Hoffnung im Alentejo – Jose Saramago

  • Originaltitel: Levantado do Chao


    Klappentext:
    Die Provinz Alentejo, das Land der Sonne, des Weizens, der Olivenhaine und der Korkeichen, das Land der Großgrundbesitzer und der Tagelöhner. Der portugiesische Romancier José Saramago verfolgt hier das Schicksal einer Tagelöhnerfamilie über vier Generationen, von der Jahrhundertwende bis kurz nach der Revolution 1974.
    Saramagos glanzvolle, reiche Sprache, seine liebevolle Ironie, die Genauigkeit seines Blicks - das sind die Grundlagen eines großen Werkes.


    Zum Autor:
    16.11.1922 in dem Dorf Azinhaga im portugiesischen Ribatejo geboren.
    Der Romancier, Erzähler, Lyriker, Dramatiker und Essayist erhielt 1998 den Nobelpreis für Literatur.


    Meine Meinung:
    Alle Namen, Die Stadt der Blinden, Der Doppelgänger und besonders mein geheimer Favorit Geschichte der Belagerung von Lissabon:
    Das sind alles Meisterwerke von Jose Saramago, die ich besonders geschätzt habe.
    Woran liegt es jetzt, dass ich seinen frühen Roman Hoffnung im Alentejo von 1979 nicht so mochte?


    Sicherlich am Stil, der zwar im Unterschied zu späteren Romanen „normaler“ gehalten ist, aber doch sehr der Form eines Berichtes unterliegt. Dadurch werden die geschilderten Vorgänge als unabänderbar und die Schicksale der Protagonisten als vorbestimmt gehalten.
    Außerdem bleiben die Charaktere irgendwie austauschbar, was sicherlich so von Saramago bezweckt ist, da die portugisischen Landarbeiter ein gemeinsames Schicksal teilten und Joao und seine Familie als Prototypen bestimmt sind.


    Obwohl die Handlung des Romans wichtig und ehrbar ist, ließen mich die Geschehnisse so doch unberührt. Die drastischen Beschreibungen der Unterdrückung und Armut der Bevölkerung und die Szenen, in denen Joao und andere im Gefängnis gefoltert werden, sind wirkungsvoll, aber für den Leser nicht gerade erbaulich.
    In wenigen Szenen verherrlicht Saramago die Landarbeiter zwar wie bei Propaganda, aber natürlich kommt bei Saramago die Menschlichkeit an erster Stelle. Das rettet den Roman für mich dann doch etwas, zumal einzelne Sätze auch wieder besonders stark sind.


    Trotz allem lohnt sich das Lesen des Romans also doch. Ich wünschte nur, ich hätte den Roman mehr gemocht.


    Der häufig genannte Vergleich dieses Romans zu Gabriel Garcia Marquez 100 Jahre Einsamkeit kann ich bestätigen. Wer also 100 Jahre Einsamkeit mochte, kann vielleicht auch dieses Buch schätzen. Wahrscheinlich liegen mir epische Romane nicht so, oder aber dieser frühe Roman ist etwas überschätzt und Saramago konnte sich literarisch noch steigern.

  • Danke für die Rezi. Ich hab schon ewig überlegt mir das Buch mal zu holen (& scheiterte, weil es dieses Buch in den Läden anscheinend selten gibt), aber wenn ich das so lese, nehm ich mir vielleicht doch erstmal besser ein anderes von Saramago vor. Ähnelt "Geschichte der Belagerung von Lissabon" vom Schreibstil her "Stadt der Blinden"?

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Zitat

    Original von saz
    Ähnelt "Geschichte der Belagerung von Lissabon" vom Schreibstil her "Stadt der Blinden"?


    Das ist ziemlichj schwierig zu beantworten, da ich beide Bücher vor ca. 8 Jahren gelesen habe. Ich erinnerte mich noch sehr gut an die starke Wirkung Saramagos Bücher damals auf mich, aber ein stilistischer Textvergleich fällt mir schwer.
    "Geschichte der Belagerung von Lissabon" ist leichter, hurmovoller und realer als das märchenhafte, düstere "Stadt der Blinden" und es stehen 2 Protagonisten, die als Individuen geschildert sind, im Mittelpunkt. Bei Stadt der Blinden wirkt das gemeinsame Erblinden der Bewohner als schicksalhaft. So gesehen ist "Hoffnung im Alentejo" wohl näher an "Die Stadt der Blinden" dran.


    Trotzdem kann ich die Geschichte der Belagerung von Lissabon sehr empfehlen. Die Handlung teilt sich in einen zeitgenössische Abschnitt mit den beiden Protagonisten, die sich ineinander verlieben und einem historischen Abschnitt der Kreuzritter auf ihren Kreuzzug in der gefakten Fassung des Korrektors Raimundo Silva. Mir gefiel diese originelle Teilung in heute und Vergangenheit und besonders der liebenswerte, versponnene Raimundo Silva, der als Korrektor die Vergangenheit ein mal anders darstellt.



    Anbei noch kurz die Vorstellung der Handlung vom Verlag Rowohlt:
    Ein Korrektor probt den Aufstand: Statt brav ein Buch über die Historie Lissabons auf Fehler durchzusehen, ändert er es eigenmächtig. Die Aktion revolutioniert sein Leben. Er wird zum besessenen Schriftsteller, der nun seine eigene Geschichte der Belagerung von Lissabon schreibt. Ein Sieg der Phantasie über die Fakten. Und gleichzeitig ist dies der Beginn einer wunderbaren Liebesgeschichte

  • Hab jetzt "Geschichte der Belagerung von Lissabon" gelesen und kann dir eigentlich nur zustimmen... wirklich ein schönes Buch, wenn man sich erstmal wieder an den Schreibstil von Saramago gewöhnt hat ...

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • „Hoffnung im Alentejo“ steht schon seit Jahren auf der Liste meiner Lieblingsbücher mit ganz oben. Von einem Kollegen wurde mir das Buch damals wärmstens empfohlen. Ihm zuliebe habe ich angefangen zu lesen und es nicht mehr aus der Hand legen können. Mit eine der köstlichsten Szenen war zum Beispiel diese: Wenn sich die Engel am Firmament kichernd und tuschelnd hinter einer Balustrade versammeln, dann weiß man, dass auf der Erde gleich wieder was Aberwitziges oder Tragisches passiert, welches von den Menschen selbst fabriziert wird. In Gedanken habe ich mir dann vor Vergnügen und Schaudern jedes Mal die Hände gerieben und mit den Engeln Beifall geklatscht. Die Folterungen waren zwar grauenvoll, wurden aber teilweise fast poetisch beschrieben. Beispielsweise aus der Sicht einer Ameise, welche jeden Tag zur selben Zeit über den Fußboden des Raumes kriecht, in dem die Folterungen stattfinden. Die Folterungen werden dann aus dem Blickwinkel der Ameise und mit ihrer Wahrnehmung geschildert. Szenen, die einen bis ins Innerste treffen. Auch die langen, langen, sich oft über eine halbe Seite hinziehenden Schachtelsätze haben mir nach kurzer Zeit nichts mehr ausgemacht, und ich habe sie mit Genuss sogar mehrmals gelesen. Das ist nur ein kleiner Teil dessen, was das Wunderbare an diesem Buch ausmacht. Ich kann es nur weiterempfehlen.


    Außerdem stimmt es, was Herr Palomar im Eingangspost geschrieben hat, wer „Hundert Jahre Einsamkeit“ gemocht hat, der wird „Hoffnung im Alentejo“ ebenfalls mögen. Und natürlich auch umgekehrt! Beide Bücher nehmen auf meiner Liste denselben Rang ein.