Es beginnt mit einem Rückblick. Die vierjährige Alexandra liegt in ihrem Bett im Kinderzimmer. Draußen streiten die Eltern. Der nur wenig ältere Halbbruder Jens, der im Stockbett über ihr schläft, klettert herunter und tröstet Alexandra. Sie liebt Jens, ebenso heftig wie Mama und Papa. Doch die Liebe nützt nichts, die Eltern trennen sich, Papa und Jens verschwinden aus Alexandras Leben.
Zwölf Jahre später – und hier setzt die Handlung ein – lebt Alexandra mit ihrer Mutter, der Krankenschwester Silvia, in einem Hochhaus. Alexandra ist eine durchschnittliche Schülerin, sie hat nur wenig Freunde, eigentlich hat sie nur eine einzige Freundin, Linda. Abwechslung bringen ein Job in einer Tierhandlung und das Fernsehen. Eine Tierarztserie hat es Alexandra besonders angetan, wegen des jungen und äußerst gutaussehenden Praktikanten. Für ihn schwärmt sie, sein Poster hängt an der Wand über ihrem Bett, sie weiß alles von ihm, was die Pressestellen nur hergeben.
Als eines Abends kurz vor Ladenschluß ein Junge in der Tierhandlung auftaucht, der dem Schauspieler zum Verwechseln ähnlich sieht, trifft sie die Erkenntnis wie ein Blitz. Dieser Junge ist für sie bestimmt, er muß es sein. Warum? Weil sie ihn liebt. Das weiß Alexandra ganz genau.
Ebenso genau weiß sie, daß auch der Junge, Arved, sie liebt. Das ist einfach Schicksal. Er scheint es nicht ganz zu begreifen, deswegen muß sie es ihm klarmachen. Sie läuft ihm nach, wartet vor dem Haus auf ihn, in seiner Schule, überschüttet ihn mit Aufmerksamkeit, Geschenken, Briefen, Anrufen, Mails und SMS. Sie tut nichts anders mehr, Arved erfüllt sie ganz. Auch daß er eine Freundin hat, hält sie nicht ab. Sie ist Saskia nicht böse, diese irrt sich ja nur. Das kann man aufklären, indem man ihr erzählt, wie es so läuft zwischen Alexandra und Arved. Das sind keine Lügen, das ist einfach die Realität nach Alexandra.
Die Wahrheit ist, daß Alexandra zur Stalkerin geworden ist, mit all den Täuschungen und Frustrationen, die damit einhergehen.
Alexandra gelingt es beinahe, das Leben Arveds und seiner Familie zu zerstören. Denn keiner will Arved so recht glauben, wenn er sagt, was ihm geschieht. Er ist groß und sportlich, fast ein Mann, er wird doch einem so kleinen unscheinbaren Wesen klar machen können, daß es nicht erwünscht ist? Doch die Sache ist alles andere als einfach und als Arveds Vater begreift, daß man die Sorgen eines fast 18jährigen Sohns ernst nehmen muß, ist es schon fast zu spät.
Erzählt wird das in einer eher einfachen Sprache, die es trotzdem schafft, Spannung zu vermitteln. Telefon – und Handyterror klingen beklemmend echt, die Verfolgungen sind intensiv genug geschildert, daß man beim Lesen fast geneigt ist über die Schulter zu schauen.
Durch den Brief eines Anwalts an Alexandras Mutter kommt die ganz böse Geschichte heraus, Alexandra gesteht. Das hat ein gerüttelt Maß vom ‚Deus ex Machina’, der die Donnerstimme vom Himmel schallen läßt und allem doch noch ein ordentliches Ende bereitet.
Das ist nicht das Einzige, was mir an dem Buch nicht recht gefallen hat. Manche Umschwünge in der Geschichte kommen viel zu abrupt, tatsächlich kann man nicht wirklich verstehen, was so manche Sinnesänderung auslöst. So gut das Stalking beschrieben wird und Hintergründe erklärt, so sehr macht sich das Fehlen wichtiger Entwicklungen der Charaktere bemerkbar.
Vor allem vermißt man bei der Hauptfigur die Einsicht dessen, was sie getan hat. Arved muß die Stadt verlassen, er wechselt auf ein Internat – glücklich die Eltern, die sich das in einem solchen Extremfall leisten können. Seine Beziehung zu Saskia ist wegen Alexandra auseinandergegangen, seine Freunde aus der Schule hat er fast alle verloren. Sein Vater, der Arzt ist, war telefonisch zeitweise nicht erreichbar, weil Alexandra in ihrem Liebeswahn das Telefon belagert. Er mußte sich eine Geheimnummer zulegen.
Das sind ernsthafte Eingriffe ins Leben anderer, die eine Autorin nicht so nebenbei aus der Welt schaffen sollte, gleich, ob Alexandra minderjährig ist. Noch dazu wird sie zum Schluß mit der Aussicht auf eine mögliche ‚echte’ Liebe belohnt, ohne daß klar wird, warum sie nun aufgehört hat, Arved zu verfolgen, bzw. aufhören wird. Ein erster kleiner ‚Rückfall’ wird schon beschrieben.
Spannendes Buch zu einem wichtigen Thema mit einem unbefriedigenden Ausgang.
Christine Fehér wurde 1965 in Berlin geboren, sie ist evangelische Religionslehrerin und unterrichtet an der Schule einer Kinder – und Jugendpsychiatrie. Seit 2001 schreibt sie Kinder - und Jugendbücher. Für das Buch Jeder Schritt von dir hat Fehér mit einem Anwalt gearbeitet, der sich auf Stalking spezialisiert und dessen Adresse bzw. Website man hinten im Buch findet, zusammen mit nützlichen Hinweisen bei Stalking-Verdacht und Literaturtips.