Benedikt-Zitat löst Religionskrise aus


  • Wieso wäre das der Zusammenbruch, verstehe ich nicht, die Kirche kann dennoch ihre guten Taten vollbringen, da braucht sie den Staat nicht zu, wenn du damit die Kirchensteuer ansprichst...davon werden sicherlich größtenteils die Gehälter von den kirchlich Angestellten gezahlt.


    Ich wäre auch dafür, Kirche und Staat strikt zu trennen...jeder kann ja glauben und tun was er will, soll er halt seine Kirchensteuer DIREKT in die Kirche fließen lassen....und zwar ein Zehnt...wie es sich gehört!

  • Zitat

    Original von cimini
    Aber, wenn man sich mit tief religiösen Katholiken unterhält, sagen die einem ins Gesicht, dass auf Anhängern des falschen Glaubens, die Hölle wartet.


    Das ist aber interessant, denn damit befinden sich diese "tief religiösen Katholiken" sowohl im Widerspruch zu den Enzykliken Papst Johannes Paul II., als auch im Widerspruch zum katholischen Katechismus, als auch im Widerspruch zu einer wenigstens 1000jährigen Kirchenlehre. Schau Dir mal die Fenster der Kathedralen an; da wirst Du viele Darstellungen des Paradieses finden, auf denen Heiden abgebildet sind - vornehmlich große Philosophen der Antike.


    Zitat

    Original von cimini
    Wodurch zum Ausdruck kommt, das nur der Kath.Glaube der einzig richtige ist.


    Das wiederum ist logisch. Wenn die Kurie der Meinung wäre, eine Glaubenslehre sei falsch, würde sie ja den Katechismus ändern. Daher wird der jeweils aktuelle Katechismus für zutreffend gehalten.
    Alles andere wäre ja auch arg inkonsequent.
    Nicht nur im religiösen Bereich, übrigens. Auch in der Politik fände ich es seltsam, wenn ein Parlament nicht der Meinung wäre, das Gesetz seines Landes sei - in den großen Zügen - das beste der Welt. Wenn zum Beispiel die überwältigende Mehrheit des Deutschen Bundestages und des Deutschen Bundesrates der Meinung wäre, eine Gesetzesregelung in, sagen wir, Frankreich wäre besser als die entsprechende in Deutschland, dann würde sie doch die deutsche Regelung an die französische anpassen. Und danach dann wieder der Meinung sein, das deutsche Gesetzeswerk sei das beste der Welt. :-)

  • Für die Abschaffung der Kirchensteuer bin ich auch (allerdings aus spirituellen Gründen).


    Aber die von mir aufgeführten Aufgaben sind originär staatlicher Natur; Fürsorge für seine Bürger, bzw. Bildungswesen. Wer konsequent für die Trennung von Staat und Kirche eintritt, müsste es sich demnach verwehren, dass die Kirchen Aufgaben des Staates erfüllen.


    Kruzifixe in Schulen und das "so wahr mir Gott helfe" sind aus meiner Sicht (und aus der Papst Benedikts, by the way) Dinge, die in der Tradition des jeweiligen Landes verankert sind. So, wie es keine Erregung öffentlichen Ärgernisses ist, wenn eine Frau ohne Kopftuch durch die Kölner Fußgängerzone läuft, aber schon, wenn sie oben ohne zum Shopping geht.
    Man kann sicher darüber diskutieren, ob unsere gegenwärtige Kultur diese Symbole und Formeln als ihr zugehörig erkennt oder als Ausdrucksformen einer religiösen Minderheit. Momentan scheint der Gesetzgeber von Ersterem auszugehen; ich kann aber nachvollziehen, wenn man anderer Auffassung ist.


  • blaustrumpf, bitte verwirr mich nicht:


    Religion ist Opium des Volks steht in der 'Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie' von 1844 und in der ME-Gesamtausgabe in Band 1 auf Seite 378. Autor: Karl Marx.


    Was das 'Religion ist Opium fürs Volk betrifft, so stammt das von Lenin, aus 'Sozialismus und Religion' von 1905.


    Wie man es nimmt, es stammt von bösen Kommunisten!
    So , nun dürft ihr weiterplauschen.


    Mit roten Grüßen


    magali (beim Tomatenschneiden)

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Bernard
    Aber die von mir aufgeführten Aufgaben sind originär staatlicher Natur; Fürsorge für seine Bürger, bzw. Bildungswesen. Wer konsequent für die Trennung von Staat und Kirche eintritt, müsste es sich demnach verwehren, dass die Kirchen Aufgaben des Staates erfüllen.


    Öhm..die Kirchen tun oder taten das ja nicht nur aus uneigennützigen Gründen, heutzutage sind das ganz normale öffentliche Einrichtungen, betriebswirtschaftlich geführte Betriebe, die aber so gar nichts mehr mit Mildtätigkeit oder Nächstenliebe zu tun haben.
    Und auch ungläubige Menschen sind hilfsbereit und mildtätig unterwegs.
    Ich nenne jetzt mal "die Tafel" u.ä. ich wüsste nicht, dass das mit einer kirchlichen Organisation zu tun hätte.
    Ist eher ein social sponsoring..

  • @ Bernhard: Wieso?


    Wenn kirche und staat getrennt wären, was sie meines wissens in Ö sind -würde es die kirchlichen schulen und kindergärten und vereine noch immer als private vereinigungen geben, und ab zehn schülern zahlt der staat Ö sowieso einen beitrag, sofern die einrichtung die festgelegten lehrziele erfüllt.


    Und da ich ausgetreten bin, zahle ich sowieso keine kirchensteuer, die haben mir so einen zettel zugeschickt, ich sollte - damals als studentin in meinem ersten semester 10.000 öS zahlen, denn man hätte mein einkommen dementsprechend geschätzt. Dann habe ich ihnen einen unheimlich freundlichen brief geschrieben, ich hätte kein einkommen, und sie sollen mich hiermit aus der Katholischen Irrtumsgemeinschaft als ausgetreten betrachten, weil allein der versuch von einer 18-Jährigen Freidenkerin etwa 5000 € für nicht in anspruch genommene leistungen abzukassieren sei etwas zu keck. Mit lieben grüssen retournierte ich ihnen meinen taufschein. *ausmausende*


    Sie hätten von mir noch gerne eine auskunft gehabt, warum ich ausgetreten bin, und ich habe mir extra dafür einen katholischen katechismus gekauft und einen 35-seiten langes traktat wider die religiöse unvernunft verfasst, den ich aber nie abgeschickt habe, weil mein Vater meinte, man soll ihnen gar nicht suggerieren, man hätte interesse an einer theologischen diskussion, denn sonst schicken sie einem noch einen kathecheten, der einen wie bei einer anderen sekte noch mit allen psychologisdchen trix erklären will, warum man im irrtum ist.

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

  • Huhu, Bernard.


    Zitat

    Kruzifixe in Schulen und das "so wahr mir Gott helfe" sind aus meiner Sicht (und aus der Papst Benedikts, by the way) Dinge, die in der Tradition des jeweiligen Landes verankert sind. So, wie es keine Erregung öffentlichen Ärgernisses ist, wenn eine Frau ohne Kopftuch durch die Kölner Fußgängerzone läuft, aber schon, wenn sie oben ohne zum Shopping geht.


    :rofl


    Schulljung, ich wollte schon zu Deinem originellen Vergleich Gesetzgebung vs. Katechismus was schreiben, aber religiöse Symbole und Rituale mit den Regeln des Anstands (und einigen Gesetzen; die Dame dürfte mit einer Anzeige wg. Erregung öffentlichen Ärgernisses rechnen, auch wenn nicht alle Menschen ihr Auftreten als ein solches verstehen dürften) gleichzusetzen, das schreit förmlich nach einer Replik. Wenn mir abverlangt wird, auf irgendeinen Gott zu schwören, oder im Angesicht aufdringlicher religiöser Symbolik verurteilt zu werden, wobei natürlich mitschwingt, daß der vorsitzende Richter sich dieserart als Handlanger der Religion versteht (ohne daß das notwendigerweise wirklich der Fall sein muß), dann ist das keine "Tradition", sondern ein Anachronismus, außerdem eine Zumutung, und nicht zuletzt eine massive Ungleichbehandlung. Und die Ursache hierfür sind i.d.R. Politiker, die eben nicht dazu in der Lage sind, die eigene Religiosität von ihrer Aufgabe als Mandatsträger zu trennen.

  • ät magali


    I stand corrected.


    thanx heap much!
    :anbet
    schöne grüße von blaustrumpf
    (culpa rubet vultus meus)

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • MagnaMater :


    Das erinnert mich an eine witzige Geschichte aus dem Bistum Osnabrück.


    Es ging um einen Katholiken, der im Alter für die Firmung war. Das ist ein Segen, der durch den Bischof gespendet wird.
    Er schrieb nun einen Brief an den Bischof, dass er oberhalb des Priesters keinerlei Fürsprecher beim Herrn brauche. Wenn der Bischof ihm überhaupt etwas spenden wolle, dann bitte nicht den Segen, sondern 10 D-Mark auf Konto blablabla.


    Tja, eine Woche später war der Junge um 10 D-Mark reicher. :lache


    Was die "betriebswirtschaftlich geführten kirchlichen Einrichtungen" angeht, so glaube ich tatsächlich, dass es Branchen gibt, in denen man mit den Einnahmen aus der Kirchensteuer deutlich höhere Gewinne würde erzielen können als in der Altenpflege oder in Kindertagesstätten.
    Das ist innerkirchlich auch immer wieder ein Dauerthema: warum teure Einrichtungen in Mitteleuropa unterhalten, wenn man mit dem gleichen Geld in Afrika viel mehr erreichen könnte?

  • Zitat

    Original von Tom
    Wenn mir abverlangt wird, auf irgendeinen Gott zu schwören,


    Keine Sorge, musst Du nicht. Der Zusatz "so wahr mir Gott helfe" ist freiwillig.


    Zitat

    Original von Tom
    oder im Angesicht aufdringlicher religiöser Symbolik verurteilt zu werden, wobei natürlich mitschwingt, daß der vorsitzende Richter sich dieserart als Handlanger der Religion versteht (ohne daß das notwendigerweise wirklich der Fall sein muß), dann ist das keine "Tradition", sondern ein Anachronismus, außerdem eine Zumutung, und nicht zuletzt eine massive Ungleichbehandlung.


    Die Position kann ich verstehen. Sie spiegelt die typische Provinzialität des deutschen Sprachraums wider, der entgegen der Entwicklungen auf dem restlichen Globus die Ablehung religöser Entfaltung für fortschrittlich hält (sinngemäß aus einem Kommentar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zitiert).
    Es ist genauso eine Ungleichbehandlung, wie die Tatsache, dass in Deutschland die Amtssprache Deutsch ist. Wenn ich nur Mandarin lesen und schreiben kann, habe ich echte Probleme, ein Formular auf einem deutschen Amt auszufüllen. In Deutschland ist man aber traditionell der Auffassung, Deutsch solle die Amtssprache sein. Und da das Volk souverän ist, darf es anachronistische Gesetze erlassen. Auch die gelten dann für alle.
    Ich vermute allerdings nicht, dass die Mehrzahl der Richter sich als sakrale Amtsträger wahrnimmt. Sie werden das Kreuz (das es, glaube ich, nur noch in wenigen Sälen gibt) eher als Symbol des europäischen Kulturkreises, des christlichen Abendlandes, sehen, als dessen Teil sie Deutschland wahrnehmen. Die Urteile werden "Im Namen des Volkes" gesprochen, nicht "Im Namen Gottes".


    Zitat

    Original von Tom
    Und die Ursache hierfür sind i.d.R. Politiker, die eben nicht dazu in der Lage sind, die eigene Religiosität von ihrer Aufgabe als Mandatsträger zu trennen.


    Es würde mich sehr wundern, wenn jemand seine religiösen Grundüberzeugungen von irgend etwas würde trennen können, was er tut. Dann wären es nämlich keine. Zudem haben wir in der Bundesrepublik persönliche Mandate. Das bedeutet, die *Person* ist in ein Amt gewählt. Die religiöse Grundüberzeugung gehört zu den wesentlichen Bestandteilen einer jeden Person (auch "Atheismus" oder "Agnostik" sind in diesem Sinne religiöse Grundüberzeugungen). Sie sind daher "mitgewählt", wenn eine Person ins Amt gewählt ist.


    Für Dich ändern wir aber gern auch das Grundgesetz. :-)

  • @ Bernhard


    gute idee, dann sollen sie von hier verschwinden. Ich denk mir, wenn ich so zeitungen lese manchmal, die Aufklärung ist nichtmal bis an die tore von Paris gekommen - oder wahlweise Königsberg.

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

  • Hallo, Bernard.


    Zitat

    Keine Sorge, musst Du nicht. Der Zusatz "so wahr mir Gott helfe" ist freiwillig.


    Spaßvogel. Was hat der Zusatz überhaupt in der Eidesformel zu suchen?


    Zitat

    Es ist genauso eine Ungleichbehandlung, wie die Tatsache, dass in Deutschland die Amtssprache Deutsch ist. Wenn ich nur Mandarin lesen und schreiben kann, habe ich echte Probleme, ein Formular auf einem deutschen Amt auszufüllen.


    Ich gebe Dir insofern recht, daß Sprachbilder zu einem Gutteil auch Auffassungen vermitteln. Viele Termini, die es möglicherweise in anderen Sprachen überhaupt nicht gibt, beinhalten eine Wertung, transportieren - zuweilen überkommene - soziale und kulturelle Wertebilder. Aber die Sprache ist im Wandel, was wir durch neue Wortungetüme wie "Handy" und "googeln" zu spüren bekommen, zudem ist sie in der Hauptsache ein Hilfsmittel. Es ist einfacher, sich auf eine Amtssprache zu einigen, und zwar nach dem Mehrheitsprinzip, als jeden Menschen in allen Sprachen und Dialekten der Welt auszubilden. Der Vergleich hinkt nicht nur, er lahmt. Davon abgesehen: Geh mal in eine Behörde im Berliner Bezirk Wedding. Du wirst Dich wundern, wie sehr sich der Amtsschimmel bemüht, in allen möglichen Sprachen zu wiehern. Deutschsprachige Beschilderung ist dort in der Minderheit. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich finde das gut, irgendwie.


    Zitat

    Ich vermute allerdings nicht, dass die Mehrzahl der Richter sich als sakrale Amtsträger wahrnimmt. Sie werden das Kreuz (das es, glaube ich, nur noch in wenigen Sälen gibt) eher als Symbol des europäischen Kulturkreises, des christlichen Abendlandes, sehen, als dessen Teil sie Deutschland wahrnehmen. Die Urteile werden "Im Namen des Volkes" gesprochen, nicht "Im Namen Gottes".


    Sei doch nicht albern. Welchen Zweck erfüllt ein Kruzifix im Gerichtssaal? Doch keineswegs einen irgendwie gearteten "traditionellen". Es ist ein Symbol mit Bedeutung, und zwar eines von nicht gerade geringer Aufdringlichkeit.


    Zitat

    Es würde mich sehr wundern, wenn jemand seine religiösen Grundüberzeugungen von irgend etwas würde trennen können, was er tut. Dann wären es nämlich keine. Zudem haben wir in der Bundesrepublik persönliche Mandate. Das bedeutet, die *Person* ist in ein Amt gewählt. Die religiöse Grundüberzeugung gehört zu den wesentlichen Bestandteilen einer jeden Person (auch "Atheismus" oder "Agnostik" sind in diesem Sinne religiöse Grundüberzeugungen). Sie sind daher "mitgewählt", wenn eine Person ins Amt gewählt ist.


    Das sogenannte "freie Mandat" besagt, sehr richtig, daß ein Abgeordneter lediglich seinem Gewissen gegenüber verantwortlich ist, und selbstverständlich ist der Glaube oder Unglaube eines jeden Mandatsträgers zu respektieren. Aber darum geht es nicht. Religiöse Mandatsträger sorgen dafür, daß die Trennung zwischen Kirche und Staat nicht vollendet wird. Hier werden Mehrheitsprinzip und freies Mandat dafür mißbraucht, die staatsbeeinflussende Macht einer Körperschaft aufrechtzuerhalten. Dies aber widerspricht dem Prinzip der Gleichbehandlung, und damit letztlich dem Grundgesetz.

  • @ Tom.


    Ich setze mal ein Axiom:
    "Ein Mensch kann nicht unabhängig von seinen religiösen Grundüberzeugungen handeln."


    Falls wir uns darauf einigen können:
    Wie sähe dann Deine Lösung aus?


    Allen Angehörigen einer kirchlichen Gemeinschaft das passive Wahlrecht entziehen?


    Das käme mir abstrus vor.


    Ich sage nicht, dass es "logisch" oder "folgerichtig" ist, wenn man das Recht hat, den Zusatz "so wahr mir Gott helfe" in Eidesformeln zu verwenden. Ich sage nur: Es ist geltendes Recht, hervorgegangen aus einem demokratischen Gesetzgebungsprozess. Es ist zudem übereinstimmend mit dem Grundgesetz des Staates, in dessen Auftrag Recht gesprochen wird - Präambel: "Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen ... hat das deutsche Volk ... dieses Grundgesetz ... beschlossen". Ferner wird nicht bezug auf eine bestimmte kirchliche Gemeinschaft genommen, sondern lediglich auf "Gott", was dann wieder jeder für sich interpretieren kann.


    Vielleicht wird es irgendwann Mehrheiten geben, die diese Gesetze ändern. Im Moment gibt es die nicht. Und da ein Bürger einer Demokratie den vom Parlament verabschiedeten Gesetzen verpflichtet ist ... selbst wenn sie so archaisch sind wie die deutsche Sprache ... müssen wir wohl alle auf den Tag warten, an dem Du Diktator wirst und uns weisere Gesetze gibst.

  • Ich setze mal ein Gegenaxiom:


    "Niemand kann seine eigenen sexuellen Präferenzen ignorieren."


    Trotzdem verlangen wir, dem Zeitgeist entsprechend, aber auch berechtigterweise, daß ein vermutlich überwiegend heterosexuell orientiert zusammengesetztes Gremium dafür Sorge trägt, daß homosexuelle Lebensgemeinschaften mit adäquaten Rechten ausgestattet werden. Und erstaunlicherweise ist das auch geschehen. Die Aufgabe eines Mandatsträgers besteht nicht darin, sein Weltbild zum staatstragenden zu machen, sondern im Interesse der Menschen, die er mitregiert zu handeln, zum Wohle aller.


    Die Präambel des Grundgesetzes ist eine Eröffnungsformel, nicht mehr und nicht weniger. Nur wenige Absätze weiter heißt es im eigentlichen Gesetzestext:


    Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. (Artikel 3, Absatz 3)


    Christen werden in Deutschland definitiv bevorzugt behandelt. Siehe oben.

  • Zitat

    Original von MagnaMater
    @ Bernhard


    gute idee, dann sollen sie von hier verschwinden. Ich denk mir, wenn ich so zeitungen lese manchmal, die Aufklärung ist nichtmal bis an die tore von Paris gekommen - oder wahlweise Königsberg.


    Aufklärung bitte nicht gleichsetzen mit der totalen Ablehnung von Religion. Damit wäre diese geistige Bewegung vollkommen missverstanden und in eine Richtung interpretiert, die als schick, weil fortschrittlich gilt (anders kann ich den Ausdruck "anachronistisch" oben nicht verstehen). (Das hatten wir übrigens auch schon mal bei der Französischen Revolution - wobei bei der Ablehung der Religion auch die Ablehnung des sakrosankten Königtums eine gewichtige Rolle spielte, die heute eher unbedeutet ist -, als die Herren und Damen Sansculotten, bzw. ihre intellektuellen Führer die Vernunft zum obersten Wesen erklärten. Geändert hatte sich dadurch übrigens nichts - die Kirchen hießen nun eben "Tempel der Vernunft".)



    Aber eine ganz andere Sache, weshalb ich mich oberhaupt erst in diesem Thread zu Wort melde (und das auch erst, nachdem der Titel geändert wurde, den ich nicht wie du, Tom , als provokativ, sondern bestenfalls als polemisch bezeichnet hätte) - ich bin ziemlich enttäuscht von dir, Tom. :wow


    Ich habe dein Eingangsposting gelesen und mir verwundert die Augen gerieben und mich gefragt: "Ist das wirklich Tom? Ist das Tom, der sich plötzlich mit all jenen sensationsgierigen Journalisten und aufgebrachten ungebildeten Horden, die johlend Fahnen verbrennen, auf eine Stufe stellt und den Stab über ein Zitat bricht, dessen Zusammenhang er nicht einmal kennt? Ist das Tom, der an anderer Stelle lautstark und vehement für Meinungsfreiheit eintritt? Der den Ton intellektueller Diskurse kennt und in der Lage ist, Zitate entsprechend zu verstehen und einzuordnen?" :wow


    Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich um ein Zitat handelt, das im Zuge einer Vorlesung an einer Universität gefallen ist. Um ein historisches Zitat. Das Verständnis für Texte vor ihrem historischen Hintergrund gehört zu den Grundfertigkeiten, die ich meinen Schülern bereits in der Mittelstufe beibringe und die von ihnen nach wenigen Beispielen hinlänglich beherrscht werden. Wie kann man dann so kurzsichtig sein, ein historisches ZITAT mit der Meinung des Zitierenden gleichzusetzen, zumal etliche Jahrhunderte zwischen beiden liegen? (Für alle, die es nicht wissen, Manuell II und die anderen Palaiologen versuchten sich vergeblich gegen das Voprrücken der Osmanen zu behaupten. Konstantinopel stand im 14. und 15. Jahrhundert mit dem Rücken zur Wand und hatte diesen einen großen Feind.) Außerdem wird vergessen zu erwähnen, welche Funktion dieses Zitat im Gesamtkontext der Rede hat - eigentlich die wichtigste Frage, mit der ich mich beschäftige, ehe ich ein Zitat werte.
    Sensationsgier ist das einzige, was mir dazu einfällt. Der Zusammenhang wird unterschlagen, um eine Schlagzeile zu haben.


    Es betraf den Papst, doch dieser hat Manuel II nicht in einer Predigt zitiert, sondern in einer Vorlesung an einer Universität. Wenn nun mit Zitaten in wissenschaftlichen Vorträgen so umgegangen wird, stellt sich mir die Frage: Was bedeutet das für die freie Wissenschaft? Darf man nach heutigen Gesichtspunkten schwierige Zitate nicht mehr in den Mund nehmen, weil man befürchten muss, die Meinung des Zitierten werde mit der eigenen gleichgesetzt? Muss man jedes Wort in einem WISSENSCHAFTLICHEN Vortrag sorgsam abwägen, weil es Leute geben könnte, die den Zusammenhang nicht verstehen und ihr Halbwissen lauthals herausposaunen und im nahen Osten für Unruhe sorgen, bis wieder Fahnen brennen und Morddrohungen eingehen, wegen eines nicht verstandenen Zusammenhangs? Ich mag gar nicht daran denklen, was man mir alles antun könnte, wenn man Zitate, die ich im Unterricht zitiere, aus ihrem Zusammenhang risse. Im besten Fall würde mich der Verfassungsschutz überwachen ("Die Menschen werden als Untertanen geboren (...) Der Fürst blickt von einem höheren Standpunkt aus; man darf darauf vertrauen, dass er weiter sieht als wir; deshalb muss man ihm ohne Murren gehorchen." Bossuet, 1682) oder erschießen, weil ich den Islam / die Türken oder sonstwen beleidigt habe ("Das Osmanische Reich stellte eine erhebliche Bedrohung dar.") ich kann daher nur froh sein, dass ich an einer kleinen Schule im hessischen Hinterland unterrichte und nicht täglich sensationsgeile Reporter im Klassenzimmer habe, die Zitatfetzen suchen, anhand deren man meine Ewig-Gestrigkeit belegen kann.


    Kardinal Lehmann räumte m.W. ein, dass der Papst vielleicht nicht deutlich genug die historischen Umstände erläutert hätte. Auch hier muss ich wieder fragen - was erwarten wir von einem wissenschaftlichen Vortrag? Die Zuhörer haben die Vorbildung, um die Zusammenhänge zu verstehen, und es wäre eine Zumutung, diesem Auditorium noch einmal vom Hölzchen zum Stöckchen alles zu erläutern.


    Ich werfe dir, Tom , nicht vor, dass DU diese Zusammenhänge nicht durchdacht und verstanden hast - eher im Gegenteil. Ich bin enttäuscht, dass du (zumindest mit deinem Eingangsthread) mit den Sensationsreportern und den ungebildetejn, fahnenverbrennenden Massen in ein Horn stößt, obwohl du es besser wissen solltest - und gerade hier gegen Stimmungsmache zu Lasten wissenschaftlicher Meinungsfreiheit auftreten solltest. Dass du das nicht tust, kann m.E. nur einen Grund haben - du willst provozieren (du nennst den alten Titel ja selbst provozierend) und eine Diskussion erneuern, die bereits mehrfach in diesem Forum geführt wurde.


    Und da muss ich dich fragen - ist das nötig? Ist es nötig, eigene Wertmaßstäbe (Meinungsfreiheit) zu opfern, um hier eine Show zu inszenieren, bei der die Akteure von vornherein bekannt sind? Wenn du ernsthaft mit Iris und Rabarat über Religion diskutieren willst, warum dann in einem Thread mit einem unsäglichen Titel und nicht bei einem Glas Wein in einer gemütlichen Kneipe? :knuddel1


    Viele Grüße :wave
    Heike :-)


    PS: Wenn sich etwas mit bereits vorausgegangenen Postings gedoppelt haben sollte, bitte ich um Verzeihung - ich hatte keine Lust, das alles noch mal zu lesen. :wow

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  • Zitat

    Original von Tom
    ...Davon abgesehen ist die Trennung in Deutschland noch immer nicht vollzogen; der Staat zieht Kirchensteuern ein, das nächtliche Gebimmel wird weiterhin geduldet, an den Schulen wird immer noch Rille gelehrt und zumindest in bayerischen Gerichtssälen hängt ein hölzerner Nackter am Kreuz...


    Auf die Gefahr, mich unbeliebt zu machen. Das ist doch nicht anderes als eine staatlich subventionierte Sekte...

  • Dann empfehle ich aber mal, die Definition von Sekte nachzulesen...

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Huhu, Heike.


    Es enttäuscht mich, daß ich Dich enttäuscht habe. :grin


    Natürlich ist dieses Zitat ein fader Aufhänger, aber seine vermeintlichen Folgen - auch heute sah sich Benedikt wieder genötigt, seinen "Respekt" vor dem Islam zu betonen - scheinen mir symptomatisch für die Verkrampftheit mindestens zweier der Weltreligionen, und gleichzeitig für ihre Macht, und Ängstlichkeit darum, sie zu erhalten. Dieses Thema scheint mir wichtig, weil ich es für eines der größten Pulverfässer des aktuellen Weltgeschehens halte (nicht das Zitat, sondern die Rolle der Weltreligionen), und da ich leider mittelfristig keine Gelegenheit haben werde, es mit Iris und Rabbi bei einem Gläschen Schorle zu diskutieren, was ich überaus gerne tun würde (zumal mich Iris dann häufiger grinsen sehen könnte), habe ich diesen ... wie war das: popeligen Anlaß benutzt, um die Fragestellung aufs Tapet zu bringen, wie man früher sagte. Natürlich ist das Säbelgerassel, Mediengeschrei und Hetze, was im Nachklapp dieser Äußerung geschah, wenngleich ich Deine Form der Relativierung nicht ganz nachvollziehen kann. Aber das ändert nichts daran, daß Fanatismus, orthodoxe Regelgläubigkeit und religiöse Intoleranz in der Hauptsache dazu geeignet sind, großen Schaden anzurichten, und das werden sie tun. Deshalb sollte man keine Gelegenheit verstreichen lassen, dies zu thematisieren.

  • Moin Tom,


    mit deinem Ansatz, dir eine Plattform für diese Diskussionen zu schaffen, erreichst du allerdings nur, dass nicht nur die Weltreligionen ein gespanntes Verhältnis haben, sondern auch die Kluft zwischen Atheisten und Christen, vertieft wird, wobei mal wieder besonders scharf gegen die Katholiken geschossen wird.
    M.E. ein verfehlter Ansatz, der anstelle eine toleranten Miteinander im Ergebnis Hetze und Intoleranz und letztendlich keine alle zufriedenstellende Lösung hervorbringt.


    Viele Grüße :wave
    Heike

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