Über die Autorin
Sabine Friedrich, 1958 in Coburg geboren, studierte Germanistik und Anglistik und promovierte 1989 in München. Nach zahlreichen Wohnungs-, Orts- und Berufswechseln quer durchs In- und Ausland lebt sie heute mit ihrer Familie wieder in Coburg. Von ihr sind inzwischen folgende Romane erschienen: Das Puppenhaus (1997), Die wunderbare imbissbude (1999), Nachthaut (2000), Das Eis, das bricht (2002).
Amazon-Kurzbeschreibung
Warum habe ich nur darauf bestanden, zu Hause in der Scheune zu feiern? fragt sich die 49jährige Barbara am Vorabend ihrer Silberhochzeit. Immer bleibt alles an ihr hängen. Doch schließlich soll es ein schönes Familienfest werden.
Ihre Familie: das sind die Nachkommen der Frauen, die bei der Flucht 1945 das wenige Familiensilber unter dem Apfelbaum im Danziger Garten versteckt haben. Obwohl die Ankündigung der Feier bei einigen zu Verspannungen und Fluchtgedanken geführt hat, haben alle ihr Kommen zugesagt.
Die kleine Stadt Neuenburg – wo Jo Perling, der größte Arbeitgeber der Stadt, noch wie ein mittelalterlicher Burgherr alle Fäden in der Hand hat – ist für ein Wochenende die Bühne, auf der sich alles trifft: die Großtanten, Geschwister, Cousins, Nichten und Neffen, aber auch freundliche türkische Mitbürger, friedliebende Bauwagenbewohner, intrigante Kleinstadtpolitiker, Modepüppchen und schräge Typen mit fanatischem Ideengut.
Was zunächst als Geschichte eines großen Familienfests daherkommt, erweist sich bald als Momentaufnahme und Spiegelbild der Gesellschaft, in der wir leben. Sabine Friedrich ist mit »Familiensilber« ein großer Roman gelungen, der mehr über das Leben im gegenwärtigen Deutschland und unsere Befindlichkeit aussagt, als es Tausende von Zeitungsartikeln vermögen.
Meine Meinung
Auf knapp 600 Seiten wird uns in diesem Buch ein Einblick in die Geschichte der Familie Jaschke (jetzt bestehend aus Jaschkes, Schürers, Lehmanns, Siebecks und Jensens) gewährt. Die Familie ist sehr groß geworden seit dem Krieg, man kann schon mal die Übersicht über die einzelnen Verwandtschaftsverhältnisse verlieren. Nützlich ist hier auf jeden Fall der im Buchinneren abgedruckte Stammbaum, der mir wertvolle Hilfe geleistet hat.
In der Geschichte springen wir wie ein Floh von einem Familienmitglied zum anderen, versetzen uns hinein in die Person und erleben so mit, was der Einzelne tut, denkt und fühlt. Dabei erfahren wir natürlich auch Dinge über die einzelnen Personen, die die anderen nicht wissen und so offenbart uns auch jeder Einzelne sein kleines, schmutziges Geheimnis. Die Überleitungen von einer Person zur anderen sind meist sehr gelungen und leichthändig geschrieben.
Die Geschichte an und für sich ist eigentlich schnell erzählt: Barbara und Gernot Lehmann laden anlässlich ihrer Silberhochzeit die ganze Familie zu einem großen Fest in ihrem Hause ein. Die Handlung trägt sich nur am Wochenende dieses Festes zu, aber anhand von Gedanken und Erzählungen erfährt man sehr viel über die gesamte Familie, über ihre Danziger Zeit, über alles, was ihnen auf der Flucht nach Deutschland passierte und wie es ihnen danach bis Heute ergangen ist.
Die Familie ist eigentlich ein Alptraum: im Verlauf des Buches offenbaren sich Abgründe von Kleptomanie, Versagen, Abhängigkeit und Unglück – doch nach außen hin wird stets die Fassade gewahrt.
Das traute Silberpaar z.B. selbst bedauert, sich nicht schon längst scheiden lassen zu haben – und doch spielen sie tapfer mit und lassen sich feiern. Man fragt sich, wie es mit beiden weitergehen wird. Einerseits wünscht man sich, sie mögen doch endlich auseinandergehen, damit endlich Friede im Haus ist. Andererseits hat man das Gefühl, sie hätten sich in ihrem selbstgezimmerten Elend schon so arrangiert, dass sie es gar nicht mehr anders wollten.
Meine Gefühle diesem Buch gegenüber sind ambivalent. Ja, es ist interessant. Ja, es ist lesenswert. Aber... die Familie selbst ist verkorkst, es wird geheuchelt und soviel bleibt unausgesprochen, das schon längst auf den Tisch gehört hätte. Alte Familienzwistigkeiten werden auch Generationen später nicht geklärt. Dabei sind die Protagonisten an und für sich größtenteils nicht unsympathisch..
Es lässt sich leicht lesen, aber es ist kein leichtes Buch. Es ist eigentlich ein deprimierendes Buch. Es lässt einen betroffen zurück und man beginnt nachzudenken, wie es in der eigenen Familie aussieht und in anderen Familien. Man möchte keinesfalls so sein wie diese Familie und doch gibt es ganz viele Familien, in denen es ebenso ist wie in der Jaschke-Sippe.
Ich kann das Buch durchaus empfehlen, allerdings sollte man sich bewusst sein, dass alles andere als eine fröhliche Familienfeier auf einen wartet.
Hm, ich wußte nicht so recht, wo ich den Roman einordnen sollte - in Belletristik schien er mir falsch aufgehoben zu sein. Falls er hier auch nicht reingehört, bitte verschieben!