Dorothy Dunnett - Das Königsspiel

  • Kurzbeschreibung:
    1547, gleichzeitig mit einer englischen Invasionsarmee, trifft Francis Crawford of Lymond, Junker von Culter in seiner Heimat Schottland ein. Vor fünf Jahren wurde er als Verräter angeklagt und geächtet. Nun ist er der Anführer einer Söldnerbande und spielt eine Kriegspartei gegen die andere aus.
    Will Scott, Erbe der Buccleuchs und Anhänger der Moralphilosophie, schließt sich dieser Bande an. Zuerst fasziniert von dem skrupellosen Anführer beginnt Will Scott immer mehr zu zweifeln, was Lymond wirklich will. - Seine Unschuld beweisen, die Engländer unterstützen oder seine Familie ruinieren?



    Mein Eindruck:
    Dorothy Dunnett steht ja hoch im Kurs bei allen, die historische Romane lesen. Ich kannte sie noch nicht, und da mir die Geschichte rund um Lymond mehr zu liegen schien als die Niccolo-Reihe, hab ich bei TT zugeschlagen, als das Buch dort auftauchte. Leider habe ich eine andere Ausgabe als auf dem Bild unten, viel häßlicher, ein furchtbares Cover, das aus dem Film "3 Nüsse für Aschenbrödel" geklaut zu sein scheint. Und leider löst sich inzwischen fast jede Seite aus der Bindung :-(


    Zuzugeben, das man mit Dunnett nicht klar kommt, scheint fast so, als müsste man das eigene Unvermögen zugeben, ihre Bücher zu verstehen. Denn fast jeder positive Kritiker weisst drauf hin, wie feinsinnig und tiefgründig sie ihre Geschichten und ihre Figuren anlegt und wie Doppelbödig alles ist. Der Leser soll mitdenken.
    Das kann ich so bestätigen. Lymond, der Held, wird, wie bei Dunnett wohl üblich, nur durch den Blick anderer gesehen. Dadurch eröffnen sich seine Charakterfacetten nur nach und nach.


    Ihre Figuren sind sehr real gezeichnet. Was mich allerdings stört ist Dunnetts ungenau Beschreibung der Ereignisse. Bei manchen Geschehnissen kann ich mir einfach nicht vorstellen, was gerade abgelaufen ist. Dann wiederrum ist es sehr lebensecht, wie ein Gang über den Jahrmarkt. Aber allzuoft verschwimmt der stattfindende Handlungsablauf in einem Wust von Worten. Ich bekomme gerne genau erzählt, was gerade passiert, mit Andeutungen kann ich nicht viel anfangen, ich will die Geschichte ja nicht interpretieren sondern lesen. Zumindest, was die Rahmenhandlung betrifft, die sogenannte "Action".


    Ich gebe zu, ich tue mich schwer mit dem Buch. Erschwerend kommt noch hinzu, das sie die Personen oft unterschiedlich benennt, mit ihrem Vornamen, Nachnamen, Titel etc. Und wenn es dann noch Vater und Sohn mit gleichem Titel gibt, wirds für mein schlechtes Namensgedächtnis echt haarig. Es verlangt wirklich ein gerüttelt Maß an Konzentration, zu behalten, wer Enländer und wer Schotte ist und wer auf welcher Burg sitzt usw. Spaß macht es, die kleinen Andeutungen und Schurkereien Lymonds zu verfolgen. Wie gesagt, mein größter Kritikpunkt ist, das ich die äußeren Umstände oft nicht genug beschrieben bekomme.


    Ich hab hier auch noch das erste Band zur Niccolo-Reihe liegen, in neuer Übersetzung. Ich bin mal gespannt, ob ich da ähnliche Erfahrungen mache oder ob mein Problem vielleicht an der leicht altmodischen Sprache liegt, die evtl. in neuer Übersetzung etwas modernisiert wurde.

  • Ich liebe die Lymond-Chronicles. Noch viel mehr als "House of Niccolò".


    Allerdings war ich erst ab Band 3 so richtig gefesselt, davor hab ich die meiste Zeit mehr oder weniger keinen Durchblick gehabt und bin irgendwie durch die Bücher geeiert. Aber das ist Absicht. Das ganze Bild erschliesst sich erst nach sechs Bänden und ganz verstehen werde ich sie wohl nie. Es gibt immer wieder Dinge, die offen bleiben und die man auch anders deuten kann. Irgendwann muss ich die Bücher ein zweites Mal lesen und schauen, was mir beim ersten Mal alles an Hinweisen entgangen ist. Es ist eben so, dass man Lymond fast ausschliesslich aus der Sicht der anderen sieht. Dorothy Dunnett beschreibt das, was die anderen wahrnehmen und nicht das, was wirklich passiert. Dadurch ergeben sich Widersprüche und unverständliche Dinge in seinen Handlungen, weil die Leute eben unterschiedliche Wahrnehmungen haben und sie die wirklichen Motive dahinter nicht sehen können.


    Zitat

    Ich bekomme gerne genau erzählt, was gerade passiert, mit Andeutungen kann ich nicht viel anfangen, ich will die Geschichte ja nicht interpretieren sondern lesen.


    Ok, dann könnte Dorothy Dunnett Dir nicht liegen. Das Andeuten, Puzzeln und Interpretieren gehört bei ihr dazu, auch bei Niccolò.


    Bei den Lymond Chronicles sind nur die ersten drei überhaupt übersetzt worden und ob es eine Neuübersetzung geben wird, steht in den Sternen und hängt wohl auch davon ab, wie erfolgreich die Neuübersetzung von Niccolò ist. Und, soviel ich weiss, soll die alte Lymond-Übersetzung ziemlich schlecht sein, dazu kann Grisel aber mehr sagen. Ich hab sie alle auf Englisch gelesen und sie gehören zu meinen absoluten Lieblingsbüchern. Die Sprache ist einfach toll, ich hoffe nicht, dass sie irgendwann mal modernisiert wird, wohlmöglich durch Herrn Krege. :wow


    :anbet :anbet :anbet

  • Zitat

    Original von Fandorina
    @ Delphin: Man soll über Tote nix Schlechtes sagen und soweit mir bekannt ist, ist der Herr Krege inzwischen verstorben.


    Ok, wusste ich nicht. Aber deswegen kann ich trotzdem seine "Herr der Ringe"-Übersetzung kritisieren. Wobei ich fairerweise denke, dass Herr Krege schon übersetzen konnte, aber eben Auflagen hatte, die Sprache Tolkiens zu modernisieren.


    Ich ändere also hiermit offizell ab in: ich hoffe, dass Klett-Cotta die tolle Sprache Dorothy Dunnetts nicht versucht zu modernisieren, weil sie denken, dass das Buch dadurch mehr Leute anspricht.

  • Tja, ich habe mich bei HdR ja dann auch für die Originalausgabe entschieden (bisher aber noch nicht gelesen). Bei Frau Dunnett bin ich mir nicht sicher, ob ich der tollen Aufmachung der Neuauflage folgen oder mich an die Originalausgaben halten soll. Vielleicht weiß da jemand Rat ganz generell. Sorry, falls das zu sehr am Thema vorbeigeht.

  • Ich hab von den Neuübersetzungen von House of Niccolo bis jetzt eigentlich nur Gutes gehört. Klett-Cotta scheint sich da wirklich Mühe gegeben zu haben und die beiden Übersetzerinnen sind wohl auch ziemlich engagiert. Ich selbst hab aber nur das Original gelesen.


    Bei Lymond hat man eben zur Zeit nicht die große Wahl. Die ersten drei Bücher sollen grottenschlecht übersetzt sein und danach kann man zur Zeit sowieso nur auf Englisch weiterlesen. Und während die ersten beiden Lymonds noch so halbwegs in sich abgeschlossen sind, steht man nach Band 3 wirklich mit einem ziemlich offenen Ende da. Wenn man dann nicht auf Englisch weiterlesen kann/will, ist es schon ein Problem.

  • Zitat

    Original von Delphin


    Bei Lymond hat man eben zur Zeit nicht die große Wahl. Die ersten drei Bücher sollen grottenschlecht übersetzt sein und danach kann man zur Zeit sowieso nur auf Englisch weiterlesen.


    Vielleicht liegt da ein großer Teil meines Problems, vielleicht ist einfach nicht gut übesetzt worden.
    Allerdings lese ich ungern in Englisch. Ich kanns es zwar recht gut, aber finde es anstrengend zu lesen. Wahrscheinlich eine Sache der Übung.

  • Zitat

    Original von Darcy
    Vielleicht liegt da ein großer Teil meines Problems, vielleicht ist einfach nicht gut übesetzt worden.
    Allerdings lese ich ungern in Englisch. Ich kanns es zwar recht gut, aber finde es anstrengend zu lesen. Wahrscheinlich eine Sache der Übung.


    Gut möglich. Wobei Lymond richtig anstrengend ist auf Englisch. Ich lese ziemlich viel auf Englisch und lese es eigentlich "fast wie Deutsch", aber an den ersten Lymonds hab ich mir die Zähne ausgebissen. Der Herr redet ja nicht gerade einfach und dann auch noch in mehreren anderen Sprachen und die Zitate sind nicht übersetzt.


    Eines meiner Lieblingszitate aus den Lymond Chronicles ist:


    "I wish to God," said Gideon with mild exasperation, "that you'd talk - just once - in prose like other people." (Gideon zu Lymond in "Game of Kings", Vintage Ausgabe, S. 362)


    Das hab ich mir auch manches Mal gewünscht. House of Niccolo finde ich da etwas einfacher zu lesen. Trotzdem mag ich die Lymond Chronicles lieber (bin eben Lymondaine und nicht Nicolette ;-)) und so ab Band 3 hatte ich mich auch eingelesen.

  • Zitat

    Original von Darcy
    Leider habe ich eine andere Ausgabe als auf dem Bild unten, viel häßlicher, ein furchtbares Cover, das aus dem Film "3 Nüsse für Aschenbrödel" geklaut zu sein scheint.


    Etwa diesen Klassiker hier?


    http://www.youkali.de/dottie/dateien/gokfisch.htm


    Freu Dich, das ist so scheußlich und berüchtigt, das ist ein Sammlerstück. :lache Ich habe "leider" nur das schlichte rote.


    Zitat

    Zuzugeben, das man mit Dunnett nicht klar kommt, scheint fast so, als müsste man das eigene Unvermögen zugeben, ihre Bücher zu verstehen. Denn fast jeder positive Kritiker weisst drauf hin, wie feinsinnig und tiefgründig sie ihre Geschichten und ihre Figuren anlegt und wie Doppelbödig alles ist. Der Leser soll mitdenken.


    Zweiteres stimmt, ersteres ist Unsinn. Ich bin beim ganzen ersten Durchgang eher verwirrt herumgeirrt (aber glücklich! :-]) und habe heute, nach einigen Durchgängen, immer noch vieles, was ich nicht verstehe. Für mich ist das einer der viele Reize an diesen Büchern, die Herausforderung, daß man nie müde wird, sie zu lesen und zu diskutieren. Aber, das heißt nicht, daß jemand dumm ist, der das ablehnt, weil derjenige sowas weniger schätzt. Wie bei allen Büchern ist es auch bei Dunnett schlicht und ergreifend Geschmackssache.
    Man sollte sich davon nicht abschrecken lassen, denn es mag Leser geben, denen sowas sehr wohl liegt, wenn sie erst mal reinkommen, ohne daß sie das ahnen. Auch hier muß ich auf mich selbst verweisen.


    Zitat

    Zumindest, was die Rahmenhandlung betrifft, die sogenannte "Action".


    Es gibt aber keine Rahmenhandlung, denn es ist alles Handlung. Einen roten Faden gibt es, im ersten Buch Lymonds Versuch, seinen Namen reinzuwaschen. Aber alles spielt hier eine Rolle.


    Zu den Übersetzungen. Als Englisch-Lese-Fan plädiere ich im Zweifelsfall immer für die Originalfassung. Und gerade bei Dunnett, denn ihre Sprache ist schön und ein anderer der Reize bei ihr. Außerdem ist es vor allem bei den Lymond Chronicles und ihrem anderen historischen Werk "King Hereafter" fast schon ein Muß, da es ersteres nur zur Hälfte auf Deutsch gibt und zweiteres gar nicht. Wer bei Dunnett Blut geleckt hat, muß Englisch lesen. (So kam ich an dieses schöne Hobby.)


    Zu den Übersetzungen der LC. Ich kenne Leute, die die Übersetzung des ersten Bands rein sprachlich gar nicht so schlecht finden. Mir gefällt das allzu hochgestochene nicht und ich habe mich beim Lesen oftmals gewundert. Es mag ein gelungener Versuch sein, ihren Stil auf Deutsch einzufangen, für mich aber ist er nicht gelungen. Was auf Englisch für mich wunderschön klingt, klingt in der Übersetzung etwas eigenartig. Das Hauptproblem beim ersten Buch aber ist, daß es gekürzt wurde, und das sehr wahllos. Hier ein Wort, dort ein Satz und wenn uns der Sinn gerade danach steht, mal ein ganzer Absatz oder Abschnitt. Leser sind nicht blöd und wittern beim Lesen, daß da was faul ist und sind verwirrt. Klar, daß man dafür Dunnett verantwortlich macht, wenn man das Original ohne Kürzungen nicht kennt. Und auch klar, daß man der Handlung so noch sehr viel schwerer folgen kann, wenn da Lücken sind und ihr sehr geplantes Handlungs- und Erzählgefüge zerrissen wird. Woran Dunnett aber unschuldig ist.
    Das zweite Buch, "Gefahr für die Königin" habe ich nie auf Deutsch gelesen, darüber kann ich nichts sagen. Das dritte, "Zeichen des Kreuzes" ist sprachlich "normaler", hat aber die selben brutalen und IMO total sinnlosen Kürzungen.
    Also plädiere ich für Englisch, obwohl die deutsche Variante sicher keine schlechte Sache ist, um mal zu schnuppern, ob einem Dunnett grundsätzlich liegt. Und Lymond und die anderen Figuren natürlich. Denn die in ihrer Lebendigkeit und wie man sie lieben und hassen kann, sind natürlich der andere Reiz an diesen Büchern.


  • Holy Shit, das ist es tatsächlich :wow. Und, wie erwähnt, mit von jeder störenden Leimung befreiten Seiten.


    Danke für deine ausführliche Meinung, Grisel :knuddel1 .
    Ich werde auf jeden Fall bei Dunnett am Ball bleiben. Vielleicht läuft mir ja mal das englische Original über den Weg oder Klett-Cotta überlegt es sich, auch diese Bücher ins Deutsche zu übersetzten.
    Reizvoll sind die Bücher alleine schon deswegen, weil sie anders sind als alles, was sonst auf dem Markt ist. Auch wenn man sich erst daran gewöhnen muss bzw. es von netten Mitmenschen erklärt bekommen muss :grin ;-) :knuddel1

  • Leidenschaftlich gern geschehen, liebe Darcy! Was weitere Übersetzungen betrifft, wer weiß? Wenn Niccolo einigermaßen erfolgreich läuft und für Dunnett eine Bresche in den deutschsprachigen Büchermarkt schafft?
    Und, wenn Du Dunnett liest, egal in welcher Sprache, Du weißt ja, wo Du uns findest. :-]
    Was das Erklären betrifft, darum gibt es ja u.a. das deutsche DD-Forum, weil es immer was gibt, woran einer kiefelt und wobei Hilfe gebraucht wird.
    Nur das Genießen, das geht ganz von allein. Idealerweise. :-)


    Zum Buch. Bloß nicht hergeben, wie gesagt, ein Klassiker an Abscheulichkeit!


    Ad: Die hier sind auch nicht schlecht. Bzw., auch schlecht! :wow


    http://www.youkali.de/dottie/archiv/cover/cover.htm