Eulen: Eine (kritische) Inventur

  • Was vor rund drei Jahren als kleine Plattform für Literaturinteressierte begonnen hat, ist längst zu etwas Größerem geworden. Das Forum hat Reichweite bekommen; bei Lesern, bei Autoren, bei Verlagen. Mit Reichweite geht in vielen Fällen allerdings auch Tragweite einher. Dieser Tragweite ist man sich im täglichen Miteinander vielleicht nicht bewusst, aber sie ist da.


    Die frühesten nachgewiesenen Eulen gab es vor ein paar Millionen Jahren, rund 60 Millionen um es ein bisschen einzugrenzen, im Paläozän und dem Eozän. Die meisten Büchereulen gibt es noch nicht so lange, auch wenn die/der eine oder andere augenscheinlich so weise ist, als ob sie/er bereits einige Zeitalter auf Erden wandelt.
    Die Weisheit mancher Eulen bleibt allerdings immer wieder auf der Strecke. Wenn es beispielsweise um Themen wie Religion, Politik oder Kindererziehung geht. Für alles Mögliche und Unmögliche gibt es Ratgeber, wie uns ein Blick in die Sachbuchecke der Eulen zeigt; für Foren-Diskussionen gibt es anscheinend keinen einzigen.


    Eulen fressen manchmal den eigenen Nachwuchs auf. Ein Instinkt, der das Überleben sichern soll. Nachwuchsautoren werden manchmal schneller gefressen, als sie das Wort Rechtschreibung buchstabieren können. Das ist nicht immer fair, zumeist aber ehrlich.
    Geschichte wiederholt sich, eine Binsenweisheit. Auch tiefschürfende Betroffenheits-Gedichte wiederholen sich, eine Eulen-Weisheit.
    Das periodische Auftauchen von sich selbst beweihräuchernden BoD-Autoren gehört zum Alltag, ihr Verschwinden im Bermuda-Dreieck der Lesermissachtung ebenso.


    Ein interessantes Merkmal von Eulen sind ihre Tubularaugen; bei mancher Buchrezension durchaus brauchbar. Drei-Satz-Buchsprechungen bringen aber nicht wirklich Licht ins Dunkel, selbst mit Eulenaugen. Wohltuend und anregend hingegen sind detaillierte Angaben, eine ausformulierte Meinung steht sowieso jeder Rezension gut zu Gesicht.


    Im Gegensatz zu ihren tierischen Artgenossen sind Büchereulen kommunikative Zeitgenossen. Doch wo geredet wird, wird auch zerredet, manchmal gar überredet. Eulen sind Raubvögel, haben Wendezehen und einen scharfen Schnabel. Das sollte man bedenken, wenn man die Plauderecke arglos betritt.


    Letzendlich gilt, frei nach Fox Mulder: Die Wahrheit liegt irgendwo dort draußen.
    Erkenntnisreich ist daher für die meisten Eulen, welche Menschen sich hinter den Avataren befinden. Ja, tatsächlich: Menschen, keine Eulen. RL-Begegnungen sind daher stets aufschlußreicher, als alle Postings zusammengenommen, auch wenn man manchem User vielleicht nicht im Dunklen begegnen möchte. Schon gar nicht in den dunklen Ecken der Realität.


    Wer bis hierher durchgehalten hat, fragt sich vielleicht: Und, was sollte das jetzt?
    Morganas Admin-Rücktritt, die in weiten Teilen unsägliche Glaubensdiskussion und viele andere Mosaiksteine lassen mich nachdenken über das, was das Forum war, was es ist und wie es sein kann. Es ist meine subjektive Bestandsaufnahme; kein Plädoyer, kein Verbesserungsvorschlag.
    Es gibt keinen Status Quo. Vieles hat sich verändert seit Anfangstagen, manches zum Guten, manches zum Schlechten. User kommen, User gehen. Themen kommen, Themen gehen. Fast wie im richtigen Leben.


    Das ist alles. ;-)


    Gruss,


    Doc




    edit: Wenn ich noch mehr Tippfehler im eigenen Posting finde, stürze ich mich von der Teppichkante!

  • Hallo, Doc.


    Eulenmüde? :grin


    "Unsägliche" Diskussionen (ich fand sie spannend :lache) wie die aktuelle um Glaubensfragen hat es auch schon vor drei Jahren gegeben, als ich im Rahmen einer Leserunde zu den Eulen gestoßen bin; meistens wurden sie von Historikus initiiert, der sich selbst der Geschichte überantwortet hat. Vielleicht wurde zu dieser Zeit noch nicht ganz so hart geurteilt, wenn es um eigene Texte ging; ob das besser oder schlechter war, müssen in erster Linie die Leute beurteilen, die damals wie heute Texte eingestellt haben.


    Das Forum ist größer geworden, mächtiger in allen Sinnen des Wortes, und wenn man jahrelang dabei ist, mehrere tausend Nachrichten geschrieben hat, kommt unvermeidlich das Gefühl auf, sich ständig zu wiederholen. Die subjektive Sicht auf diese Einrichtung ändert sich, vom Besonderen zum Normalen, und damit geht eine kritischere Betrachtung einher. Das, was das Forum anfangs spannend gemacht hat, einen sekündlich nach einem irgendwo verfügbaren Online-Arbeitsplatz schielen ließ, ist ins Tagesgeschehen integriert. Man verspürt den Biß nicht mehr so heftig, läßt auch mal laufen, klickt nicht mehr in jeden Thread; eine Aufgabe, die angesichts der gestiegenen Benutzer- und Themenzahl auch kaum mehr zu bewältigen ist. Gleichzeitig, jedenfalls empfinde ich es so, konzentriert man sich stärker auf die Themenbereiche, die einen wirklich interessieren. Hat man anfangs vor allem noch danach geschaut, wo die Spezis was schreiben, um ihnen flugshurtig hinterherzuklettern und dieserart sich aufschaukelnde Superlustigthreads zu kreieren, bei denen man weinend vor lachen einem Threaddrift hinterherschaute, der obskurer nicht sein konnte, ist man (das betrifft, glaube ich, nicht nur mich) inzwischen nur noch selten daran interessiert, sich auf diese Weise zu amüsieren. Ja, das Forum ist ein wenig ernster geworden. Vielleicht auch sachbezogener. Möglicherweise ein bißchen ungemütlicher. Vom gemütlichen Eckcafé zur Erlebnisgastronomie. Aber so ist das Leben, so ist es einfach, wenn der Erfolg kommt.


    Natürlich haben einige Regulierungsmaßnahmen stattgefunden. Jungautoren haben ihr Schongehege bekommen, Nachrichten werden nur noch dann gezählt, wenn sie zu Bücherthemen geschrieben werden, es gibt eine fast unüberschaubare Zahl von Leserunden und täglich ein Dutzend Neuanmeldungen. Ich frage mich schon seit geraumer Zeit, wie unsere anbetungswürdigen Administratorinnen das in den Griff kriegen.


    All das führt möglicherweise dazu, daß man das Forum weniger emotional sieht, nicht mehr so sehr als Nest. Was wäre das auch für ein Nest, in dem tausend Schnatterköpfe nebeneinanderhocken und sich nach der Mamaeule recken, die mit einem Rucksack voller Würmer angeflattert kommt.


    Stimmt schon, Eulen 2006 ist mit Eulen 2004 kaum mehr zu vergleichen. Es ist anders. Besser oder schlechter, das ist eine subjektive Sache. Anders, anders auf jeden Fall.


    Komisch, jetzt bin ich melancholisch geworden.

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood
    User kommen, User gehen. Themen kommen, Themen gehen. Fast wie im richtigen Leben.


    Hallo, Doc!


    Forenusende sind – im Gegensatz zu Forenthemen, die bisweilen eher dem kulinarischen Alltag* entsprechen – sozusagen ein nachwachsender Rohstoff. Das Bewusstsein, dass etliche von ihnen trotz aller raffinierter Veredelungsbemühungen einfach roh bleiben, sollte den grundsätzlichen Enthusiasmus meiner Meinung nach jedoch nicht schmälern.


    Schöne Grüße von blaustrumpf


    * An dieser Stelle sei auf das Witwe-Bolte-Prinzip verwiesen:
    "… dass sie von dem Sauerkohle
    eine Portion sich hole,
    für welchen sie besonders schwärmt,
    wenn er wieder aufgewärmt."


    Und hier noch ein kleiner Mutmacher für alle, die Veränderungen mit eher verhaltenem Eifer begegnen.

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

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  • Zitat

    Original von Tom


    Komisch, jetzt bin ich melancholisch geworden.


    Ich seltsamerweise auch, aber eher durch Deinen Beitrag. Der war wirklich schön und rund. Indianerehrenwort! :-)


    Und ansonsten fällt mir nur ein - zugegebenermaßen ziemlich dummer Spruch - eines Users aus einem anderen Forum ein, in dem ich mal war:


    Es gibt auch noch ein Leben neben den Foren!


    Ach ja, wie wahr. :-)


    :wave
    Ikarus

  • Hey Doc..manchmal tut eine längere Abstinenz ganz gut, evtl. hast du dann wieder mehr Gefallen.


    Ich weiß echt nicht was ihr alle mit dem Glaubensfred am Hut habt..der war doch okay..keine Verluste zu beklagen..
    Es wird ja immer darauf hingewiesen (gerade von Betroffenheitsheulen), dass hinter dem Monitor echte Menschen sitzen...ja eben!


    Und in einem Forum wiederholt sich immer alles irgendwann, ist halt so!
    Es kommen und gehen User, man glaubt schon alles mal gelesen zu haben, man hat sich selbst im Verdacht..hee, genau das hast du doch schonmal geschrieben.. :knuddel1


    Mir fällt dazu ein:


    Monotonie in der Südsee,
    Melancholie bei 30 Grad.
    Monotonie unter Palmen,
    Campari auf Tahiti, Bitter Lemon auf Hawaii. Ich flieg nach Hawaii, ...

  • Um es mal klarzustellen: Ich habe keinen Eulenblues, keinen Weltschmerz oder sonstige geistigen Einschränkungen. Mein (unrunder) Beitrag war einzig und allein eine persönliche Bestandsaufname zu den Eulen, wie sie sich mir im Moment darstellen. Keine versteckten Hinweise, keine hintergründige Bewertung, nichts weiter. Tom hat es in seinem total rund formulierten Beitrag ja bereits geschrieben. Die Eulen 2006 sind nicht mehr die Eulen 2004. Man darf gespannt sein, was uns der Eulenjahrgang 2007 bescheren wird.


    Ich verkünde weder meinen Abschied (oooh, schade... höre ich da von den billigen Plätzen), noch proklamiere ich den Untergang von Büchereule.de. :-)


    Und nein, ich werde an dieser Stelle auch nicht meine Ansicht über den Glaubensthread kundtun.



    Gruss,


    Doc, Eule

  • Ich will es halten wie die Schwaben: Ein halber Rausch, ist rausgeschmissenes Geld.
    Eine Diskussion, bei der die Fetzen nicht fliegen dürfen, ist nicht wert geführt zu werden.
    Auch wenn manche Tiefschläge, Rhetorisch gut verpackt, unterhalb der Gürtellinie gehen, so zeigt es doch, dass Leben drin steckt.


    Ein lebloses Forum ... wird wohl kaum erstrebenswert sein.


    Ich fand den Glaubensfred Super! Hat es mir doch gezeigt, dass die Gräben eher tiefer werden, je mehr versucht wird, sie durch schweigen zu verschütten. ;-)


    Natürlich wird sich irgendwann alles wiederholen. Na und?


    Das tut auch mein Arbeitsalltag. Tag für Tag. :wave

    Zum Denken sind wenige Menschen geneigt, obwohl alle zum Rechthaben
    A. Schopenhauer :grin

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  • Dinge, die ich mir für 2007 bei den Eulen wünsche:


    - Um es Ikarus einfacher zu machen, einen Button bei der Postingerstellung, der automatisch eine Aus-dem-Thread-Verabschiedungs-Phrase generiert (optional: Ich-wurde-von-einem-Menschen-enttäuscht-Phrase)


    - Einen BoD-Pranger, weil uns mit lulu.com sicherlich noch viel mehr Pseudoschriftsteller heimsuchen werden


    - Eine Option um Katzenfotos ausblenden zu können. "Ich will auch eine!"


    - Eine Leserunde mit Stephen King oder wahlweise mit Stephen Hawking (zugegeben, das könnte schwer werden)


    - Eine umfassende Diskussion darüber, ob grüner oder roter Wackelpudding besser schmeckt und verheiratetsein nicht ein Anachronismus ist



    Gruss,


    Doc

  • Weitere Vorschläge für die docsche Wunschliste:


    - Generelles Verbot, Urlaubsankündigungen Titel wie "Abschied" oder "Bin weg" zu geben


    - PN-Gedöns über Vorgänge im Forum wird automatisch in einem Thread veröffentlicht, den jede Eule sehen kann, die mehr als 2000 Beiträge geschrieben hat (und Tom heißt)


    - Beiträge, die in "Diskussion/Weltgeschehen" geschrieben werden, muß man seinem Rechner laut vorlesen, wobei geprüft wird, ob man wirklich vorliest, was man geschrieben hat. Danach werden diese Beiträge vor ihrer Veröffentlichung durch ein unabhängiges Treuhandgremium geprüft, das aus einem Katholiken, einem Muslim und einem aus Nietzsches Überresten geklonten Dritten besteht


    - Historikus muß wieder wiederkommen dürfen :grin


    - Gespräche über Nachwuchs, Haustiere, Gartenpflege, Kosmetik und Schuhe sind nicht mehr gestattet


    Spaß beiseite. Das Forum ist großartig, so, wie es ist. Wenn man sich so sehr dran gewöhnt hat, merkt man das gelegentlich nicht mehr. Das ist ein bißchen schade, aber vermutlich nicht zu ändern.

  • Zitat

    Original von Nudelsuppe
    Doc ist der beste Beweis dafür, dass es doch einen Gott geben muss. Und Tom der beste Beweis, dass es einfach keinen geben kann :grin


    :lache


    Gut, dass das hier das Eulennest ist und nicht die virtuelle Heimstatt des Highlanders, nöch?

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

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  • Zitat

    Original von Tom
    Spaß beiseite. Das Forum ist großartig, so, wie es ist. Wenn man sich so sehr dran gewöhnt hat, merkt man das gelegentlich nicht mehr. Das ist ein bißchen schade, aber vermutlich nicht zu ändern.


    Da das mit den Eulen ja nicht wie in der Ehe ist, hilft in diesen Fällen folgende Vorgehensweise (zumindest bei mir): Umsehen ob sich etwas besseres findet und dabei mal wieder die Feststellung machen, daß es im Eulennest doch am Schönsten ist. :grin

  • Zitat

    Umsehen ob sich etwas besseres findet und dabei mal wieder die Feststellung machen, daß es im Eulennest doch am Schönsten ist.


    Hi Pelican, warum ist das nicht wie in der Ehe?
    :gruebel

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood
    Die Eulen 2006 sind nicht mehr die Eulen 2004.


    Ja, damals wars noch wie ein Tante-Emma-Laden, heute wie im KDW. Aber auch dort findet man noch immer Dinge die begeistern. Mal mehr, mal weniger. :-)

    _______________________
    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Ich bin ja eine ziemliche Neu-Eule und kann da nun eigentlich gar nicht so über die Bestandsaufnahme 2004-2006 mitreden bzw. schreiben......trotzdem war sie für mich interessant, informativ und melancholisch.....erinnerte sie mich doch stark an den " ganz normalen Wahnsinn" (= das tägliche Leben), der uns täglich ereilt und immer wieder auf und ab bringt......mal nervt und mal erheitert und doch immer wieder Lust auf mehr macht.......ich bin gerne bei Euch Eulen!!!


    LG sill