Hier könnt ihr Fragen stellen, die nicht das Buch der aktuellen Leserunde "Schule der Lügen" betreffen.
Fragen an Wolfram Fleischhauer
Die tiefgreifenden System-Arbeiten sind soweit abgeschlossen. Weitere Arbeiten können - wie bisher - am laufenden System erfolgen und werden bis auf weiteres zu keinen Einschränkungen im Forenbetrieb führen.
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Lieber Wolfram,
mich würde mal interessieren, wie lange du in etwa für die Recherche gebraucht hast und wie du auf so eine Geschichte gekommen bist!
Bianca
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Ja, wie du darauf kommst, diese Geschichte zu schreiben, in der Vielfalt, das würde mich auch interessieren.
Vor allem die Vorgehensweise, wie recherchiert man so etwas?
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Mich würde noch interessieren, ob es auf der Buchmesse Veranstaltungen zu "Schule der Lügen" geben wird, da ja Indien das diesjährige Gastland ist.
Sind evtl. auch Übersetzungen in andere Sprachen angedacht?
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Ich beginne mal mit der einfachsten Frage: auf der Buchmesse wird es am Samstag im Lesezelt von 17:00-18:00 eine Lesung von drei Autoren geben, wozu ich eingeladen bin. Ich weiß nicht, ob es einen thematischen Zusammenhang mit Indien gibt, denn ich kenne die beiden anderen Autoren nicht, aber auf jeden Fall werde ich da ein Stück lesen und vermutlich auch Gelegenheit haben, ein wenig über die Entstehung des Romans zu erzählen.
Ich habe diesen Stoff fast zwanzig Jahre lang mit mir herumgetragen, insofern ist es also mein ältestes Buch, auch wenn es jetzt erst geschrieben wurde. Ausgangspunkt war immer die Frage nach dem freien Willen und eben jene Geschichte, die Edgar zustößt. Allerdings sollte die Geschichte immer heute spielen, d.h. irgendwann zwischen 1970 und jetzt. Und das hat einfach nie funktioniert. Ich habe es immer wieder mal versucht und bin jedes Mal stecken geblieben. Ich vermute, das Thema ist einfach zu groß für die Gegenwart. Man braucht etwas Abstand, um das ganze Panorama der Frage erfassen zu können. Erst durch die Verlagerung in die zwanziger Jahre ging plötzlich alles wie von selbst. Ich fand auf einmal so viel Material, daß ich große Mühe hatte, das alles in einem Roman unterzubringen. Aber ich wollte unbedingt beide Seiten der Medaille zeigen: die Gefahr von Esoterik und Mystik, UND die absolute Notwendigkeit von Spiritualität. Dafür bietet der Beginn des 20. Jahrhunderts eine großartige Denkschule. Die Entzauberung der Welt schlug um in ihre Verhexung. Warum ist das so? Gibt es keinen dritten Weg zwischen Aufklärung und Mystik?
Mit dieser Frage im Kopf bin ich zwei Mal nach Indien gefahren und habe die merkwürdige Erfahrung gemacht, daß dieser Gegensatz völlig idiotisch ist. Vernunft und Spiritualität sind am Ende das Gleiche. Die Frage stellt sich erst, wenn man einen der beiden Wege einschlägt, ihn aber nicht bis zu Ende geht. Was Edgar in Madras erlebt ist ein kleiner Teil dessen, was ich in Gesprächen mit verschiedenen Indern in Bombay, Poona, Trivandrum und anderen Ashrams gehört und gelesen habe. Einmal habe ich drei Tage lang mit einem alten Mann über Moral gestritten. Sein Standpunkt war, daß Moral Unsinn ist (Kurz gesagt: niemand ist jemals schuldig). Das konnte ich natürlich nicht akzeptieren. Aber nach drei Tagen Diskussion stand ich plötzlich in der Frage ganz woanders. Bildlich gesprochen waren wir plötzlich bei der Bergpredigt angekommen, bei christlichen Ideen, aber ausgehend vom Gegenteil dessen, was man allgemein unter Christentum versteht. Das war völlig verrückt.
Nun ja, ich könnte für jedes größere Thema im Roman solche Geschichten erzählen, aber das ergäbe wieder einen Roman. Die Vorgehensweise wird aber so hoffentlich sichtbar. Frage, Aufbruch, Auseinandersetzung und dann Gestaltung. Es sind eben viele Reisen: nach Indien, in Archive, oder wenn es sein muß auch in Sexclubs.
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@ Wolfram: Im Quellenverzeichnis gibst Du als Quelle "Franziska Gräfin zu Reventlow" an. War sie das Vorbild für Leonie?
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Durchaus. Es gibt noch ein paar andere Frauen, die ihren Teil zu dieser Figur beigetragen haben, aber die Gräfin hat wohl den grössten Anteil.
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Vielen Dank Wolfram für die ausführliche Antwort!!!
Samstag auf der Buchmesse passt sehr gut
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Zum Verhältnis Phil Manings-Wilhelm Falkenbeck:
Das haben bereits einige Leser nachgefragt, daher hier kurz eine Erklärung, denn offenbar wird das nicht ganz klar: Manings sucht Wilhelm Falkenbeck erst auf, nachdem die Sache in Berlin gescheitert ist. Er will verhindern, daß das Falkenbeck-Geld dazu dient, Hitler zu finanzieren. Als er jedoch bei Wilhelm eintrifft, ist Edgar gerade abgereist. Die beiden müssen jetzt also erst einmal abwarten, wie die Sache sich entwickelt. Ich meine, das geht aus Alinas Erzählung in Indien eigentlich deutlich hervor, aber ich fürchte, das ist wohl in irgend einem Nebensatz untergegangen. Manings ist die ganze Zeit hin - und hergerissen bezüglich der Frage, wie er mit Edgar umgehen soll. Denn wenn er ihm seine wahre Identität nennt, dann verliert Edgar ja sein Erbe. Andererseits will er auf alle Fälle verhindern, daß das Geld dazu benutzt wird, die Nazis zu finanzieren. Dieses Dilemma lähmt ihn. Erst durch Alina nimmt die Sache eine völlig unerwartete Richtung. Sie setzt das Drama in Gang indem sie klar entscheidet: das wichtigste ist, daß Leonies Wunsch respektiert wird. -
Aaah danke!!
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Lieber Wolfram, wie kommt es, dass Dein jetziges Buch nicht mehr in der Droemer Verlagsgruppe erscheint?
Werden Deine (hoffentlich) folgenden Werke auch bei Piper erscheinen??
neugierige Grüße von Elbereth
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Liebe Elbereth,
sorry daß die Antwort so spät kommt, aber die Buchmesse hatte mich voll im Griff.
Die Verlagsfrage hängt immer auch ein wenig mit der Art Buch zusammen, das man schreibt. In diesem Fall schien Piper der bessere Verlag für diese Art Roman zu sein, denn die Geschichte ist doch ein wenig anders als die anderen. Die Verlags-Entscheidung ist auch von derart vielen Faktoren abhängig, daß ich sie als Autor gar nicht alle überschauen kann und daher dem Ratschlag kompetenter Berater folge, also meistens meiner Agentur.
Heute ist das Verhältnis zwischen Autor und Verlag auch nicht mehr so wie früher, wo es fast wie eine Ehe war. Heute gibt es auch hier die Tendenz zu Lebensabschnittspartnerschaften. In den Verlagen ändert sich ständig so viel, daß ich zum Beispiel in 10 Jahren noch bei keinem Buch den gleichen Lektor hatte. Einmal wurde sogar ein Buch an einen Verlag verkauft, und als es dann erschien, gab es den Verlag gar nicht mehr, d.h. er war in einem anderen aufgegangen und das Personal zum Teil auch nicht mehr das gleiche. Es ist also auf allen Seiten immer alles im Fluß und als Autor kann man nur versuchen, jedes Buch so zu positionieren, daß es von der größten Zahl der möglichen Leser wahrgenommen wird. Um Geld geht es da übrigens meistens gar nicht so sehr, jedenfalls nicht bei mir. Das Geld verdient man ja erst, wenn die Leser das Buch kaufen, und die sind autonom in ihrer Entscheidung.