Ein Kind ist tot

  • Zitat

    Original von Tom
    Kann es sein, daß der Sarkasmus meiner Äußerung zu zaghaft dosiert war und Dir deshalb entgangen ist? :grin


    hm..ehrlich gesagt, wollte ich erst noch was dazu schreiben, habs aber dann doch gelassen...drum meine Antwort auf den verkürzten Teil deines Satzes, ohne auf Lebensborn, Mutterkreuz oder ähnliches einzugehen.


    Wenn ich es jetzt immer noch nicht verstanden habe..dann ist es eben so... :grin


    Danke Bj
    das wollte ich wissen, ob direkt etwas weitergeleitet wird, oder ob einfach nur ein Bericht in einem Ordner des Polizeiarchives verschwindet.

  • @ Alexx
    Nein, da verschwindet nichts zumindest nicht bei der Polizei, meist faxe ich die Sachen direkt selbst zum JA. (Allerdings ist das natürlich Einstellungssache, ich würde nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, daß jeder Kollege das so handhabt... du verstehst?)

  • @ Tom
    Du schreibst ziemlich viel weiter oben, Eigenverantwortlichkeit, Subsidiarität und Achtung im Umgang miteinander, auch außerhalb der eigenen Familie seien die richtige Antwort. Dem kann ich zunächst nur zustimmen.
    Die Art, wie Menschen miteinander umgehen muss einfach Thema werden. Nur glaube ich, dass es auch der institutionellen Absicherung bedarf, damit eine Entwicklung in dieser Richtung in Gang kommt.
    Erziehung scheint gar kein Thema zu sein, oder höchstens dann, wenn etwas arg aus dem Ruder gelaufen ist. Viele Familien benötigen aber im normalen Alltag bereits Hilfe, die keineswegs zeitlich unbegrenzt und auch nicht in Form staatlicher Überwachung organisiert sein muss. Die Kinderpflegerin, der auffällt, dass Muttern reichlich nervös ist im Umgang mit ihren lieben Kleinen hat es zunächst viel leichter, besagte Mutter anzusprechen.
    Ich bin überzeugt, dass solcherart verstandene Kinder- und Jugendfürsorge auf längere Sicht dazu beiträgt, ein Erziehungklima innerhalb der Gesellschaft zu erzeugen, das die institutionelle Fürsorge immer weniger nötig macht.
    Bis dahin allerdings wird noch recht viel "Staat" notwendig sein.


    Du kannst mir jetzt ruhig einen überzogenen Optimismus vorhalten, ich hör' das gerne.

    "Hebt eure Prinzipien für die wenigen Augenblicke im Leben auf, in denen es auf Prinzipien ankommt. Für das meiste genügt ein wenig Barmherzigkeit."
    (Albert Camus)

  • Twiärsdriever : Die Aufgaben, die "früher" der Familie zukamen, einem komplexen Mehr-Generationen-Konstrukt, müssen in unserer stark individualisierten Gesellschaft, deren Ein-Personen-Zellen kein Ganzes mehr ergeben, von irgendwem übernommen werden. Relativierend muß man natürlich anmerken, daß es Vorfälle wie den aktuellen auch "früher" gegeben hat, als die verelendeten Massenmedien noch nicht alles zur Nachricht gemacht haben, als es noch Grenzen der Berichterstattung gab. Was natürlich im Umkehrschluß bedeutet, daß vieles unter den Tisch gekehrt wurde. Fragt sich, ob es angemessen ist, anhand dieses Falles das Scheitern des Gesellschaftsmodells zu diagnostizieren - oder ob man nicht doch nur (wieder) den Gesprächsvorgaben der Medien gefolgt ist. Was nicht heißen soll, daß es verkehrt ist, über derlei zu sprechen, ganz im Gegenteil ist es wichtig. Aber man muß auch die Kirche im Dorf lassen. Vor zwei Jahren hatten wir diese grausige Kampfhunde-Affaire, in deren Folge umgehend - und vorschnell - Gesetze erlassen und geändert wurden. Das kann auch nicht die Antwort sein. Ursachenbeseitigung ist viel wichtiger als Symptombekämpfung. Die Ursachen liegen aber nicht darin, daß der Staat die Zelle "Familie" zu wenig kontrolliert.

  • Oh ja, die Saga vom Mehrgenerationen- Konstrukt, ja wann den? In welcher Zeit gab es den drei Generationen unter einem Dach? Die durchschnittliche Lebenserwartung, Kriege, Kindsbettfieber und was der Dinge mehr sind, führte doch dazu, dass ein Mehrgenerationenbild nur Traumbild, keine gelebte und erfahrene Realität war und ist- selbst die Bauern haben schon früh ihre Alten ins Altgedinge abgeschoben. Großmama Stresemann kam bei Johanna Spyri auch angereist und wohnte eben nicht bei der Enkelin und dem verwitweten Sohn. Großfamilie ja, ein Sack Kinder- die Verhütungsmittel Fernsehen und Überdruss gab es ja noch nicht- aber Generationenmulti, nee. Dieser Hausfreiden ist ein Überbleibsel brauner Ideologie in unseren Köpfen.
    Mir hat mal ein katholischer Priester erklärt, dass die im Mittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die durchschnittliche Ehezeit 12 Jahre war- soweit zur Frage lebenslänglich. Das Leben war halt nicht so länglich, eher kurz. Die Familie wird daher in jeder Generation neu definiert werde müssen, die Notwendigkeit den Kindern zu geben, was kindliche Bedürfnisse sind muss ebenfalls stets neu überprüft werden. War uns nicht allen mal von Kinderläden als die wahre Erziehungsform der emanzipatorischen Bewegung vorgeschwärmt worden? Hinweggespült vom Strom der Zeit heute reden wir von Sandwichgeneration und Patchworkfamilie, von familienfreundlichen Unternehmen und Familientherapie, wo früher Herr Pfarrer das sagen hatte.


    Wir müssen den Realitäten ins Auge sehen- Erziehungsversagen gab es schon immer, aber bei immer weniger Kindern fällt es stärker auf. Wir müssen versuchen Erziehungversagen zu verhindern, sind aber nicht bereit das zu organisieren und zu bezahlen- Unterricht vom Kindergarten an in Medienkunde, in Ernährungsfragen, in Fragen die für das Leben in dieser Gesellschaft letztlich wichtiger sind als Don Carlos oder die fünfte Ableitung des dritten Limes von x.

  • Zitat

    Original von beowulf


    Wir müssen den Realitäten ins Auge sehen- Erziehungsversagen gab es schon immer, aber bei immer weniger Kindern fällt es stärker auf. Wir müssen versuchen Erziehungversagen zu verhindern, sind aber nicht bereit das zu organisieren und zu bezahlen- Unterricht vom Kindergarten an in Medienkunde, in Ernährungsfragen, in Fragen die für das Leben in dieser Gesellschaft letztlich wichtiger sind als Don Carlos oder die fünfte Ableitung des dritten Limes von x.


    :write :write :write


    Dem ist nicht mehr all zuviel hinzuzufügen, außer einer kurzen Überlegung:


    Wenn wir (und ich nehme mich selbst dabei gar nicht aus) es schon nicht schaffen, dem - nur als Beispiel genommen - dritten Nachbarn von links und dem fünften Nachbarn von rechts (gilt auch für über oder unter) die sensible Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die er/sie vielleicht gerade benötigt, dann scheinen wir den Staat mit seinen Kontrollorganen offenbar noch zu sehr zu benötigen und müßten sehen, dass dort ausreichend Personal und Mittel bereit stehen.


    Aber nein, wir basteln ja lieber weiter an einer Gesellschaft, die Nachbarschaftshilfe kaltlächelnd als "Helfersyndrom" ab tut, Interesse und echtes menschliches Mitgefühl als Eifersucht und Neid und der eigenen Egozentrik immer weiter Vorschub leistet.


    Fazit meinerseits: das Projekt Mensch hat IMHO in weiten Teilen schlicht und einfach versagt!


    ...und jetzt geh ich mein Helfersyndrom ausleben :wave

  • Zitat

    Original von Twiärsdriever


    Die Kinderpflegerin, der auffällt, dass Muttern reichlich nervös ist im Umgang mit ihren lieben Kleinen hat es zunächst viel leichter, besagte Mutter anzusprechen.
    Ich bin überzeugt, dass solcherart verstandene Kinder- und Jugendfürsorge auf längere Sicht dazu beiträgt, ein Erziehungklima innerhalb der Gesellschaft zu erzeugen, das die institutionelle Fürsorge immer weniger nötig macht.
    Bis dahin allerdings wird noch recht viel "Staat" notwendig sein.


    Du kannst mir jetzt ruhig einen überzogenen Optimismus vorhalten, ich hör' das gerne.


    vorhalt :grin


    DA liegt doch schon der Hase im Pfeffer! Wer lässt sich denn heute noch was sagen? Aus meiner Erfahrung DIE die es nötig haben gewiss nicht!


    Was sind denn heute noch Erzieher oder Lehrer u.ä. wert? Welchen Stellenwert haben die? Die sind doch nur die, wo man die Kinder abladen kann und wie in jedem Dienstleistungsgewerbe eine entsprechende Dienstleistung fordert. So, wie man es wünscht, nicht wie es Sinn macht. Der Kunde ist König! :grin


    Da beschweren sich Eltern beim Lehrer, weil der Junior nicht die Zensur erhalten hat wie sie es selbst einschätzen oder gern hätten und drohen ihm, wenn er sie nicht umgehend ändert beim Schulrat sich zu beschweren.


    Da proben Eltern den Zwergenaufstand, weil ihr Kind nicht das Spielzeug bekommt welches gerade ein anderes Kind hatte und sie finden, dass ihr Kind nun unbeachtet oder benachteiligt wird. Nortfalls will man natürlich beim Stadtrat vorsprechen!


    Wegen jeder Kleinigkeit hat man sich mit Eltern um das unsinnigste Pfurzel auseinanderzusetzen, zu kämpfen, zu rechtfertigen.


    Schon erlebt: Eine Kollegin stand mit verweinten Augen im Gruppenraum, weil sie sich gewagt hatte die Mutter zu bitten wieder Windeln für ihr Kind mitzubringen, da sie in letzter Zeit keinen Nachschub bekam und aus der "stillen Reserve" der von Eltern hinterlegten Windeln das Kind seit Wochen bedient. der "neue Papa" hat sie echt rund gemacht! Was sie sich einbildet! Dann soll sie das Kind nicht so oft windeln, dann reichts auch.Sie seien keine Dukatenscheisser! :wow
    (eine Mutter holte mich und da der ein laufender Meter mit IQ wie ne Stulle Weißbrot war, hab ich ihn dann scharf eingebremst ;-) )


    Erst kürzlich: Ein Vater machte nen Aufstand, weil sein Junior keinen eigenen TV auf dem Zimmer haben durfte. Dass es bei uns im Haus Regeln gibt die Sinn machen und er nicht mal ne GEZ-Anmeldung machen wollte interessierte nicht. Nein! Der Herr aus dem tiefsten bayrischen Kaff schrie rum was wir im Osten für Stasimethoden anwenden würden und er wird sich, wenn nicht umgehend eine Regelung zu seiner Zufriedenheit getroffen wird, sich beim Bürgermeister zu beschweren. Naja, ob Wowi das interessiert bleibt fraglich. ;-)


    Aber so ist es doch überall. Eltern die wirklich interessiert sind, Hilfe wollen, die kümmern sich, fragen nach, lassen sich erklären und helfen. Aber DIE die es brauchen, die wissen schon welchen MIst sie verzapfen, fühlen sich aber angegriffen und gehen auf Abwehr oder Angriff.

    _______________________
    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Heaven ()

  • Zitat

    Original von Heaven


    Aber so ist es doch überall. Eltern die wirklich interessiert sind, Hilfe wollen, die kümmern sich, fragen nach, lassen sich erklären und helfen. Aber DIE die es brauchen, die wissen schon welchen MIst sie verzapfen, fühlen sich aber angegriffen und gehen auf Abwehr oder Angriff.


    EBEN!!!...Bravo Heaven . Sehr guter Beitrag, den man noch endlos um viele, viele Beispiele aus allen möglichen weiteren Erfahrungsbereichen erweitern könnte!


    Wir hatten das Thema letztens auch in einem kleinen Kreis besprochen...als ebenfalls ein Kind verhungern und verdursten mußte...und eine gebürtige Dänin sagte zu uns, dass so ein Fall ihrer Meinung nach in Dänemark gar nicht hätte passieren können.


    Wir waren sehr überrascht und ungläubig...und sie sagte nur ganz einfach: Die Deutschen seien ihrer Meinung nach auf einem ganz falschen Weg. In Dänemark kümmere sich der Staat viel mehr um solche Dinge.


    Frage: kennt die dänische Regierung nun die Schwächen der Menschen besser...oder was ist da los?


    :wow ... *grüblerische Grüße*
    Ikarus

  • Zitat

    In Dänemark kümmere sich der Staat viel mehr um solche Dinge.


    Das mag ja sein, aber viel schlimmer finde ich doch, daß sich der Staat überhaupt kümmern MUß!!
    Diese Mißhandlungen und Vernachlässigungen entstehen doch nicht aus dem Nichts. Sie sind die Auswüchse vieler viel gravierenderer Probleme und ein Beheben dieser Probleme erachte ich für sinnvoller, als z.B. Einkaufsberatung für minderbemittelte Schnapsnase.


    Edit: Tippfehler :lache


  • Vielleicht haben da die erzieherischen Institutionen noch einen anderen Stellenwert? ;-)


    Ich kann mich an meine Anfangszeit erinnern. Mit 21 Jahren war ich mitunter fast halb so alt wie die, denen ich was über Erziehung erklärt habe. War selbst gerade erst Mutter geworden. Aber die haben das, was ich sagte noch für voll genommen.Ich war oft erstaunt. :grin Klar, gemosert wurde auch oder mal rumargumentiert. Aber nicht so wie heute. Und man war nicht Dienstleister, wo jeder seine persönlichen Bedürfnisse und Bequemlichkeiten befriedigt finden will.

    _______________________
    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Ich will Heaven nicht nur vollständig recht geben, sondern noch einen zusätzlichen Aspekt einbringen:


    Wir leben nicht nur in einer Dienstleistungsmentalität (= eher Bedien mich, aber laß mich nicht dienenen Mentalität), sondern auch in einer Zappermentalität. Soll heißen ich drücke von meinem Sofa die Frnbedienung und zapp es läuft etwas anderes, genau dasselbe erwarte ich von meiner Umwelt. Da hat doch die Rgierung gewechselt, warum haben wir nicht morgen vier Millionen Arbeitslose weniger? Da mußte ein Kind verhungern- wo bleibt die Gesetzesänderung und warum hat das Schwein von Vater noch keiner aufgehängt, morgen bin ich eh wieder beim Fußball glotzen, da interessiert mich das nicht mehr.


    Also nicht nur den Respekt, sondern auch Ruhe und Geduld verloren, bzw. wurde systematisch ausgetrieben.

  • Also mich beschleicht schon der Verdacht, dass hier bisweilen das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird.
    Wenn Erziehungsberatung zu einem festen Institut wird, weil es eben kaum noch gelingt, dass ein Nachbar den anderen anspricht, dann muss das doch nicht gleich als bevormundende Kontrolle aufgefasst werden. Es gibt schon eine Menge junger Eltern die nicht nur in einfachen Fragen von Erziehung hilflos sind, sondern deren Hilflosigkeit auch darin besteht, nicht zu wissen, an wen sie sich um Rat wenden können.
    Meines Erachtens reicht es nicht aus, einfach nur die schrecklichen Zustände zu beklagen, wir brauchen schon auch die Offenheit für Lösungsideen, "Das war schon immer so" kann und will ich dabei nicht akzeptieren.
    @ Heaven: Deinen offensichtlichen Frust kann ich gut nachvollziehen - da Du ebenso offensichtlich "bei der Stange bleibst" : Hut ab!!
    Ich denke, bzgl. der Situation von KIndern läuft es aus zwei Richtungen falsch:
    Da ist zum einen ein Gemeinwesen, das es sich leistet, kaum Mittel für die jeweils nachfolgenden Generationen bereitzustellen, Übervolle Kindergärten, überfüllte Klassen, keinerlei Bereitschaft, außer Pseudoaktionismus wirklich etwas im Bildungssystem zu verändern....
    Auf der anderen Seite Eltern, die versuchen, jedwede Institution, sei es nun die berühmte Krabbelgruppe, der Kindergarten, die Schule, die Nachmittagsbetreuung zu ihrem persönlichen Vorteil zu nutzen, getreu dem Motto: "Ic h will behaupten können, alles für meine KInder zu tun - und ihr habt die Pflicht, sie mir vom Hals zu halten!!!" (Wie anders ist es zu erklären, dass als Merkmal zur Festellung der Qualität von Kindergärten immer wieder an erster Stelle deren Öffnungzeiten genannt werden?)

    "Hebt eure Prinzipien für die wenigen Augenblicke im Leben auf, in denen es auf Prinzipien ankommt. Für das meiste genügt ein wenig Barmherzigkeit."
    (Albert Camus)

  • Für einen berufstätigen Elternteil ist es schon wichtig zu wissen, dass man lange Öffnungszeiten hat.
    Als meine Älteste ein halbes Jahr bei mir wohnte, konnte ich ja nicht plötzlich daheimbleiben - da wäre meine kleine Firma schnell vom Erdboden verschwunden.


    Natürlich habe ich mir einen dreisprachigen Kindergarten mit Schwimmangebot zum üblichen Lesen, Schreiben, Rechnen, Hand- und Gartenarbeit und der Erziehung zu ethisch erzogenen Kindern ausgesucht. Aber hier gibt es auch ein wirklich gutes Angebot, so dass man eher die Wahl der Qual hatte. :-)

  • Zitat

    Original von Oryx
    Mary : im D.F. 19 Mio. in der MetArea 30 Mio.


    Nicht schlecht, bei solchen Menschenmassen - wie auch in D - kann man leicht übersehen werden ....


    Edit: .. bin erst seit gestern aus dem Kurz-Urlaub zurück, daher die späte Antwort :-)