sicherheit des einzelnen, Grund- und Menschenrechte sind der wahre Fortschritt

    und ich gebe ihr uneingeschränkt recht! ;-)


    Kafka
    Wie milla so habe auch ich ein Problem damit, den Text diesem Kapitel zuzuordnen. Darüber hinaus, ich gebe es ehrlich zu, habe ich auch ein Problem mit dem Text an und für sich. Er ist mir einfach zu... kafkaesk. :rolleyes


    Peccei & Siebker
    Eine durchaus interessante wie kritische kleine Abhandlung zum Fortschritt. So gut es ist, daß der Mensch vorankommt, so gefährlich ist es auch, immer mehr Wissen zu haben, denn es ist nicht nur „gutes“ Wissen, daß der Mensch in seiner unendlichen Neugierde erforscht, sondern auch sehr gefährliches Wissen, mit dem man erst umzugehen lernen muß. Doch die Frage ist: kann das der Mensch?


    Lundkvist
    Hmmmmm, den Lundkvist Text habe ich eher als eine Metapher gesehen. Ich habe das für mich selbst (um einen Zusammenhang zum Thema herzustellen *ggg*) so frei interpretiert, daß das „arbeiten in der Grube“ die Gegenwart darstellt und der „lichte Traum“, bzw. der „Traum vom Sonnenschein“ den Ausblick in eine (durch Fortschritt) einfachere Zukunft darstellen soll. Ob diese Betrachtungsweise richtig ist, weiß ich nicht – aber sie wäre für mich eine logische Deutung, warum dieser Text in diesem Kapitel gelandet ist.


    Beckett
    Herrjeh.... sein Warten auf Godot hat mir einst in der Kollegstufe einige unsägliche Deutschstunden beschert und nun begegnet er mir hier wieder. :yikes Ich gebe zu: Ich habe die Segel gestrichen vor diesem Text. Die Schreibe hat mich einfach nur genervt und ich muß nicht alles gut finden. Selbst dann nicht, wenn der Autor einen Literaturnobelpreis bekommen hat. Hier mit gebe ich also offen zu: Ich kann mit Beckett heute immer noch genausowenig anfangen wie vor zwanzig Jahren. Sorry milla, aber hier kann ich Dir auch keine Hilfestellung leisten. :keks

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Batcat ()

  • Zitat

    Original von Batcat
    Oh, nur ein Vierteljahr nach milla bin ich auch bei diesem Kapitel angelangt. Aber milla schummelt ja und liest durcheinander statt nacheinander ;-)


    :fruehstueck milla schummelt nicht, sondern hat soeben das Werte-Buch beendet :traeumer Aber natürlich noch lange nicht die Diskussion :alter :grin


    Zitat

    Original von Batcat
    Voltaire
    ...
    Doch der letzte Satz passt für mich so nicht so recht ins Bild – außer man schreibt ihn Voltaires Verbitterung über das verheerende Unglück zu. Denn wenn man so interpretieren will, hat Gott das Erdbeben ja zugelassen, und selbst die Schulweisheit konnte es nicht verhindern. Hmmm... hat da jemand eine andere Erklärung als Verbitterung dafür? Oder befinde ich mich, was ja durchaus sein kann, auf dem absoluten Holzweg?


    Nein, denke ich auch. Allerdings habe ich es so empfunden, dass die Verbitterung nicht auf Gottes Zulassen eines Erdbebens beruht, sondern eher darauf, dass das, was man in der Schule lernt nicht vor oder bei solchen Katastrophen schützt. Sonst würde er doch nicht von Gottes Vernunft sprechen, oder?


    Zitat

    Original von Batcat
    Peccei & Siebker
    ... sondern auch sehr gefährliches Wissen, mit dem man erst umzugehen lernen muß. Doch die Frage ist: kann das der Mensch?


    Schwierige Frage, ich würde sagen JA, aber MACHT er es auch? Es kommt auf den Menschen an, verantwortlicher Umgang und Weitblick auf der einen Seite und Habgier, Machtbesessenheit, etc. auf der anderen Seite. So bleibt letztendlich nur zu hoffen, dass die richtigen Menschen an den richtigen Positionen sitzen....


    Zitat

    Original von Batcat
    Beckett
    ...
    Sorry milla, aber hier kann ich Dir auch keine Hilfestellung leisten. :keks


    :prost Macht nix!