Adler und Engel - Juli Zeh

  • Adler und Engel - Juli Zeh


    Klappentext:
    Jessie ist tot. Sie hat sich erschossen, während sie mit Max telephonierte.
    Als sie stirbt, schmeißt Max seinen Job als Karrierejurist und beschließt, den Rest seiner Lebenszeit nach der Menge an Kokain zu bemessen, die er sich noch kaufen kann. Max ist am Ende.
    Und das ist der Anfang von Adler und Engel. Max ruft bei Clara an, einer Radiomoderatorin, die ihn mit einer Reise nach Wien zurück in seine Vergangenheit zwingt. Allmählich wird klar: Seine und Jessies Geschichte war Teil des Dramas auf dem Balkan. Ihre seltsame Liebe ist ein Produkt jenes zynischen Miteinanders von Bürgerkriegshelden, Völkermördern, Drogenhändlern und UNO-Politikern, die Schreckliches zulassen um noch Schrecklicheres zu verhindern.


    Zur Autorin:
    Juli Zeh, geboren 1974 in Bonn, Jurastudium in Passau und Leipzig, Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, Studium des Europarechts und Völkerrechts. Aufenthalte in New York City und Krakau. Juli Zeh lebt in Leipzig. 1999 Preis für Essayistik der Humboldt Universität Berlin, 2000 Caroline Schlegel Preis für Essayistik.


    Zwar bot die Eulensuchmaschine hier und da ein bisschen Meinung und Information zu diesem Buch, doch eine wirkliche Rezension fand ich nicht - und da ich absolut begeistert, fasziniert und noch irgendwas anderes von diesem Werk bin, soll ihm doch die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden.
    Selten ist mir so ein vielschichtiger Roman begegnet - in ca. 450 Seiten erzählt Juli Zeh von zwei ganz besonderen Menschen, die sich unter besonderen Umständen begegnen und im Grunde nichts anderes tun, als Tonbandaufnahmen zu machen, in denen Max von seinem Leben erzählt, das ihm jetzt vollkommen egal zu sein scheint. Eine Reise beginnt, und so machen sich Clara, Max und der Hund Jacques Chiraq daran, Vergangenes auszugraben und zeitweise auch in einem neuen Licht zu betrachten.
    Doch das Gesamtwerk darauf zu begrenzen, wäre falsch. Die Atmosphäre ist dicht, schwül beinahe, es gelingt eine einzigartige Hitze herauf zu beschwören, und dann kommt - im letzten Moment, so scheint es - der (un)erwartete Schluss, Regen, Befreiung. Es geht um Macht, Politik, Drogen, Gefühl, Selbstaufgabe und nicht zuletzt um Liebe.
    Mit zahlreichen Metaphern, einer teilweise sehr harten, nüchternen und dann wieder wunderbar poetischen Sprache zeichnet die Autorin das Bild eines jungen Menschen, der viel erlebt, nur die Hälfte davon mitgekriegt und erst gegen Ende wirklich versteht. Genau wie der Leser.


    Bin ehrlich überwältigt und kann es jedem nur wärmstens empfehlen...

  • Ich hab das Buch vor längerer Zeit gelesen und saß von Anfang an zwischen zwei Stühlen.


    Auf der einen Seite bin ich von Zehs Schreibstil begeistert, gebe mich dem Lesegenuß voll hin und will, dass es nie aufhört, auf der anderen Seite, stieß ich gerade bei Adler und Engel auf ein paar Stellen die für mich total unlogisch waren. So zB lebe ich seit 30 Jahren in Wien und habe noch nie ein Klima in der Form erlebt, das ich hier las. Gut, nehmen wir die Sache als Metapher, als Ausdruck der Schwere und der emotionalen Mauern. Für mich doch ein Maß zu sehr übertrieben. Was ich noch nicht verstand, war die Sache mit den "Plastikmenschen". Darüber habe ich schon mir vielen Leuten gesprochen, aber niemand konnte mir den Sinn wirklich näher bringen.


    Wie dem auch sei: Juli Zeh ist eine großartige Schriftstellerin und ihre Bücher bieten auf jeden Fall literarischen Hochgenuß.

  • Irgendwo hab ich sicher schon Begeisterung über dieses Buch (und das mir bekannte weitere Werk der Frau Zeh) geäußert, aber ich tus gern nochmal in einem eigenen Rezensionsthread.
    Selten war ein Buch so ein Aha - Erlebnis. Der Stil, die in kein Genre wirklich einordenbare Geschichte, die vielen Bilder, die sie mit jeder kleinsten Beschreibung entwirft - ich bin hingerissen. Das Buch habe ich auch mehrmals verschenkt und vielmals empfohlen, und einige Male konnte ich auch bei anderen die Flamme entfachen.


    Trixi : zur Zeit hat mein Exemplar die Lehrerin eines meiner Söhne, die ich mit guter Literatur versorge, daher kann ich nicht nachschauen, aber mich hat die Wiener Atmosphäre schon an extrem heiße, in Wien arbeitenderweise verbrachte Tage erinnert. Mir ist da nichts Ungewöhnliches aufgefallen - aber ich werde es bei Gelegenheit sowieso nochmal lesen.

    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das nicht allemal das Buch.
    Georg Christoph Lichtenberg

  • Also ich bin nach ein paar Tagen Bedenkzeit auch ziemlich hingerissen. Geliehen habe ich es aus der Bibliothek als Polithriller und war anfangs über die Einordnung mehr als irritiert. Weit und breit nur Lebensgeschichte, und das in der härtesten und gleichzeitig anrührendsten Form. Ab dem zweiten Abschnitt dann die große Erleuchtung, dann Wut und Entsetzen, dann Interesse am Fortgang, dann Hoffnung ... so in etwa die Stadien meiner Leseeindrücke.


    Und ich bin beeindruckt. Hat mich der Stil von Juli Zeh anfangs eher zu hochgezogenen Augenbrauen verführt bin ich allmählich immer tiefer hinein gerutscht, was nicht zuletzt an der Entwicklung von Max hing. Beeindruckt bin ich vor allem von der Beziehung zwischen ihm und Clara, die sich schlagen lässt (was ich nicht verstehe) und mir so zeigt, wie unverständlich einem die Menschen und ihre Handlungen doch vorkommen können. Dazu meine Abneigung gegen einen Menschen wie Max, der ein Arsch ist, aber irgendwie auch wieder so verletzlich und emotional dass man ihn immer ein wenig liebhaben muss. Nicht nur bloßes Mitleid. Seine Beziehung zu Jessi und vor allem deren kindliche Art haben mich gepackt. Das Ende dann war mir genauso recht wie es war. Ich spekuliere mal nicht auf eine neue Liebe von Max, zumal die Alte ja eher einseitig war, aber jedenfalls erscheint er mir lebenswillig.


    Kurioser Weise hinkte ich mit meinem Verständnis des Gelesenen immer zwanzig Seiten hinterher, ehe der Aha-Effekt einsetzte und hegte die Befürchtung, dem Buch könnten am Ende die entsprechenden Seiten fehlen, aber dem war nicht so. Deshalb meine Anerkennung auch für diese gelungene Komposition, ich kam mir gefordert vor. Das mochte ich.


    Was ich auffallend fand waren die seltsamen Metaphern. Ich erinnere mich an eine Stelle mit Erdebeermilchglas in Beziehung zum Mond (?). Gewöhnungsbedürftig, aber nicht ohne Reiz, auf jeden Fall neu.


    Kurzum, das Buch hat mir gefallen, mich lange beschäftigt, auch politisch und mich dazu getrieben zu schauen, wo liegt der Balkan und wie geht es den Menschen dort. Das Problembewusstsein ist geweckt. Das Buch werde ich mir kaufen und die anderen ebenfalls lesen. Ich halte es für sehr empfehlenswert.


    Im Übrigen habe ich Juli Zeh einmal live auf dem blauen Sofa erleben dürfen und war von ihrer klugen und ein wenig respektlosen und sehr direkten Art angetan. Zudem bewundere ich ihr mutiges politisches und gesellschaftliches Engagement. Und ihre Bildung.

  • ich hab Julie Zeh bei einer Lesung erleben dürfen und mir danach Adler und Engel gekauft.


    Was mich an Anfang sehr abgestossen hat war die sehr direkte udn unverblümte Sprache der Autorin. Das hat eine Weile gedauert bis ich damit klar kam, zumal ich sie als Mensch bei der Lesung anders in Erinnerung hatte.


    Trotz allem hat mir das Buch sehr gut gefallen, es hat zum Nachdenken angeregt und ich konnte es lange nicht vergessen


    LG Luthien

  • Ich leses dieses Buch gerade und mir fehlen noch 191 Seiten. Die schaffe ich auch noch...


    Es fällt mir unheimlich schwer, Zugang zu den Personen zu finden, ich habe das jetzt aufgegeben. Mir fehlt da irgendwie etwas. Auch Max grobe Art mit Clara umzuspringen, finde ich seltsam (vor allem, dass sie es sich gefallen lässt; nur für die Story?). Was auffällt, ist, dass es Clara immer schlechter geht, je mehr Max von seiner Geschichte erzählt.


    Ganz ohne Frage findet man oft gute Sätze, viele sogar und das allein ist sicher schon viel Wert. Aber ich habe mich noch nicht ein einziges Mal dabei ertappt, mich darauf zu freuen, das Buch weiterzulesen und werde froh sein, wenn ich es hinter mir habe.


    Vielleicht liegt es auch daran, dass ich noch nie etwas für Figuren übrig hatte, die ich auf ihrem Drogentrip begleiten muss.


    EDIT und Nachtrag:


    Auch mit etwas Abstand zur Geschichte, die ich natürlich beendet habe, wird Juli Zeh vermutlich nicht meine Lieblingsautorin werden. Vielleicht bleibt das Buch im Gedächtnis, vielleicht aber auch nicht. Irgendwie war das Buch eher wie ein nerviger Pickel, der ausgedrückt werden wollte. Das liegt vielleicht an der Schmuddeligkeit der Figuren und an der drückenden Wärme, die in ihrem Umfeld herrscht. Besonders überraschend war hier jedenfalls nichts mehr, aber alles wurde wenigstens zu Ende gebracht und nichts offen gelassen.


    Aber zu mehr als 6,5 Punkten kann ich mich nicht durchringen.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von killerbinchen ()