'Schule der Lügen' - Seiten 399 - Ende

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  • So, ich bin durch. *seufz* Und auch hier wieder: Was für ein Buch. Was für eine Geschichte. Kann ein Kopf sich das alles ausdenken? :wow


    Also: Das hätte ich so nicht erwartet.


    Warum nimmt Edgar die Strapazen der Reise nach Tiruvannamalai auf sich? Nur um Alina eine Frage zu stellen? Oder weil sie so traumhaften Sex hatten? Oder weil er meint, dass er sie liebt? Nach nur wenigen Tagen, die sie zusammen waren? Hm... Edgar verspürt einen inneren Drang, den er sich selbst nicht so recht erklären kann, aber vielleicht auch nicht will.


    Schon, als ihm irgendwann früher die Frage gestellt wird, ob er weiß, was er eigentlich will, verweigert er die Antwort. (Weiß nicht mehr, wann das war, ich glaube Nandan sagt es ihm)
    EDIT: S.398, zum Ende des dritten Teils, aber Edgar verweigert nicht die Antwort, sondern er ist hilflos, er weiß die Antwort nicht, als Nandan ihn fragt, was er will


    Nun ist er auf der Suche und durch Zufall findet sie ihn. Und nun erklärt sie ihm alles. Sie gibt ihm das Tagebuch Leonies, erklärt, was sich nach ihrer Flucht aus und vor ihrem Zusammentreffen in Berlin getan hat. Warum das alles geschehen ist, was geschah und dass alles eigentlich nur ein Ziel hatte: Leonies Wunsch zu erfüllen.


    Die Vergangenheit seiner Familie entsetzt Edgar, er reist zurück nach Hamburg und stellt sie zur Rede, nun, wo er die Wahrheit kennt. Zu kennen meint. Und wieder ist alles anders. Vor allem Edgar.


    Ich bin noch etwas erschlagen von all den Eindrücken, Denkanstößen und Vorgängen, die das Buch enthält. Ich kann noch nicht sagen, ob es toll oder blöd ist, aber es war eine faszinierende Reise, auf die ich mich da eingelassen habe.


    Ich warte nun erst mal ab, bis die Mitleser hier ankommen, kommentiere schon die anderen Postings und freu mich auf eine rege Diskussion in den nächsten Tagen.

  • Der letzte Teil ist ebenso vielseitig wie die vorherigen, es ist auf keiner Seite langweilig, irgendwas passiert immer, was der Geschichte schon wieder eine andere Wendung geben könnte.


    Geli hat die Zusammenfassung wieder super gemacht, da muss ich nix wiederholen, das Ende lässt einige Fragen offen, das Ende macht nachdenklich, aber als ich das Buch zugeklappt habe, war ich irgendwie glücklich, wie es gekommen ist.
    Meine neue Chefin meinte gestern zu mir, dass das ja genau ein Buch für mich sei, sie hätte sich schon gedacht, dass mir das gefallen wird - es hat mir gefallen, wenn es auch die anstrengendste Lektüre des Jahres für mich war, aber die Anstrengung hat sich wirklich gelohnt!


    Der Monte Verita, der Berg der Wahrheit, lässt noch einiges klarer werden. Edgar wirkte zum Schluss auf mich nachdenklicher, reifer, ein wenig gesetzter.
    Beim Lesen habe ich mich manchmal gefragt, ob nicht Edgar´s gesamte Familie Vipassana-Anhänger sind, die ihn mit ihren diffusen Geschichten verrückt machen wollen.


    Bibi

  • Zitat

    Original von geli73
    Ich bin noch etwas erschlagen von all den Eindrücken, Denkanstößen und Vorgängen, die das Buch enthält.


    Ich möchte noch ergänzen: erschlagen und fasziniert von all den ... und EMOTIONEN :anbet


    Dem Leser wird hier einiges abgefordert und das ist gut so.


    Zitat

    Original von geli73
    Warum nimmt Edgar die Strapazen der Reise nach Tiruvannamalai auf sich?


    Er glaubt es sei Liebe, mag sein, aber mir erscheint er wie unter einem inneren Zwang, er muss Antworten auf seine unzähligen Fragen finden, vielleicht hat er das Gefühl, er ist jetzt schon um die halbe Welt gereist, da kann er nicht zwei Tagesreisen von seinem vermeintlichen Ziel aufgeben.


    Leonies Tagebuch ist erschütternd und gleichzeitig wunderschön - auch wenn ich vieles darin nicht persönlich nachvollziehen kann, es hat mir dennoch zu denken gegeben.
    Ihre Aufzeichnungen lichten den Nebel etwas, allerdings ist mir nicht klar, wieso sie sich sicher ist, dass ihr Kind von Phil ist und nicht von Herold?
    Wie verwirrt muss Edgar durch diese Informationen sein! Und Alinas Rolle erscheint mir etwas hmmm unklar, auch jetzt noch, sie versucht das Leben einer Person, die sie fasziniert, nachzuleben? Hmmm...


    Zurück in Hamburg konfrontiert er Edith und Agnes mit seinen Erkenntnissen. Ediths Reaktion war vorherzusehen, wenn auch nicht in dieser Heftigkeit, schließlich war Leonie doch auch ihre Tochter :-( Und dann endlich ist Edgar mit Agnes alleine, und sie beginnt endlich nach all den Jahren mit ihm zu sprechen. Durch Leonies Tagebuch habe ich eine heftige Abneigung gegen sie entwickelt, aber jetzt, in diesem Gespräch tut sie mir einfach nur leid, ich habe tiefes Mitgefühl mit dieser Frau.


    Und wieder ist alles anders als zuvor gedacht, Leonies Kind... Leonie selbst... Ich bekam da schon einen dicken Kloß im Hals, der sich bei der Begegnung in Grüntal noch vergrößerte. Diese apathische Frau, die einst vor Lebensfreude, Freiheitsdrang und Individualität strotzte :cry


    Und Alina... vielleicht hatte sie es geahnt, und wollte deshalb nicht mit ihm zurückkehren, und dennoch hat sie es getan.


    Nach dem Zuklappen des Buches bleiben intensive Emotionen der unterschiedlichsten Art, die mich auf jede ihrer eigenen Weise sehr berührt haben. Für ein Fazit ist es noch zu früh, so sehr fühle ich mich wie in einem Karussell...

  • Im letzten Abschnitt lösen sich durch das Treffen mit Alina, das Tagebuch Leonies und vor allem nach seiner Rückkehr in Hamburg denn auch endlich alle Fragen.


    Lügen über Lügen.


    Daniel ist der einzige, der über das gesamte Buch aufrichtig zu ihm war. Unvorstellbar, wie weit auch der furchtbare Robert gegangen ist. Was für eine grausige Sippe. Mit denen wollte ich nichts zu tun haben.


    Was ich wohl ebenfalls überlesen habe ist: Wie kam die Beziehung Manings und Wilhelms zustande? Das hat sich mir auch nicht so richtig erschlossen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Gestern habe ich das Buch zuende gelesen. Ein tolles Buch, spannend bis zum Schluss und - für mich - gespickt mit ganz neuen Eindrücken!
    Unglaublich, dass diese Theosophie-Bewegung soviele Anhänger hatte! Ich werde heute noch darüber ein bisschen im Netz nachlesen, denn so richtig begreifen konnte ich diese Bewegung noch nicht, obwohl Wolfram sich im Buch soviel Mühe mit einer genauen Aufklärung gegeben hat.


    Dieses Lügengewebe, was die Famile über Jahrzehnte hinweg gesponnen hat, war erschütternd. Edgar hat mir so richtig Leid getan.
    Dass nun Rober für seine grausige Tat so gar nicht bestraft wurde, geht gegen mein Rechtsempfinden! Und die Person Manings lässt mir auch noch zuviel Spielraum zum Grübeln. Natürlich brauche ich kein happy-end - aber trotzdem bleibt bei mir ein großes Fragezeichen, wie Edgar nun sein Leben weiter gestalten wird, ohne Alina und - ich nehme an - so ganz ohne Familie.
    Was wird aus Daniel werden? Werden die braunen Schergen seiner habhaft werden und wird Edgar seinen einzigen Freund verlieren?
    Und warum war Edgars Mutter ihm nie eine Mutter? Da sie schon keinen Ehemann, im Sinne dieses Wortes, hatte, so hätte sie doch wenigstens ihrem Sohn ein bisschen Liebe entgegenbringen können!
    Ach ja - noch etwas: Bis jetzt war ich immer der Meinung, dass der "alte Adel" mit dem braunen Sumpf und Hitler so gar nichts am Hut hatte. Anscheinend war es doch anders und auch in diesen "Kreisen" fand dieser Mensch seine glühenden Verehrer. Was für eine Zeit. Ich bin froh, dass ich die
    Gnade der späten Geburt hatte....

  • Zitat

    Original von Sisi
    Und warum war Edgars Mutter ihm nie eine Mutter? Da sie schon keinen Ehemann, im Sinne dieses Wortes, hatte, so hätte sie doch wenigstens ihrem Sohn ein bisschen Liebe entgegenbringen können!


    Hmm ich hatte den Eindruck, sie hat die Geschehnisse von damals nie richtig verwunden hatte, sie fühlte sich mitschuldig und leidet noch heute unter dem Verlust ihrer Schwester. Und dann hat sie ein Kind von dem Mann, den sie anfangs vergöttert hat, und der dann Mitschuld an allen Ereignissen trägt. Auch wenn es ihrem Kind gegenüber höchst ungerecht ist, aber ich kann mir vorstellen, dass sie jedesmal, wenn sie ihn gesehen hat, an damals erinnert wurde... *nur eine Spekulation*



    an dieser Stelle dann auch


    Mein Abschlussfazit:
    Edgar von Rabov, adeliger Sohn eines großen Hamburger Unternehmers, studiert im Berlin der 20er Jahre lieber das ausschweifende Nachtleben als sein Studienfach Chemie, das ihn auf die Übernahme des väterlichen Unternehmens vorbereiten sollte. Eine zufällige Begegnung mit der exotischen Schönheit Alina bringt sein Leben und alles, woran er bislang geglaubt hat, ins Wanken, denn sie lockt ihn nicht nur in ein erotisch-sinnliches Abenteuer, sondern durch ihr plötzliches Verschwinden auch auf eine Reise, die sich alsbald als eine Suche nach der eigenen Identität und Vergangenheit herausstellt…
    Schule der Lügen vereint die Frage nach der eigenen Geschichte, nach der Wahrheit der Familie, nach der Vergangenheit und Zukunft in einem großen Spannungsbogen, in dem unzählige Fragen aufgeworfen, Lügen aufgedeckt werden und doch einige Antworten schuldig bleiben. Zusammen mit Edgar begibt sich der Leser auf die anstrengende und zeitweise verzweifelte Reise, die ihn um die halbe Welt und doch tief ins eigene Ich führt. In einer wunderschönen Sprache wird der Leser gefordert, vor dem politischen Hintergrund des aufkommenden Nationalsozialismus und der Entwicklung esoterischer Strömungen, allen Spuren und Informationen zu folgen. Ein faszinierender Roman, der die Erzählkunst Wolfram Fleischhauers erneut unter Beweis stellt!


    Lieber Wolfram, vielen Dank für tolle Lesestunden und die Begleitung dieser Leserunde! :wave

  • Milla, Deine Rezi bringt es mal wieder auf den Punkt, ich kann mich dem nur anschließen. :anbet


    Mir hat, mit einigen Tagen Abstand, die Schule der Lügen super gefallen, ein Buch, was meinen Geist gefordert hat, das eben nicht bereits nach der Hälfte ein "offenes Buch" war, sondern mich bis zum Schluß durch Wendungen und eine wunderbare Sprache gefesselt hat. Die Zeit, in der es spielt und die Handlung haben mich sehr interessiert. Der Anteil der Esoterik, die doch eine große Rolle spielt, war zunächst nicht "mein" Thema, doch durch die ausführliche Schilderung konnte ich es gut nachvollziehen und hab so einige Ansätze gefunden, die Nachforschungen wert sind.


    Rundherum gelungen, ich werde es (mindestens) ein zweites Mal lesen und mich auch anderen Werken widmen, ich habe für mich einen neuen Autor entdeckt.


    Vielen Dank, Wolfram :wave

  • Gerade habe ich "Schule der Lügen" beendet. Schade. Ich hätte gern noch mehr gelesen. Momentan weiß ich noch gar nicht, was ich hier niederschreiben soll, eigenlich habt ihr schon alles gesagt. Auch bei mir sind nicht alle Fragen beantwortet. Ihr habt die nach dem Verhältnis von Phil Manings und Wilhelm Falkenbeck schon gestellt. Aber auch Alinas Verhalten finde ich noch immer fragwürdig. Kann man nur durch das Hören einer Geschichte sich so in eine andere Person hineinversetzen? Warum ist sie dann doch mit Edgar nach Europa zurückgekehrt? Ich kann sowohl Leonies als auch Alinas Verhaltens nicht immer nachvollziehen. Es ist für mich auch nicht schlimm, denn ich bin charakterlich anders gelagert, finde es aber interessant mich in die mir fremden Gedanken zu versetzen. Als ich dann nachdem Edgar Leonies Tagebuch gelesen hatte, schon dachte, die Lösung der Fragen liege vor mir, gab es nochmals eine überraschende Wendung. Das fand ich sehr gelungen. "Schule der Lügen" war für mich nie langweilig, ständig gab es neue Gesichtspunkte, die berücksichtigt werden mussten und Wendungen, mit denen ich nicht gerechnet habe.


    Der Titel des Buches ist meines Erachtens sehr treffend gewählt. Der arme Edgar ging wirklich durch eine Schule der Lügen. Das wurde ja im letzten Abschnitt angesprochen. Und auch jetzt, nach Beendigung des Buches, frage ich mich, ob nicht doch noch ein paar Lügen überlebt haben.


    Dieses Buch hat mir sehr gut gefallen. Es war kein Roman, den ich mal so weglesen konnte, ich war schon gefordert und musste auch gelegentlich Wikipedia und andere Lexika bemühen. Aber genau das ist es, was ich mag. Ich habe Hintergründe zu eigentlich bekannten historischen Fakten erhalten, bekam gänzlich neue Denkansätze dazu. Mir gefiel die Zeit, in der die Handlung stattfand. Allerdings wäre ich auch neugierig, wie dieses Buch in der Gegenwart geworden wäre.


    Das ist jetzt nicht wirklich ein Fazit. In meinem Kopf schießen die Gedanken noch etwas durcheinander. Das muss sich erst alles setzen. Deshalb ist mein Postig vielleicht auch noch etwas wirr.

  • Ich habe das Buch auch heute nachmittag beendet und es hat mir insgesamt sehr gut gefallen. Ich hab es auch gleich meiner Mutter empfohlen und die wird es demnächst wohl auch lesen.


    Mir geht es ähnlich wie Emily, dadurch dass ich etwas langsam war im Lesen, gibt es nicht mehr viel Neues hinzu zu fügen. Ich muss das Buch auch etwas auf mich wirken lassen. Die Familienverhältnisse waren doch etwas wirr und alle meine Fragen wurden ja nicht beantwortet, was ich ja im letzten Abschnitt schon befürchtet hatte.


    Gut gefallen hat mir die Wendung im Hause von Agnes, als sie ihm sagte, dass sie doch ihr Kind ist und er nicht Minou ist. Da war für mich die Geschichte eigentlich schon aus und dann kam diese ungeahnte Wendung. Wobei ich jetzt im Nachhinein mir nicht sicher ist, ob Agnes die Wahrheit sagte oder mal wieder eine Lüge auftischte. Von den Jahreszahlen (kurz überschlagen) denke ich, dass Agnes die Wahrheit sagte, aber bei diesem Buch weiß man ja nie.


    Ausserdem war mir auch - wie vielen hier vor mir - nicht ganz schlüssig, woher sich Wilhelm und Phil sich kannten.


    Alina bleibt mir auch ein Rätsel. Auch ihr Ende hat mir jetzt nicht wirklich gefallen. Mir hätte es dann doch besser gefallen, wenn sie in Indien geblieben wäre. Naja, ich bin ja nicht der Autor....



    lg primavera

  • Eigentlich habe ich das Buch schon seit dem Wochenende ausgelesen, habe aber noch nicht die Muse und den Mut gefunden, mich dazu zu äußern.
    Ich will gleich mal vorweg sagen, daß ich nicht in die typische Referenz-Lesergruppe falle für historische Romane und ich will an Wolfram mein Lob aussprechen für die vortrefflichen Research-Arbeiten, die er für das Schreiben dieses umfangreichen Romans auf sich genommen hat.
    Mir wurde dadurch erst so richtig deutlich, wie die einzelen esoterischen Strömungen und das Entstehen einer Freikörperkultur entstanden sind, bzw. sich entwickelt haben und warum. Was das betrifft für mich eine interessante Lektüre.


    Was mich etwas gestört hat, ist ganz sicher der Schluß des Romans. Im allgemeinen bin ich nicht gerade zimperlich veranlagt, aber all das Blut aum Ende ist mir ein bißchen zu heftig. War das wirklich nötig?
    Warum konnte der Roman nicht enden mit dem Brief von Alina, in dem sie Edgar erklärt, warum sie nicht mit ihm mitkommt? Warum Alina und Edgar überhaupt als Liebespaar vereinigen?
    Aber wie gesagt, ich bin keine Historienromanleserin und mein Urteil zählt nicht wirklich.


    Fragen bleiben mir auch noch.
    Warum wollte Alina unbedingt Edgar mit seiner vermeintlichen Mutter in Kontakt bringen? Woher wußte Leonie so sicher, daß das Kind von Phil Manings war?
    Welchen Sinn hatte der Kontakt zwischen Wilhelm Falkenbeck und Phil Manings?

  • Das finde ich sehr interessant: Ich haette diesen Roman als historischen Roman nie eingestuft, obwohl er - ohne Zweifel - in der Vergangenheit spielt. Es ist kein Roman, den ich gut in Genregrenzen gepresst bekomme.


    Ich freue mich, an der Leserunde teilgenommen zu haben, obwohl ich wegen der Buchmesse nicht viel mitreden konnte, denn der Roman hat mir sehr gefallen. Ich habe viel zurueckgeblaettert, noch einmal gelesen, neu ueberdacht. Ich habe manches gelernt, und vieles hat mich aufgeruettelt. Die Themen, die der Autor aufgreift, beschaeftigen ueber das Romanende hinaus. Ein Buch, das ich bestimmt noch oft aufschlagen werde.
    Ich finde diesen Roman brillant erzaehlt - der Autor uebernimmt sich nie. Er hat die Faeden in der Hand und beherrscht jede Szene. Am staerksten ist mir das in der ganz kurzen Schilderung des Aufstands aufgefallen. Der Augenblick, in dem Edgar das tote Kind betrachtet, wird mir noch lange im Gedaechtnis bleiben. Das ist so ohne Uebertreibung, ohne Effekte, aber auch ohne zurueckzuscheuen, gezeigt, dass es mich tief beeindruckt hat.
    Mein einziges Problem mit dem Roman war von Anfang an die Figur die Alina, die mir nicht recht greifbar und glaubhaft wurde, weshalb mich ihr Schicksal nicht zu fesseln mochte und ich auch Schwierigkeiten hatte, Edgars (der eine grossartig gelungene Figur ist, finde ich) Motivation, seine Gefuehle fuer sie nachzuvollziehen.
    Nur aus diesem einen Grund hat mir die "Frau mit den Regenhaenden" noch besser gefallen.
    Auf das naechste Buch von Wolfram Fleischhauer freue ich mich schon jetzt.


    Vielen Dank fuer diese Empfehlung und
    herzliche Gruesse von Charlie.

  • Hallo allerseits!


    Auch ich war durch die Buchmesse etwas mit Beschlag belegt und will mich heute mal wieder melden.


    Zunächst einmal vielen Dank für Eure Reaktionen. Natürlich freue ich mich sehr über Lob, bin aber auch immer sehr neugierig auf alles, was Schwierigkeiten bereitet und entweder nicht gelungen ist oder nicht so richtig rüberkommt.


    Tatsächlich ist der Roman schwer einzuordnen, was ja immer das Problem bei mir ist, da ich nun mal keine Genre-Romane schreibe sondern nur manche Techniken daraus benutze, um die eben etwas anspruchsvolleren Stoffe besser erlebbar zu machen. Meine Verleger und Vertreter stöhnen immer, wenn ich Ihnen meine Stoffe erzähle, denn sie passen nun mal nicht auf einen Bierdeckel und sind daher zunächst schwerer zu verkaufen als ein nach einer bestimmten Masche gestrickter Roman. Aber da ich genau solche Bücher gerne lese, will ich auch keine anderen schreiben.


    Der Roman sollte ursprünglich zwischen 1970 und 2000 spielen. Er ist also durchaus nicht "historisch" von der Anlage her. Aber wie ich schon gesagt habe, die Thematik ist zu groß, man braucht Abstand, um sie überblicken zu könne. Daher die achtzig Jahre Distanz.



    Nun zu Euren Fragen:


    Das Blut am Ende, also Alinas Tod.
    Einmal geht es darum zu zeigen, mit welcher Gewalt und Skrupellosigkeit die Nazis allen, die sie nur zu benutzen dachten, plötzlich entglitten sind. Alinas Ermordung soll durchaus wie ein Schock wirken, nicht nur auf die Familie, die plötzlich erkennt, welche Bestie sie da in ihrer Mitte herangezüchtet haben, sondern auch auf den Leser.
    Dann gibt es natürlich die Bedeutungsebene des Romans. Alina ist Leonies Wiedergängerin. Ihre Schicksale sind verbunden. Leonies "Rückkehr" erzwingt Alinas Ende, jedenfalls aus der Figur Alina heraus gedacht. Das ist freilich nur angedeutet, sonst wäre es ja plötzlich eine fantastische Geschichte, was es nicht ist. Aber Fragen der Mystik grenzen daran, deshalb habe ich ein Bild gesucht, das sowohl realistisch (Nazi-Terror) als auch allegorisch (das Schicksal erfüllt sich) lesbar ist.


    Edgar und Alina sind am Ende nicht als Liebespaar vereint. Alina folgt nicht Edgar (das geht ja aus ihrem Brief klar hervor). Sie folgt Leonie. Sie ist Leonies Wunsch. Alina lebt in einer ganz anderen Welt als Edgar. Ihre Begegnung ist nur physisch, im ganz engen Wortsinn. Edgar ist ja gar nicht zur Liebe fähig. Er ist zu Beginn der Geschichte ein seelisches Wrack. Er ist völlig leer. Alina kann nur über Sex an ihn heran. Und so lockt sie ihn in eine andere Erfahrungswelt. Das kommt bei vielen Lesern nicht gut an, weil sie das Manipulation nennen. Aber das ist eben genau die Grenze, die mich an dieser Geschichte interessiert, die Grenze zwischen Verführung und Manipulation, zwischen Anregung und Zwang, zwischen Erziehung und Konditionierung.


    Warum wollte Alina Edgar mit seiner Mutter in Kontakt bringen?
    Das will sie zunächst gar nicht. Sie weiß ja gar nicht, daß Leonie noch lebt. Sie schlittert ja auch mehr oder minder in diese Sache hinein. Sie will das alles eigentlich gar nicht machen, aber als sie Phil in Berlin besucht und sieht, wie bekümmert und hilflos er ist, da will sie sich Edgar wenigstens mal ansehen ... und dann kommt eins zum anderen. Sie hat die ganze Zeit Skrupel, deshalb ist ihr Verhalten seltsam, hin und her gerissen zwischen ihrer Wut auf Leonies Schicksal und dem Willen, das Testament dieser unglücklichen Frau, mit deren Tagebuch sie sich identifiziert, zu vollstrecken. Dann reizt sie Edgar als Mann. Er bietet ihr die Möglichkeit, eine Rolle, eine Phantasie auszuleben. Ich glaube, aufgrund all dieser Widersprüche scheint sie so unnahbar zu sein. Sie bleibt bis zum Schluß rätselhaft, wie Leonie ja eigentlich auch. Aber das kann gar nicht anders sein. Das Rätsel dieser beiden Frauen (plakativ gesagt: ihre mystische Weltsicht) kann nicht gesagt, kann nicht beschrieben werden ... man muß es selbst erleben, das kann einem niemand abnehmen, kein Buch und kein Kommentar. Man muß dort selbst hinein ... wenn man will.


    Woher wußte Leonie, dass ihr Kind von Phil war?
    Soviel man mir erzählt hat, weiß eine Frau in solch einer Situation im allgemeinen, wer der Vater ist. Spätestens nach der Geburt.


    Welchen Sinn hat der Kontakt zwischen Wilhelm und Phil?
    Das habe ich oben bereits erklärt. Das wird wohl wirklich nicht klar. Tut mir leid, ist wohl zu skizzenhaft geraten.


    Tja, ich hoffe ich habe wenigstens einige Unklarheiten beseitigt.


    Herzliche Grüße und vielen Dank auch für die vielen positiven Bemerkungen.

  • Zitat

    Original von Wolfram
    Tatsächlich ist der Roman schwer einzuordnen, was ja immer das Problem bei mir ist, da ich nun mal keine Genre-Romane schreibe sondern nur manche Techniken daraus benutze, um die eben etwas anspruchsvolleren Stoffe besser erlebbar zu machen.


    Und das ist gut so und sollte auch so bleiben ;-)


    Vielen Dank noch für die ausführlichen Erläuterungen zum Schluss, die für mich noch ein wenig Licht ins Dunkle gebracht haben.


    Danke für die tolle Begleitung der Leserunde, das hat wirklich Spaß gemacht!

  • Eigentlich habe ich das Buch schon vor Wochen beendet, dann kam mir die Buchmesse dazwischen. Vielem, was hier schon geschrieben wurde, kann ich mich nur anschließen. Ich fand es faszinierend, Edgar auf seinem Weg vom jemanden, der seine Umwelt eher erlebt, zu jemandem, der sucht, Fragen stellt und letztendlich auch Position bezieht, zu begleiten. Ein tolles Buch, das ich bestimmt noch einmal lesen werde.


    Vielen Dank für die Begleitung der Leserunde!


    Liebe Grüße


    Solas


  • So weit bin ich gestern abend auch noch gekommen. Einiges scheint sich nun zu klären............aber ich lasse mich mal überraschen, was noch kommt.

  • Das Buch habe ich nun beendet.
    Der letzte Abschnitt hat ja nochmal einiges an Wendungen, aufgedeckten Lügen und Erkenntnissen gebracht.


    Fesselnd geschrieben hat mich das Buch bis zum Schluß überzeugt. :anbet


    Edgar war mir sehr sympathisch, Alina hat mich nicht wirklich berührt bzw. erschlossen, die ganze Geschichte war ein gigantisches Lügengebilde.......