John Fowles - Der Sammler

  • Titel: Der Sammler
    Originaltitel: The Collector
    Autor: John Fowles
    Seitenzahl: 352
    Verlag: Econ Ullstein List Verlag
    Erschienen: August 2002
    ISBN: 354860224X
    Preis: 8.95 EUR


    Inhalt:
    Ein junger Mann, dessen einziges Glück in der Jagd und dem Sammeln von Schmetterlingen liegt, gewinnt im Lotto. Die unverhoffte Einnahmequelle beschert ihm ein neues Selbstbewusstsein. Was er nicht kaufen kann, das nimmt er sich. So wie die schöne Kunststudentin Miranda, die zu besitzen schon lange eine Obsession des Sammler ist.


    Autor:
    John Fowles wurde 1926 in Leigh-on-Sea (Essex) geboren. Er studierte in Edinburgh und Oxford, bevor er an verschiedenen Orten unterrichtete. Seit 1963 widmete er sich ganz der Schriftstellerei. Mit William Golding und Muriel Spark zählt er zu den bedeutendsten englischen Romanautoren seit 1950.


    Meine Meinung:
    Es fällt nicht schwer dieses Buch in einem Rutsch durchzulesen. Fowles erzählt aus zwei Perspektiven eine faszinierende Geschichte. Zu einem erzählt der Entführer, und zwischen diesen beiden Erzählsequenzen des Entführers, lesen wir was Miranda in ihr geheimes Tagebuch geschrieben hat. Diese beiden verschiedenen Sichtweisen machen das Buch unter anderem auch zu einem beeindruckenden Leseerlebnis.
    Während ihrer Gefangenschaft setzt sich Miranda auch mit ihrem bisherigen Leben auseinander, sie denkt sehr intensiv über ihr Verhältnis zum Maler G.P. nach. Immer wieder schwankt sie auch zwischen Hass, Mitleid und Gleichgültigkeit zu ihrem Entführer. Vor allen Dingen sein ausgeprägtes Misstrauen lassen sie letztendlich nicht näher an ihn herankommen. Fluchtversuche scheitern und auch ein Verführungsversuch endet in einem Fiasko. Hier Parallelen zu tatsächlichen Ereignissen in der jüngsten Vergangenheit herzustellen mag nahe liegen, wird diesem Buch aber nicht gerecht. Das Buch ist weitaus mehr. Zeigt es doch das sehr sensible Verhältnis zwischen Entführer und Opfer, beschäftigt es sich ausführlich mit den verschiedenen Mentalitäten der beiden handelnden Personen und auch die für Miranda kaum verständliche Psyche des Entführers wird eingehend behandelt, gerade auch durch sein eigenes Erzählen.
    Dieses Buch reicht vielleicht nicht ganz an den „Magus“ heran, trotzdem aber hat es einen Spitzenplatz in der neueren britischen Literatur verdient. Fowles hat ein wirklich packendes Buch geschrieben und lässt uns in die Abgründe menschlichen Denkens schauen.
    Auch wenn in diesem Buch sehr viel gefesselt und geknebelt wird, so dürfte es für Bondage-Liebhaber wohl eher eine Enttäuschung sein. Das Buch kann uneingeschränkt empfohlen werden. Ohne Wenn und Aber!

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Freut mich, daß es Dir gefallen hat, Voltaire. :wave


    Das Thema erinnert natürlich sehr an das, was da in Österreich passiert ist. Es wäre schade, wenn deswegen jetzt das Buch noch einmal zu einem Bestseller hinaufgepuscht würde.
    Wie bereits eher erwähnt gehört dieses Buch zu meinen Lieblingsbüchern und ich würde es jetzt am liebsten vor all den Sensationslüsternen beschützen.


    John Fowles, der übrigens letztes Jahr November 79jährig nach einer langen Krankheit gestorben ist, ist einer der talentiertesten englischen Schriftsteller unserer Zeit. Wie er in „The Collector“ die Erzählperspektive „zweispaltet“ kann man nur brilliant nennen.
    Wir erfahren die Story erst aus der Sicht des „Täters“, distanziert, nüchtern, farblos, kompulsiv und im 2. Teil des Buches aus der Sicht des jungen Mädchens. In diesem 2. Teil „erwacht“ die Geschichte, wie eine Knospe, die sich langsam öffnet.
    War man im 1. Teil noch Zuschauer in einer sicheren Entfernung, so kommt man im 2. Teil immer mehr mittem im Geschehen zurecht, bis man fast mit der erzählenden Hauptperson verschmilzt.

  • Meine Meinung:
    Fredrick Clegg ist Büromensch und arbeitet im Rathaus seiner Stadt. Er ist schüchtern, zurückgezogen und leidenschaftlicher Schmetterlingssammler. Vom Fenster seines Büros aus, beobachtet er schon seit einiger Zeit die schöne Miranda, in die er hoffnungslos verliebt ist. Als er dann eines Tages ganz unverhofft eine ganze Menge Geld im Toto gewinnt, kommt ihm seltsame Idee: Was wäre, wenn er ein Haus kaufen und Miranda dort als ‚Gast’ heimlich wohnen hätte? Fast nebenbei, und als wäre es nur ein Spiel, sucht und findet er ein passendes Haus und beginnt die Kellerräume dort wohnlich herzurichten. Natürlich ist das alles reines Gedankenspiel was er da treibt... Bis... Ja, bis er Miranda dann tatsächlich in seiner Gewalt hat, und sie in seinem Keller wohnt...


    Ein tolles Buch, welches einem Schauder über den Rücken treibt. Der erste Teil des Buches ist aus Sicht von Fredrick Clegg geschrieben. Er erzählt von seiner heimlichen Liebe zu Miranda, seinem Gewinn beim Toto und wie es dann dazu kommt, dass er Miranda in seine Gewalt bringt und wie es weiter geht...


    Der zweite Teil ist in Form eines Tagebuchs aus Sicht von Miranda geschrieben. Miranda beschreibt ihr Verhältnis zu ihrem Entführer, von ihrem Mitleid und ihren Hass auf ihn und von den Fluchtversuchen... Auch geht sie in sich und macht sich Gedanken über ihr Leben und über ihr Verhältnis zu G.P., einem ihr bekannten Maler, der einige Jahre älter ist als sie, und der eine große Rolle in ihrem Leben spielt...


    Das Buch ist sehr gut geschrieben und es wird sehr einfühlsam auf das Verhältnis zwischen Entführer und Opfer eingegangen. Die unterschiedlichen Lebens- und Denkweisen werden einem sehr nachvollziehbar nahegebraucht...


    Den Schluss des Buches habe ich persönlich als sehr krass empfunden und ich brauchte tatsächlich einige Zeit, um darüber nachzudenken... Weiter kann ich jetzt hier leider nicht darauf eingehen, da sonst zu viel verraten wird und dies die Spannung mindern könnte...


    Alles in allem ein Buch welches ich nur empfehlen kann...

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Schon notiert, danke für eure Schilderung!


    Ich hatte mich, als ich John Fowles' "Die Geliebte des französischen Leutnants" las, von der Erzähltechnik beeindrucken lassen: Fowles schiebt mittendrin die Geschichte zur Seite und greift als Autor ein, später serviert er verschiedene Schlussvarianten. Alles in allem: Eine sehr moderne Art, einen Roman zu schreiben, aber eine unterhaltsame und leicht zu lesende Art. Es sieht so aus, als ob "Der Sammler" ähnlich ist.


    Lieben Gruß


    polli

  • Hi!


    Ich lese das Buch gerade und hab ca. 2/3 hinter mir.
    Ich muss sagen im ersten Teil des Buches war ich wirklich begeistert.
    Toller Stil, man kann die Gedankengänge des Entführers richtig gut nachvollziehen und ertappt sich teilweise sogar dabei sich auf seine Seite zu stellen und z.B. dem Opfer sein Verhalten übel zu nehmen.


    Der zweite Teil des Buches, aus Sicht des Opfers geschrieben, gefällt mir bislang allerdings nicht so gut.
    Mir fehlt hier die Beziehung zu diesem G.P. und ich möchte eigentlich mehr über die Situation in der sie sich gerade befindet und ihre Sicht darüber erfahren, als die ganze Zeit von diesem G.P. zu lesen.


    Ich hoffe nun, dass G.P. am Ende noch irgendeine bedeutende Rolle spielt und diese Einträge in ihrem Tagebuch somit einen Sinn für den Leser haben.


    Mal sehen.


    M.f.G. rastaman

  • Zitat

    Original von Wilma Wattwurm


    Wir erfahren die Story erst aus der Sicht des „Täters“, distanziert, nüchtern, farblos, kompulsiv .


    Absolut faszinierend, diese Art zu erzählen und dabei den Leser derart zu fesseln.

  • Zitat

    Original von rastaman
    Der zweite Teil des Buches, aus Sicht des Opfers geschrieben, gefällt mir bislang allerdings nicht so gut.
    Mir fehlt hier die Beziehung zu diesem G.P. und ich möchte eigentlich mehr über die Situation in der sie sich gerade befindet und ihre Sicht darüber erfahren, als die ganze Zeit von diesem G.P. zu lesen.


    Dieser zweite Teil hat mir auch nicht sooo gut gefallen, da ging es mir ganz genauso wie Dir. Ich hätte auch gern mehr über die Situation an sich, anstatt über diesen G.P. gelesen...

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Hi!


    Hab das buch inzwischen durch.
    Ich muss sagen, ein sehr überraschender Schluss und wirklich insgesamt sehr gut gemacht und fesselnd geschrieben.
    Die Story aus zwei Sichtweisen zu schreiben ist auch wirklich mal etwas anderes und hat mir gut gefallen.
    Nur leider hat sich im Bezug auf diesen G.P. (siehe letzten Beitrag von mir) nichts geändert.
    Für mienen Geschmack wurde hier zu viel über eine Person geschrieben zu der eigentlich kein richtiger Bezug da ist.
    Naja, ist wohl wie immer Geschmackssache. Manch anderer denkt sich wahrscheinlich, dass es doch toll ist aus dem privaten Leben des Opfers etwas zu erfahren.


    Fazit: Insgesamt auf jedenfall lesenswert und ein Ende, dass man wohl vorher wirklich nicht vermutet!


    M.f.G: rastaman

  • So, jetzt bin ich durch und fix und fertig! Die letzten Seiten waren teuflisch!


    Zu Teil 2:
    Ich glaube, gerade diese Abweichung vom Muster des ersten Teils macht u.a. auch den Reiz des Sammlers aus, wir bekommen plötzlich in einer für uns völlig unbegreiflichen Situation Tagebucheintragungen des Opfers zu lesen, mit denen nicht zu rechnen war. Statt dem ganzen Elend der Gefangenschaft erfährt der Leser Details aus dem Leben des Opfers. Wobei einer der Schlüsselsätze wohl der ist, daß das Niederschreiben auch ein Akzeptieren der Situation bedeuten würde.


    Lesen!