Talk Talk heißt: das unterhalten in Gebärdensprache.
Damit wäre schon ein Thema des Romans bestimmt: die Hauptperson ist Dana Harper, eine taube Gebärdensprachelehrerin an einer Gehörlosenschule.
Der Roman beginnt mit dem zweiten großen Thema des Romans: als Dana eines Tages in einer Polizeikontrolle gerät, stellt die Polizei fest, daß unzählige Haftbefehle wegen unterschidelichster Betrügereien gegen sie vorliegen und nimmt sie fest. Nach einem trostlosen Wochenende im Knast stellt sich dann aber heraus: hier hat jemand ihre Identität gestohlen. Unter ihrem Namen, mit ihrer Sozialversicherungsnummer und mit ihrer Identität lebt da ein zweiter Mensch, der all diese Verbrechen begangen hat.
Nicht nur die Polizei ist hinter diesem Dr. Dana Harper (ein Mann!) her, auch diverse Gläubiger. Und so bekommen die wahre Dana und ihr Freund Bridger schließlich die Telefonnummer des Kerles und sind dem Identitätsdieb auf der Spur.
Der Roman wechselt mehrfach die Perspektive und man erfährt auch aus dem Leben des zweiten Dana Harper, Peck. Seine Geschichte, wie er dazu kam... Und es entwickelt sich zu einer Jagd von der West- an die Ostküste.
Wie schon erwähnt steht Talk Talk nicht für sinnloses Gerede, sondern für die Gebärdensprache. Aber ersteres wäre auch möglich gewesen. Mich hat der Roman von T.C. Boyle enttäuscht. Bei einem anderen, unbekannten Autor hätte ich so manches wohl nicht so krumm genommen, aber von Boyle erwarte ich besseres.
Die Geschichte ist schnell und ruckzuck gelesen. Sie ist sehr kurzweilig und es gibt sogar eine gewissen Spannung. Es kommt nicht oft vor, daß ich einen 390 Seiten an einem Tag durchlese. Der Roman ist locker, flockig, leicht verdaulich und belastet nicht.
Aber genau hier liegt auch das Problem: es ist so gemütlich wie ein Fast Food Restaurant und läd nicht zum verweilen ein.
Es fehlt vieles, was ältere Boyle Romane auszeichnen: das Verweben von Themen, die skurillen, aber absolut glaubhaft gestalteten Personen.
Hier bleiben zwei Themen nebeneinander stehen, die sicher beide ihre Brisanz haben.
Das Thema Identitätsdiebstahl hat sicher seine Aktualität. Aber Boyle scheint bei diesem Thema keine Stellung zu beziehen, außer der Tatsache: seht her, so leicht ist es.
Und beim Thema Taubheit versagt Boyle meiner Meinung nach völlig. Es gelingt ihm kaum, daß Leben in der stillen Welt einzufangen. Hier mag eventuell auch die Übersetzung eine Rolle spielen, denn wie die Gebärdensprache im englischen Original dargestellt ist, kann ich nicht sagen.
Und zu guter letzt gelingt es Boyle auch nicht, diese Themen ineinander zu verweben. Er stellt sie in den Raum, behandelt sie nicht miteinander und auch im einzelnen nicht konsequent.
Und noch ein Wort zu den Charakteren: sie bleiben im Klischee und werden so nicht glaubhaft, wie Boyle es sonst so schafft. Keine der Figuren kann überraschen, sie bleiben was sie sind: die hübsche, gute und bemitleidenswert gehandicapte Dana und ihr fürsorglicher, liebender, herzensguter Freund Bridger ohne böse Seiten. Und dann Peck, der böse Dieb, der sich hineinsteigert, kein Mitgefühl hat, egoistisch, böse und dumm, an seiner Seite ein oberzickiges, aus Russland emigriertes Luxusweibchen.
Es ist ein leicht verdaulicher Unterhaltungsroman, belanglos und klischeehaft und irrelevant.