'Werte' - Freiheit und Verantwortung

  • Während man bei den bisherigen Kapiteln, die ich gelesen habe, durchaus darüber streiten kann, ob die Wortpaare in dern Überschriften Gegensätze darstellen oder nicht, ist dies hier eindeutig nicht so: Freiheit und Verantwortung sind, wie auch im Text beschrieben, zwei Seiten einer Medaillie, sie gehören einfach zusammen, eines geht ohne das andere nicht. In diesem Kapitel steckt jede Menge Diskussionsstoff!


    de Las Casas
    Beeindruckend, dass er - seiner Zeit weit voraus - den Schutz der Indios propagierte. Aus heutiger Sicht störe ich mich nur an dem Ausdruck "sind unrechtmäßig versklavt worden". Unrechtmäßig? Was bitte ist denn eine rechtmäßige Versklavung? Aber er erklärt es selbst, Sklaven, die in einem "gerechten" Krieg gemacht werden. Nun ja....


    Rabelais
    Ganz schön optimistisch.... :grin Ich glaube nicht, dass das funktionieren würde. Oder doch? :gruebel


    Hume
    Sehr interessante Abhandlung über den Willen. Handlungen hängen von unserem Willen ab, der Wille selbst ist jedoch auch abhängig (von unseren Motiven, unserem Charakter, etc.). Ein freier Wille? Man kann alles wollen, nur nicht wollen wollen!


    Dostojewski
    Große Literatur! Bezeichnend in dem hier gewählten Ausschnitt das Ende "Oh, nie kann ich es dieser Alten verzeihen, dass sie die Ursache meiner Leiden geworden ist!" - Das Abtreten der Verantwortung an die Opfer hat in der Vergangenheit schon so manches Verbrechen vor dem eigenen Gewissen oder der Umgebung gerechtfertigt :-(


    Weber
    Sehr interessante Unterscheidung: Handeln nach bester Absicht oder Handeln nach den daraus folgenden Konsequenzen - frei nach dem Motto: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint :grin
    Aber Spaß beiseite, wann heiligt der (gute) Zweck die (schlechten) Mittel? Ist es rechtens, einen Mörder zu töten? Unter welchen Umständen? Oder nie? Und wenn er z.B. Hitler hieß?....
    Die Frage nach der Allmacht Gottes und seinem Nichteingreifen bei unverdientem Leiden - auch dieser Aspekt könnte alleine ganze Diskussionsstunden füllen. Wie wird Allmacht definiert? In der konkreten Möglichkeit einzugreifen? Oder in dem Geschenk der Freiheit und der Vernunft?

  • Milla schrieb:
    Freiheit und Verantwortung sind, wie auch im Text beschrieben, zwei Seiten einer Medaillie, sie gehören einfach zusammen, eines geht ohne das andere nicht. In diesem Kapitel steckt jede Menge Diskussionsstoff!


    Da kann ich ihr nur zustimmen und ich bin schon mal sehr auf das Kapitel gespannt!


    De Las Casas
    Wie milla habe ich mich auch an der „unrechtmäßigen Versklavung gestört“. Auch wenn es erklärt wird, Versklavung kann m.E. niemals rechtens sein! Ein interessanter, seiner Zeit vorauseilender Text. Diese Gedanken bereits zu jener Zeit haben mich ebenfalls überrascht.


    Rabelais
    Das hört sich beinah nach dem Land an, in dem Milch und Honig fließen – allein mir fehlt der rechte Glaube daran, daß der Mensch, wenn er die Freiheit hat zu tun, was ihm gefällt dies auch im positiven Sinne tun würde.


    @ milla
    Was würdest Du denn den ganzen Tag, wenn Du tun dürftest, was Dir gefällt? ;-)


    Dostojewski
    Einer der Großen, von denen ich denke „da müßte man doch eigentlich mal was gelesen haben“ und dann kann ich mich doch nie dazu aufraffen.


    Wie auch milla, ist mir hier die Abtretung der Verantwortung sehr negativ aufgefallen. Er entschuldigt sich vor sich selbst, er weist jede Verantwortung an der Tat von sich und schiebt sie in der Tat dem Opfer zu. Schockierend.


    Hier ist mir sofort, auch wenn es eine völlig andere Baustelle ist, eingefallen, daß sich manche Belästiger/Vergewaltiger auch mit einem „Sie ist ja selbst schuld mit ihrem kurzen Röckchen (etc.)“ rausreden wollen. Ein Verhalten, das mir die Haare zu Berge stehen lässt.


    Eluard
    Von Eluard habe ich noch nie gehört. Das Gedicht entstand während des 2. Weltkriegs, als der Autor im Untergrund lebte. Ein kurzes, aber dennoch bewegendes Gedicht, das die Frage im Leser weckt, um wessen Namen es sich hierbei handelt.


    Mein Fazit:
    Der Mensch ist relativ frei in seinen Entscheidungen – zumindest hierzulande. Dennoch muß er mit dieser Freiheit verantwortungsvoll umgehen. Auch für mich ist dieses Wertepaar nicht zwingend konträr, ich finde es eher zusammengehörend. Zum Thema „verantwortliches Handeln“ fand ich auch den vorletzten Text des Kapitels von Hans Jonas passend.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von Batcat
    @ milla
    Was würdest Du denn den ganzen Tag, wenn Du tun dürftest, was Dir gefällt? ;-)


    Unter der Voraussetzung ich könnte mir auch finanziell alles leisten? :grin Nun, ich würde wahrscheinlich wahnsinnig viel reisen, noch mehr lesen, und letztendlich würde ich wohl weiter arbeiten, vermutlich sogar das, was ich momentan tue, nur mit der Gewissheit, dass ich jederzeit was anderes oder das gleiche auf andere Weise tun könnte, wenn ich nur wollte. Das gleiche gilt auch für meine Freizeit. Haaach wäre das toll!! :anbet

  • Dieser Ausschnitt aus Schuld und Sühne hat mir alleinstehend eigentlich nicht so gut gefallen wie der gesamte Roman oder andere Bücher von Dostojewski.


    Es gibt von Dostojewski auch etwas kürzere Texte, die mich sehr überzeugt haben.
    z.B. Arme Leute oder Helle Nächte (auch bekannt als Weiße Nächte)
    Aber diese Werke gehören thematisch vielleicht eher in ein Kapitel Begehren und Verzicht.


    Oder Aufzeichnungen aus einem Kellerloch: Das wäre was für Selbstverachtung und Weltschmerz.


    Der Roman Beleidigte und Erniedrigte gibt die Themen schon im Titel vor


    Der lange Roman Der Idiot - Naivität und Überhöhung


    Dostojewski ist der Meister der negativen Werte.
    Aber es geht in dieser Leserunde ja um typisch europäische Werte und somit können wir die melancholische russische Seele vielleicht etwas vernachlässigen. :grin

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Dieser Ausschnitt aus Schuld und Sühne hat mir alleinstehend eigentlich nicht so gut gefallen wie der gesamte Roman oder andere Bücher von Dostojewski.


    Die Abschiebung der Verantwortung ist mir allerdings auch im Gesamtbezug von Schuld und Sühne negativ aufgefallen - das ist jedoch auch der einzige Roman von Dostojewski, den ich bislang (in einer Leserunde hier im Forum) gelesen habe, sehr zwiespältige Erfahrung :gruebel