Bericht zur Lesung aus die Frühreifen von Philippe Djian:
Heute Abend las der französische Kultautor Philippe Djian in der engagierten Buchhandlung Schmitt & Hahn in Heidelberg.
Bereits zweimal habe ich Lesungen dieses Autors gesehen und war überrascht, dass seine Bücher den alten, unverwechselbaren Stil verloren hatten. Djian war zahm geworden.
Doch Djians neuer Roman hat eine interessante Handlung über Generationenkonflikte, verlorene Ideale, Sex und Drogen:
Roman-Inhalt
Es kracht gewaltig zwischen den Generationen. Selbst oben am Hügel, wo die Villen im Herbstlicht erstrahlen und die Swimmingpools glitzern. Sex and Drugs and Rock’n’roll? Das waren die Ideale der Eltern. Heute ist alles anders. Ein starkes und sensibles Porträt der happy few – die es immer zahlreicher gibt und die immer unglücklicher werden.
Zur Lesung:
Sympathisch vom Verlag ist, dass das bisherige 25 Jahre alte Foto auf seinen Büchern und Werbung gegen ein aktuelles ausgetauscht wurde. So ist die Überraschung beim Auftauchen des Autors geringer. Seine 57 Jahre sieht man dem Autor nämlich deutlich an.
In der verhältnismäßig gut gefüllten Buchhandlung mit einem intellektuell wirkendem Publikum meist zwischen Ende Zwanzig und Mitte Dreißig, begann Djian und seine Dolmetscherin sofort mit dem Lesen aus dem neuen Buch.
Djian mit seiner atmosphärisch geheimnisvoll wirkenden Stimme und die junge, gutgelaunte Dolmetscherin, die den deutschen Text las, wechselten sich beim Lesen in rascher Reihenfolge ab. Leider lasen sie eher unzusammen hängende Textpassagen, so dass es nicht einfach war der Handlung zu folgen. Aber deutlich war dem melancholischenText anzumerken, wie atmosphärisch und sprachlich dicht er geschrieben ist. Er erinnerte mich eher an Djians ältere Romane wie z.B. Betty Blue als an seine letzten, stilistisch sparsamen Bücher. Meine Vermutung ist, dass es sich bei die Frühreifen um ein älteres Buch des Autors handelt, dass erst jetzt im August 2006 in deutsch erschienen ist.
Einige Beschreibungen drastischerer Sexeskapaden erwirkten beim Publikum Erheiterung, ob vom Autor gewollt oder nicht, ist fraglich.
Anschließend beantwortete der zurückhaltende Autor geduldig Zuschauerfragen, wohl zum Hundertsten mal zum Film Betty Blue oder warum seine Protagonisten eher nie idealistische Optimisten werden. Stattdessen sind sie sehr ruhig und contemplativ und setzen den Schlägen der Welt in die Magengrube aufgelockerte Bauchmuskeln entgegen.
Es folgte die übliche Signierschlange und einer hervorragenden Bewirtung des Publikums mit Wein und Brezel.
Wer Gelegenheit hat, zu einer Lesung zu Djians neuem Roman zu gehen, sollte nicht zögern.
Djians Lesereise umfasst:
Hamburg, Abaton Kino 4.11.|20:00
Erlangen, Kulturzentrum E-Werk 5.11.|20:00
Mainz, TIC 6.11.|20:00
Erfurt-Vieselbach, Org. Erfurter Herbstlese e.V. 7.11.|20:00
Berlin, Kulturbrauerei 8.11.|20:00
Zum Autor:
Philippe Djian: Geboren am 3. Juni 1949 in Paris. Auf einer französischen Autobahnmautstelle, bei einem seiner vielen Gelegenheitsjobs, tippte Philippe Djian seinen ersten Roman. Damals, in den achtziger Jahren, waren seine jugendlichen Protagonisten on the road. Sein dritter Roman, Betty Blue, wurde zum Kultbuch. Heute sind Philippe Djians Helden sesshaft geworden, sind aber noch immer Menschen auf der Suche nach Intensität und Leidenschaft. Philippe Djians Sprache ist lebendig, spannungsgeladen und sinnlich – eine unverwechselbare Stimme. Zur Zeit lebt er mit seiner Familie in Paris.