Primo Levi Die Tragödie eines Optimisten

  • Autorin: Myriam Anissimov


    Biographie über Werk und Leben von Primo Levi


    Klappentext
    "Du kehrst heim aus der Hölle von Auschwitz, berichtest davon und niemand glaubt dir; das war für lange Zeit der Alptraum von Primo Levi ... In Myriam Anissimovs beeindruckender und großartiger Biographie wird diese schmerzliche Geschichte neu erzählt" (Neue Zürcher Zeitung)Der Corso Re Umberto ist eine der breiten Alleen, die das vornehme Turiner Crocetta-Viertel quadratisch unterteilen. Es gibt nur wenige Geschäfte und hier und da gewähren die schweren Portale der Palazzi einen Blick hinter die Fassaden in geräumige Vestibüle, wo Schritte und Stimmen wie in Krypten hallen. Fast keine Passanten. An den Seiten dichte Kastanien und in der Mitte Straßenbahnen, die auf unkrautbewachsenen Schienen vorbeifahren. An einem Sonnabend im April gegen zehn Uhr morgens wird der ruhige und gemächliche Ablauf auf dem Corso Re Umberto abrupt unterbrochen: Primo Levi hatte sich das Leben genommen. Er hinterließ keinen Brief, der seinen Angehörigen und Freunden die Gründe für seinen Selbstmord hätte erklären können. Noch zwei Tage zuvor hatte er im Büro der jüdischen Gemeinde angerufen, um zu fragen, ob die Matzen für das Passahfest eingetroffen seien. Am Vortag, dem letzten Tag, den er in seinem Büro zubrachte, telefonierte er mit seiner Kusine Giulia Diena und mit dem Literaturkritiker Giovanni Tesio, der begonnen hatte, eine autorisierte Biographie zu schreiben. Levi befand sich - nicht zum ersten Malin einer Phase tiefster Depression. Nur schwer erholte er sich von einer Prostataoperation. Zudem entwickelte sich das Zusammenleben mit seiner einundneunzigjährigen, gelähmten und herrschsüchtigen Mutter und einer blinden Schwiegermutter mehr und mehr zu einer unerträglichen Belastung und war Ursache für häufige familiäre Spannungen. Über die gerade mit großer Presseresonanz veröffentlichten Thesen von Nolte und Faurisson, hatte er sich dermaßen empört, dass er darauf mit einem Artikel "Das schwarze Loch Auschwitz" antwortete. La Stampa, die Zeitung für die er seit siebenundzwanzig Jahren arbeitete, druckte den Essay kurz vor seinem Tod. Auch wenn die Vermutung nahe liegt, Primo Levi habe sich wie sein Freund, der Schriftsteller Jean Amery, wegen der Shoah umgebracht, so sprechen viele eigene Äußerungen dagegen: "Auschwitz hat mich gezeichnet , aber nicht zerbrochen. Im Gegenteil, diese Erfahrung hat meinen Lebenswillen gestärkt und meinem Leben einen Sinn gegeben, nämlich Zeugnis abzulegen, damit so etwas nie wieder geschieht."...Offenbar machte sich in Primo Levi am Ende ein Überdruss an sich selbst breit; er fühlte sich von einem inneren Tribunal zum Tode verurteilt,- er büßte für eine Tat, die er nicht begangen hatte; er büßte dafür, dass er den Holocaust überlebte. Myriam Anissimov hat die Biographie Primo Levis geschrieben. Sie lässt uns erahnen, in welche Tiefen er sah.


    Meine Meinung:


    Diese interessante und massige (639 Seiten) Biografie profitiert von Primo Levis autobiografischen Roman "Das periodische System", sein, meiner Meinung nach, bestes Buch. Dort nimmt er alle biografischen Daten, außer seiner Zeit im KZ im Konzentrationslager Auschwitz, vorweg. Über diese Zeit hatte Primo Levi diverse Berichte geschrieben z.B. Ist das ein Mensch oder Die Atempause (nach dem Entkommen aus Auschwitz auf dem Weg nach Hause).
    Von diesen Büchern entnimmt und zitiert die Biografin und da ich "Das periodische System" kurz vorher gelesen hatte, war es manchmal etwas langweilig.


    Trotzdem komplettiert die Biografin Primo Levis Lebensbeschreibung und viele interessante Informationen über Primo Levis Einstellung zu seiner geliebten Arbeit und seinem Selbstmord sind zu finden.
    Zu vermuten lässt die Biografie, dass der optimistische Primo Levi nicht Selbstmord begangen hätte, wenn er medikamentös richtig gegen seine Depressionen behandelt worden wäre.


    Besonders aufschlussreich fand ich Levis Einstellung zur Arbeit, die er liebte
    und begleitend bzw. nebenbei seine Schriftstellerei abends, in der er
    Meisterwerke schrieb.
    Man denke an den schrecklichen Spruch "Arbeit macht frei“ und wie Primo Levi dieses optimistisch in etwas positives wandelt. Für mich ist Primo Levi nie deprimierend, sondern hat Vorbildfunktion eines Schriftstellers, der Leben und Werk vereinen will.

    Einiges erfährt man über die Schwierigkeiten literarischer Veröffentlichungsarbeit. Es war Italo Calvino, der ihn editierte und half.


    Die Biografie teilt sich sinnvoll in 2 Teile + Anhang:
    1 Teil: Jugend, Partisanendasein und Auschwitz
    2 Teil Rückkehr, Leben als Chemiker (Direktor) und Schriftsteller, Alter und Selbstmord.
    Anhang 1: Europas älteste jüdische Gemeinde
    Anhang 2: Ein kurzer Überblick über die Geschichte der Juden Piemonts, Wiege der Familie Primo Levis.


    Meine Empfehlung ist, erst etwas von Primo Levi zu lesen, bevor man sich an diese teilweise auch unliterarisch geschriebene Biografie wagt.


    Zur Autorin:
    Myriam Anissimov 1943 in einem Flüchtlingslager in der Schweiz geboren, lebt als Schriftstellerin und Journalistin in Paris.
    Andere Bücher: Asche und Seide (1991)


    Weitere Bücher von Primo Levi:
    Ist das ein Mensch? Ein autobiografischer Bericht, 1947
    Die Atempause,
    Die Verdopplung einer schönen Dame
    Das periodische System, 1975
    Der Ringschlüssel. Roman
    Wann, wenn nicht jetzt?
    Die Untergegangenen und die Geretteten