Zwei Erzählungen aus dem Jahre 1971
Originaltitel: ad mavet
Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama
Handlung laut Klappentext: (mühsam abgetippt)
Den deutschen Lesern gilt Amos Oz als ein die individuellen und gesellschaftlichen Tiefen ergründender Autor von jeweils zeittypischen psychologischen Gesellschaftsanalysen, der sich mit dem Scheitern des zionistischen Traumes von neuen Jerusalem, dem Generationskonflikt zwischen den europäischen Gründervätern und den eingeborenen Enkeln und mit dem mörderischen Konflikt zwischen Juden und Palästinensern beschäftigt. In dem vorliegenden Band, der zwei Erzählungen vereint, fügt sich dieser Vorstellung des Autors eine weitere Dimension hinzu.
Bei der ersten Erzählung, späte Liebe, handelt es sich um den inneren Monolog eines alt gewordenen Redners für die sozialistische Bewegung im Israel der siebziger Jahre. Für diesen Mann ist der jüdische Staat in extremer Gefahr, da in seiner Vision in Russland ständig Komplotte zur Vernichtung Israels geschmiedet werden. Doch niemand hört auf ihn, er gilt als unzeitgemäß, und deshalb möchte man ihn ablösen. In seiner Einsamkeit gibt er, der ehemalige Bolschewik, sich fanatischen Phantasien hin, wonach die israelische Armee die Sowjetunion überrollt, wie einst eine andere Armee unseligen Angedenkens. Sein Versuch, endlich doch noch, sein Alleinsein zu überwinden, scheitert, und er zieht sich resigniert zurück.
Dieser Erzählung hat Amos Oz aus thematischen Gründen die von expressionistischen Motiven durchzogene Erzählung Dem Tode entgegen zur Seite gestellt. Hier evoziert er die Geschichte eines Kreuzzuges: Im Jahr 1096 bricht Graf Guillaume de Touron mit einem bunt gemischten Tross auf, um durch die Eroberung Jerusalems sein Seelenheil und das seiner Mitstreiter zu erlangen. Ihr dienen auch die Greueltaten an Juden, die sie auf ihren Weg aufstöbern. Doch dieser Kreuzzug schlägt fehl, weit vor seinem Ziel. Das Scheitern ist jedoch nicht bedingt durch externe Widrigkeiten, sondern durch die fanatische Einstellung der Kreuzfahrer selbst: Sie können sich nicht vorstellen, dass Gott sie auf ihren Pilgerzug mit solchen Hindernissen konfrontiert, und suchen folglich in ihrer Mitte nach dem Verräter, nach dem versteckten Juden, der den Unwillen Gottes auf ihren Trupp lenkt.
In diesen beiden Erzählungen – mit ihrem gemeinsamen Thema: Die Vorstellung des anderen als des absolut Bösen zerbricht diejenigen, die sich diese Vorstellung zu eigen machen – zeigt sich Amos Oz erneut als meisterhafter Schilderer menschlicher Verhaltensweisen.
Meine Meinung:
Bei der Erzählung „Späte Liebe“ handelt es sich um einen alten Mann und dessen Angst vor der Bedrohung und Kampf gegen den russischen Antisemitismus in Form eines inneren Monologes. Die Themen Alter, Furcht und Hass und besonders Einsamkeit werden mit großer erzählerischer Kraft geschildert.
Mit einer der 2 Geschichten aus „Dem Tode entgegen“ erlebt man Amos Oz mal etwas anders, als Autor eines historischen Textes.
Die Geschichte „Dem Tod entgegen“ ist 1096 angesiedelt.
Der Fanatismus und die im Klappentext erwähnte Vorstellung des anderen als das absolut Böse demonstriert Amos Oz in „Dem Tod entgegen“ besonders stark in den menschenverachtenden Gedanken des Grafen Guillaume de Touron, der den Kreuzzug gegen die Juden zur Eroberung Jerusalems anführt:
„Die Juden zehren uns langsam auf, wie Wasser, das Eisen leckt…
Lieber Gott, erbarme dich deiner Herde, denn die Kräfte der Unreinheit umgaukelt uns mild…
Hat sich womöglich ein verkappter Judenmensch in unsere Reihen geschlichen?“
Auch sein Untergebener Claude Schiefschulter sieht die Juden nicht als Menschen, er denkt an die Frauen der Juden als samtbraune, feuchtwarme Hündinnen.
Es sind auch die Darstellungen der grausamen Morde an Juden während des Kreuzzuges ziemlich drastisch geschildert. Erschreckend intensiv und verstörend zu lesen!
Während in der ersten Geschichte „Späte Liebe“ der innere Monolog vorherrscht, wendet Amos Oz in „Dem Tod entgegen“ verschiedene Erzähltechniken an, z.B. wird aus der Chronik und den Reisenotizen Claude Schiefschulters zitiert, so entsteht die Wirkung einer großen Authenzität.
Tatsächlich passen beide Erzählungen trotz großer Unterschiede aufgrund eines inneren thematischen Zusammenhangs gut zusammen. Beide sind bewegend und lesenswert.
Die gut gewählte Umschlaggestaltung zeigt einen alten, langsam gehenden Mann und stammt von Hermann Michels unter Verwendung eines Holzschnittes von Jacob Pins.
Zum Autor:
Amos Oz, geboren 1939 in Jerusalem ist Schriftsteller und Mitbegründer der israelischen Friedensbewegung Peace Now.
Werke:
• Plötzlich tief im Wald
• Eine Geschichte von Liebe und Finsternis. (Roman)
• Wie man Fanatiker kuriert. (Tübinger Poetik-Dozentur 2002)
• Allein das Meer. (Roman)
• Ein anderer Ort. (Roman)
• Sumchi. Eine wahre Geschichte über Liebe und Abenteuer.
• Das Schweigen des Himmels.
• So fangen die Geschichten an.
• Dem Tod entgegen.
• Herr Levi. (Erzählung)
• Nenn die Nacht nicht Nacht. (Roman)
• Die Hügel des Libanon. (Politische Essays)
• Sehnsucht. (Erzählungen)
• Der Berg des bösen Rates.
• Der dritte Zustand. (Roman)
• Bericht zur Lage des Staates Israel.
• Eine Frau erkennen. (Roman)
• Black Box. (Roman)
• Mein Michael. (Roman)
• Der perfekte Frieden. (Roman)
• Keiner bleibt allein (Roman)
• Im Lande Israel.
Amos Oz ist unter anderem Preisträger des Israel-Preises, des Goethe-Preises und dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels.